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Faschismus
Die von Benito Mussolini 1919 gegründete Partei bzw. deren Ideologie und das von ihr in Italien 1922 errichtete System (Bezeichnung von lat. fascis, ital. fascio, Plural fasci = Rutenbündel der römischen Liktoren). In einem weiteren Sinn auch verwandte Ideologien bzw. daran orientierte totalitäre Systeme, wie beispielsweise in Portugal 1933–74.

Einflüsse stammen u. a. aus Herrschafts- und Elitentheorien in den Schriften von Georges Sorel (Reflexions sur la violence 1906) und Alfredo Pareto (Trattato di Sociologia Generale 1916), ferner aus einer (selektiven) Interpretation F. Nietzsches („Wille zur Macht“). Der F. prägte keine im engeren Sinn konsistente Ideologie (die etwa mit dem Marxismus vergleichbar wäre) aus, sondern inszenierte einige zentrale Inhalte: totale Unterordnung des Einzelnen unter die (expansive) Nation, militanter Antiliberalismus, Antikommunismus und Ablehnung der Demokratie, auch rassische Kategorien (Antisemitismus mit Antibolschewismus gekoppelt). Weitere Merkmale sind extremer Führerkult („Duce“ Mussolini als Ebenbild des angestrebten neuen Menschentyps), die Ordnung der Gesellschaft nach dem „Führerprinzip“, verbunden mit der Forderung nach bedingungslosem Gehorsam sowie Gewaltbereitschaft und Verherrlichung des Krieges („Kriegszustand bereits im Frieden“), verbunden mit Verachtung jeglicher Schwäche. Die faschistische Partei hat das politische Monopol im Staat und wird mit diesem gleichgesetzt. Totalitär ist v. a. der Zug zur Erfassung der Gesamtheit des Volkes in jeglicher Hinsicht durch Eingliederung jedes Einzelnen in Unterorganisationen der faschistischen Partei (Kinder- und Jugendorganisationen, Freizeitverbände wie doppo lavoro in Italien, Berufsverbände etc.). Der F. strebt die vollkommene Besiegung des politischen Gegners an, zumindest in der Rhetorik auch dessen vollkommene Vernichtung, wobei Brutalität als Wert an sich gefeiert wird.

Das Entstehen faschistischer Systeme in Europa und Lateinamerika nach dem Ersten Weltkrieg wurde stark durch ökonomische und soziale Krisensituationen gefördert, auch durch eine grundsätzliche Orientierungslosigkeit breiter bürgerlicher Schichten nach dem Verlust traditionell bestimmender Autoritäten.

Im Unterschied zum Nationalsozialismus in Deutschland (der v. a. im Hinblick auf Führerkult und Totalitarismus nicht nur in der Phase seiner Etablierung strukturelle Übereinstimmung mit dem italienischen F. zeigte) sah der italienische F. im avantgardistischen künstlerischen Konzept des Futurismus zumindest theoretisch einen Verbündeten (Filippo Tommaso Marinetti erfüllte politische Funktionen im F.), wobei die futuristische Kriegsverherrlichung und Radikalität zweifellos maßgebliche Motive darstellten. V. a. in der faschistischen Architektur wurde diese Achse auch tatsächlich sichtbar.

