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Denkmälerausgaben
Wissenschaftlich-kritische Editionsunternehmen, die sich einem thematisch geschlossenen Bereich widmen (im Gegensatz zu Gesamtausgaben). Aus der Monumenta-Idee des späten 18. und des 19. Jh.s und der entstehenden (kunsthistorisch orientierten) Denkmalpflege entwickelt, steht bei der musikalischen Denkmalpflege in erster Linie nicht der Sachüberrest (Noten oder in jüngster Zeit Tonträger) im Mittelpunkt des Interesses, sondern die Überlieferung der Musik und die Erhaltung von deren Reproduzierbarkeit durch eine „moderne“ und möglichst wissenschaftlich kritische Edition. Historisch reichen die Wurzeln in die 2. Hälfte des 18. Jh.s zurück und basieren auf einem wachsenden historischen Bewusstsein und einem von Adel und Bürgertum (Bürgerliche Musikkultur) getragenen Musikleben. Diese Trägerschicht forderte in einem stark steigenden Musikmarkt nicht nur beständig neue Musikalien, sondern wollte die Werke jener Komponisten, die sie zu musikalischen Leitbildern erwählt hatten (im Sinne des Bildungsbürgertums des 19. Jh.s), und jene Werke, die für die nationale Musikgeschichte als bedeutend galten, möglichst repräsentativ bzw. vollständig erschlossen wissen.

Die Entstehung der D.-Ausgaben ist neben den genannten Faktoren auch in Zusammenhang mit dem Erstarken des Nationalbewusstseins in Verbindung mit Revolutionen und Freiheitskriegen ab der Wende vom 18. zum 19. Jh. zu sehen. Für Österreich, das keine „natio“ im Sinne des National-Begriffes des 19. Jh.s darstellt, wurden die D. als Sinnbild der verbindenden Kraft der Musik für den Vielvölkerstaat einerseits und als Zusammenstellung der Leistungen der einzelnen nationes des Habsburger-Reiches im Sinne der Idee des Gesamtstaatspatriotismus des Grafen Stadion andererseits eingesetzt. In diesem Sinne planten J. N. Forkel und J. v. Sonnleithner eine D.-Reihe, die in Wien erscheinen sollte; die Napoleonischen Kriege verhinderten die Publikation. Einen weiteren Versuch unternahm A. W. Ambros um die Mitte des 19. Jh.s, der jedoch ebenfalls nicht über die Herstellung der ersten Druckplatten hinauskam. G. Adler griff den D.-Gedanken in den 1880er Jahren wieder auf; geplant waren anfangs deutsch-österreich-ungarische Monumenta historiae musices, die nach dem Alleingang des Deutschen Reiches (Denkmäler Deutscher Tonkunst = DDT) und der Kooperationsverweigerung der transleithanischen Reichshälfte zu den Denkmälern der Tonkunst in Österreich (DTÖ) transformiert wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es auch in den Bundesländern zur Gründung von D.-Reihen (z. B. Denkmäler der Tonkunst in Salzburg, Musik alter Meister [Steiermark] bzw. am Museum Ferdinandeum in Innsbruck mit der CD-Serie Klingende Kostbarkeiten aus Tirol). Auch auf dem Gebiet der Volksmusik sollten die seit dem Beginn des 19. Jh.s erfolgte Sammeltätigkeit (Erzhzg. Johann, Sonnleithner etc.) in ein D.-ähnliches Projekt einfließen: in das sog. Volkslied-Unternehmen (das Projekt Volkslied in Österreich des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht), das in eine Art „Kronprinzenwerk“ für das Gebiet der Volksmusik münden sollte. Der Erste Weltkrieg und das Zerbrechen der Habsburgermonarchie setzten diesem Unternehmen ein Ende, bevor erste Ergebnisse publiziert werden konnten. Die Idee einer Volkslied-Edition für Österreich mit D.-Charakter wurde erst weit nach dem Zweiten Weltkrieg vom Österreichischen Volksliedwerk und Wal. Deutsch aufgegriffen; 1993 erschien der 1. Band des Corpus musicae popularis Austriacae (COMPA), das eine „Gesamtausgabe der Volksmusik in Österreich“ (so der Untertitel der Reihe) anstrebt. Das internationale D.-Unternehmen Corpus scriptorum de musica (zur Edition von Quellenschriften), bei dem die DTÖ in führender Position beteiligt waren (G. Adler, Wilhelm von Hartel, Joseph von Karabacek), kam bis zum Ersten Weltkrieg über erste Vorarbeiten nicht heraus; die Arbeiten wurden eingestellt, die Materialien 1933 der Österreichischen Akademie der Wissenschaften übergeben. Auch die 1931 begründeten Monumenta Musicae Bycantinae (Byzantinische Musik) sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen.


Literatur
MGG 2 (1995); NGroveD 5 (1980); E. Th. Hilscher, Denkmalpflege und Musikwissenschaft 1995; Th. Antonicek in WrVMw 31 (1994); MGÖ 2 (1979); MGG 1 (1949–51, Ambros).

Autor*innen
Elisabeth Th. Hilscher
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Th. Hilscher, Art. „Denkmälerausgaben‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001cb8a
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