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Batthyány, Batthyány, true Familie
Weitverzweigtes altungarisches Magnatengeschlecht. Seine Ursprünge gehen auf das Geschlecht Örs zurück, dessen Besitzungen im 12. Jh. rund um den Balaton (Plattensee) lagen. Die Familienbezeichnung B. erfolgte nach Erwerbung (1398) der Besitzung Szabadbatthyán im Komitat Fehér (Stuhlweißenburg [Székesfehérvár/H]). 1524 wurden Franz und Christoph B. von König Ludwig II. von Ungarn mit der (auch heute noch in Familienbesitz stehenden) Burg und Herrschaft Güssing (heute Burgenland) betraut, von wo aus die Familie durch lukrative Familienverbindungen, diplomatisches Geschick und erfolgreichen Einsatz in der Abwehr der Türken rasch zu Macht und Ansehen gelangte. Ende des 16. Jh.s umfasste die Herrschaft B. ein Territorium im österreichisch-ungarischen Grenzraum, das das Gebiet des heutigen Südburgenlandes übertraf. Die Familie wurde 1603 in den Grafenstand erhoben. Der Name B. genießt auch heute in Ungarn noch hohes nationales Prestige.

Zu musikgeschichtlicher Bedeutung gelangte die Familie durch

Balthasar (III.): * 1538 oder 1543 (Ort?), † 11.2.1590 (Ort?). Militär und Mäzen. Er hatte an mehreren europäischen Univ.en studiert und war zum Büchersammler und Musikliebhaber geworden. Er richtete seine Güssinger Residenz nach dem Vorbild von italienischen Renaissanceakademien ein und berief, nachdem er wie die meisten ungarischen Magnaten dieser Zeit zum Protestantismus (Reformation) übergetreten war, protestantische Prediger und Gelehrte an seinen Hof, darunter den niederländischen Botaniker Carolus Clusius (1579–86). Seine Güssinger Bibliothek, die mehrere tausend Bände umfasste, war die größte in Westungarn. Seine Schule für Adelige, die er auf der Güssinger Burg einrichtete, genoss hohen Ruf. B., der selbst Lautenspieler war, unterhielt auch eine Hofkapelle (Adelskapellen), in der neben Lautenisten auch gefangene Türken mitwirkten. Von dem Orgelbauer Burján aus Kremnitz (Kremnica/SK) erwarb er am 20.1.1574 ein für den inzwischen verstorbenen Erzb. Verancsics angefertigtes Instrument (heute: Burg Güssing), das mit der aus dem 17. Jh. stammenden Orgel der Fischerkirche in Rust/Bl. zu den ältesten Musikinstrumenten des Burgenlandes zählt. Unter B. entstand auch das B.-Graduale, in dem Gregorianische Melodien (Choral) für den protestantischen Gebrauch umgearbeitet sind. Daneben ist auch die Existenz von Feldmusiken (bevorzugtes Instrument: der Dudelsack, ab 1560 verdrängt von der türkischen Pfeife) und Tanzmusik (Harfe, Zimbel und Geige) belegt. Neben Instrumentalisten wurden ab 1590 an den B.schen Höfen auch Sänger beschäftigt.

B.s Urururenkel Karl v. B. (* 28.4.1699 Rechnitz/Bl, † 15.4.1772 [nicht 1777] Wien), Feldmarschall und Oberhofmeister des späteren K.s Joseph II., ließ 1766 auf dem Anwesen von Schloss Trautmannsdorf an der Leitha/NÖ ein neues Theater errichten, das möglicherweise ein älteres, von seinem Bruder Ludwig v. B. (1696–1765; ungarischer Palatin) erbautes Theater ersetzt haben dürfte. Die Errichtung eines repräsentativeren Theaters könnte mit den Besuchen von Maria Theresia bei K. v. B. in Trautmannsdorf zusammenhängen.