In Österreich fanden sich dem F. verpflichtete Positionen in den Heimwehren (besonders deutlich manifestiert im Korneuburger Eid von 1928). Diese Nähe kam nach 1933 (und bis zum Berchtesgadener Abkommen zwischen Kurt Schuschnigg und Hitler 1936) auch außenpolitisch in der Unterstützung des Dollfuß- und Schuschnigg-Regimes (Austro-F.) durch Mussolini als „Schutzherr“ einerseits, durch hervorragende Beziehungen zum ebenfalls autoritär bis faschistisch regierten Ungarn (Gyula Gömbös) andererseits zum Ausdruck. Der Versuch der totalitären Erfassung der Bevölkerung erfolgte unter Forcierung des „Ständeprinzips“ („Ständestaat“, Maiverfassung 1934) und unter betonter Einbeziehung der katholischen Kirche. Grundlegende Positionen waren Antimarxismus und Antibolschewismus, Ablehnung der Demokratie und Antiliberalismus. Trotz der von Dollfuß 1933 (in der sog. „Trabrennplatzrede“) programmatisch positionierten Ablehnung des Kapitalismus unternahm der Ständestaat keine Versuche zur tatsächlichen Veränderung des ökonomischen Systems. Auch die Kennzeichnung des Gesamtsystems Ständestaat als faschistisch ist in der historischen Literatur umstritten, jedenfalls war der Grad der erreichten Totalität des Herrschens weder mit Italien noch (ja schon gar nicht) mit NS-Deutschland vergleichbar, womit ein „autoritärer Mischtyp aus politischem Katholizismus und F.“ als Bezeichnung am sinnvollsten scheint. Auch das weitgehende Fehlen von programmatischem Antisemitismus und besonders die systembedingte Absage an jeglichen Antiklerikalismus unterscheiden die österreichische Praxis vom internationalen Befund (was durch den Hinweis auf den spanischen und portugiesischen Klerikofaschismus jedoch abzuschwächen ist). Die Vaterländische Front erreichte nie den Grad an Machtvollkommenheit, wie er faschistischen Parteien eigen war, auch verfügten weder Dollfuß noch Schuschnigg über die tatsächliche „Führerfunktion“ als „autoritäres Zentrum“. Hingegen wirkten innerhalb des Ständestaates und der Vaterländischen Front (nicht selten widerstreitende) Koalitionen von Interessensgruppen, beispielsweise innerhalb des „politischen Katholizismus“. Auch Schuschniggs „deutscher Weg“, gedacht als Neutralisierung der NS-Sympathisanten und letztlich die Vorwegnahme des „Anschlusses“, entsprach nicht dem faschistischen Modell des „totalen“ (österreichischen) Nationalismus. Unterorganisationen der Vaterländischen Front waren hingegen bewusste, in ihrer tatsächlichen Effizienz jedoch nicht entsprechend reüssierende Anknüpfungsversuche an erfolgreiche italienische und deutsche Vorbildgliederungen.

Auch im Ideologischen zeigen sich starke Unterschiede zwischen „autoritär-ständischem Universalismus“ (vertreten vom Kreis um Othmar Spann), berufsständischen Vorstellungen der katholischen Soziallehre und der anfangs dominanten deutlich faschistischen Position der Heimwehren. Dies fand Entsprechung in der lediglich fragmentarischen Konstituierung der Berufsstände, die doch die neue Basis des Ständestaats ausmachen sollten (von sieben geplanten wurden lediglich 1934 „öffentlicher Dienst“ sowie 1935 „Land- und Forstwirtschaft“ konstituiert).

Obwohl die Vereinnahmung und Kontrolle des Musiklebens besonders im Nationalsozialismus konsequent betrieben wurde, ist ein spezifischer Typus „faschistischer“ Musik nicht entwickelt worden. Die politischen Lieder der faschistisch regierten Systeme (für Italien etwa La Giovinezza) entsprechen grundsätzlich dem verbreiteten Typus politischer Propagandalieder. Eine spezifische musikalische Gestaltung, vergleichbar H. Eislers Konzept einer „Kampfmusik“ ist in diesen Liedern nicht nachweisbar. Die Verbreitung erfolgte v. a. über Liederbücher, die den einzelnen Formationen der faschistischen Staatspartei zugeordnet wurden. Der Tradition des politischen Liedes gemäß finden sich in diesen Sammlungen v. a. Kontrafakturen im Sinn textlicher Angleichung.


Literatur
W. Laqueur/G. L. Mosse (Hg.), Internationaler F. 1966; K.-J. Siegfried, Klerikalf. 1979; K. D. Bracher, Zeitgeschichtliche Kontroversen. Um F., Totalitarismus, Demokratie 1980; R. Mann (Hg.), Die Nationalsozialisten 1980; W. Wippermann, F.theorien 1980; R. Kühnl, F.theorien 1979; L. Carsten, F. in Österreich 1978; H. A. Winkler, Revolution, Staat, F. 1978; E. Hanisch, Die Ideologie des Politischen Katholizismus in Österreich 1918–1938, 1977.

Autor*innen
Christian Glanz
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Christian Glanz, Art. „Faschismus‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001cd1e
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