L.s Sohn Joseph: * 30.1.1727 Wien, † 23.10.1799 Pressburg. Geistlicher. Priesterweihe 1751 in Gran (Esztergom/H), 1752 Domherr in Gran, später Propst in Steinamanger (Szombathely/H) und Pressburg. 1759 Bischof von Siebenbürgen, 1760 Erzbischof von Kollotschau (Kalocsa/H), 1776–99 Erzbischof von Gran und Fürstprimas von Ungarn; 1778 Kardinal. Anfang 1776 beauftragte B., der in Pressburg residierte, J. A. Zimmermann mit dem Aufbau einer Kapelle, die v. a. der Repräsentation in der weltlichen Hofhaltung diente. Diese dürfte mit 24 Mann 1782 ihren Höchststand gehabt haben, unter ihren Mitgliedern befanden sich J. Zistler (Violine, Leiter der Kapelle nach Zimmermanns Tod 1781), St. Försch (Violine), Franz Xaver Hammer (gen. Marteau; Violoncello), J. Kämpfer (offenbar Violoncello), J. Sperger (Kontrabass), Karl Franz (Baryton), J. und Ph. Theimer (Oboe), Th. Lotz (Klarinette, Leiter der Harmoniemusik), Anton und Ignaz Boeck (Horn), Franz Faber (Trompete), Johann Klepp (Trompete), A. Mikusch (Flöte), F. Czerwenka (Fagott, wohl auch Violine), J. Schrattenbach (Harfe). Bereits 1783 dürfte die Kapelle stark reduziert worden sein (neun Mitglieder), ein Jahr später erfolgte wohl unter Einfluss des Josephinismus deren gänzliche Auflösung. Ihre Musiker wurden zum Teil in andere bedeutende Adelskapellen engagiert (Esterházy, Erdödy), die Brüder Boeck dagegen unternahmen Konzertreisen nach Deutschland und erhielten Anstellungen an der Hofkapelle zu München. Sollten die Angaben stimmen, dass der Fagottist J. Michl in den 1790er Jahren (vor 1794 und 1798/99) in Diensten von J. v. B. stand, wäre dies vielleicht ein Hinweis auf eine mögliche Reaktivierung der Kapelle bzw. der Harmoniemusik. Die Opernpflege erstreckte sich nicht nur auf J. v. B.s Stadtpalais in Pressburg und Pest, sondern auch auf seine zahlreichen Landsitze, wo kleine Schlosstheaterbühnen v. a. von Wandertruppen bespielt wurden: Güssing, Kirment (Körmend/H), Rechnitz, Bischdorf bei Pressburg (Bratislava-Podunajské Biskupice/SK), Ungarisch-Biel (Veľký Biel/SK), Schenkau (Čenkovce/SK), Großteting (Nagytétény/H). B. beschäftigte selbst keine Operntruppe, der Musikalienkatalog bestätigt aber die Mitwirkung seiner Kapelle bei den Opernaufführungen (u. a. Werke von J. Weigl, Ch. W. Gluck, A. Salieri, V. Martín y Soler, W. A. Mozart, B. Schack, C. Ditters v. Dittersdorf). Für Bischdorf ist 1787 die Aufführung einer Oper von G. Paisiello durch die Operntruppe von J. N. v. Erdödy unter der Leitung von H. Kumpf belegt.


Gedenkstätten
Gedenktafel am Primatialpalais in Bratislava (Staré Mesto, Primaciálne námestie, s. Abb.).


J.s Bruder Philipp v. B. (* 17.11.1735 Graz, † 28.5.1795 Pressburg), kaiserlicher General, erlangte durch die Errichtung von Schloss und Theater in Hainburg Bedeutung für die dortige Musik- und Theatergeschichte.


Literatur
K. Bárdos (Hg.), Magyarország Zenetörténete [Musikgeschichte Ungarns] 2:1541–1686, 1990; A. Ernst, Geschichte des Burgenlandes 1987; A. Magyar, Güssing 1976; [Kat.] Die Ritter Güssing 1990, 1990; Wurzbach 1 (1856); A. Meier in HaydnJb 10 (1978); G. Staud, Adelstheater in Ungarn 1977; D. Múdra, Dejiny hudobnej kultúry na Slovensku. II: Klasicizmus 1993; K. Lamkin, Esterházy Musicians 1790 to 1809, 2007 [Michl]; ADB 2 (1875); Wienerisches Diarium 18.4.1772; http://genealogy.euweb.cz (4/2014).

Autor*innen
Gerhard J. Winkler
Christian Fastl
Letzte inhaltliche Änderung
11.4.2019
Empfohlene Zitierweise
Gerhard J. Winkler/Christian Fastl, Art. „Batthyány, Familie‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 11.4.2019, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001f7f6
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Gedenktafel am Primatialpalais in Bratislava, Staré Mesto, Primaciálne námestie© Christian Fastl
© Christian Fastl

DOI
10.1553/0x0001f7f6
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