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Freistadt
Hauptort des Mühlviertels/OÖ. Die an einem uralten Handelsweg (Eisen, Salz) von der Donau zur Moldau vom Babenberger Leopold VI. 1220/25 gegründete Stadt erhielt bereits bei ihrer Gründung das Stadt- und Marktrecht sowie in der Folgezeit weitere Privilegien, die zu einem raschen Aufstieg und zu Wohlstand der Bürger führten. Bereits 1378 ist eine Stiftung für einen gesungenen Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche St. Katharina belegt, 1525 ein Dreikönigsspiel. Ob der im späten 16. Jh. durch drei Lieder in den Handschriften P. Freudenlechners und Th. Stromairs als Meistersinger belegte Kürschner und Bürger Johann Kharrer von hier oder doch aus einem der gleichnamigen Städte in Oberfranken bzw. Schlesien stammte, ist unklar; umso mehr, ob von daher auf eine formelle Singschule geschlossen werden darf. Vom 16. bis ins 18. Jh. waren in F. wie üblich Thurner tätig. Sie betreuten auch das 1539 durch den Wiener Neustädter Orgelbauer Wolfgang Schweighart (Sveykhart) errichtete Hornwerk. Nach den großen Stadtbränden von 1507 und 1516 baute Sveykhart 1538/39 eine neue Orgel in der Katharinenkirche, die 1701–05 durch ein größeres Werk von L. Freundt ersetzt und nach Änderungen durch den Freistädter Orgelbauer Lorenz Franz Richter (1720–85) 1902/03 durch L. Breinbauer „romantisiert“ wurde. In der Liebfrauenkirche hatte Sveykhart 1539 die Orgel nur ausgebessert. Als die Kirche von den Protestanten (Reformation) benutzt wurde, ließen sie hier 1614 durch den Steyrer Orgelbauer Ulrich Schreyer (Sohn des Leonhard Schreyer in Gröningen sowie Vetter und seit 1613 Nachfolger von Georg Hackher) eine neue Orgel bauen (Organist Johann Lichtenhamer). Eine angeblich stümperhafte Reparatur an St. Katharina kurz vor 1620 durch den „unkatholischen Orgelmacher von Steyr“ (Schreyer, P. Peuerl?), die 1623 durch einen „katholischen“ saniert werden mußte, spiegelt wohl auch Polemik wider (Gegenreformation). Der Abbau von Privilegien im Zuge der neuen Wirtschaftspolitik nach dem 30-jährigen Krieg beendeten die Blütezeit, bis ins 19. Jh. ist F. eine Stadt mit eher bescheidenem Wohlstand. Immerhin beherbergte sie im 18. Jh. eigene Orgelbauer (L. F. Richter heiratete die Witwe von Anton Preisinger). Erst im späteren 19. Jh. begann (nicht zuletzt aufgrund der Errichung einer Station der Bahnlinie Linz-Budweis und einer ständigen Garnison 1873) ein gewisser Wiederaufstieg der Stadt. Neben ihrer Rolle als Verwaltungszentrum entwickelte sich F., trotz der Auflösung des 1761 gegründeten Piaristenkollegiums im Jahre 1883, zu einer beliebten Schulstadt.

Seit der Mitte des 18. Jh.s ist das kulturelle Leben auch zunehmend konkreter vorstellbar: 1743 wurde Maria Theresia auf der Durchreise von 10 Musikern, vier Trommlern und einem Pfeifer empfangen. Wahrscheinlich kann man in diesem wohl durch den 1735 verstorbenen Thurner- und Lateinschulmeister Albert Ferdinand Franz Puchfelder („ein sünnreicher Poet und virtuoser musicus“) begründeten Ensemble den Beginn der noch bestehenden Stadtkapelle sehen. Ab der 2. Jh.-Hälfte sind Theateraufführungen sowohl von Wanderbühnen als auch Spielern aus der Stadt selbst auf verschiedenen Bühnen belegt. 1849 wurde der Männergesangverein gegründet (seine künstlerischen Höchstleistungen erbrachte er unter F. Neuhofer zw. 1889/1903), 1887 auch ein Frauenchor, der erst 1922 eingegliedert wurde. Weniger bedeutend für die Stadt selbst als Neuhofer (und schon dessen Vater) waren die hier gebürtigen Brüder Vergeiner. Als Lehrer sowie Organist und Regens chori an der Stadtpfarrkirche zog 1923 Josef Peer (1902–88) zu. Die Stadtkapelle unter den Kapellmeistern Kajetan Ritzberger sen. und jun. (1876–1920 bzw. 1920–46) war zunächst die einzige ihrer Art. 1923 erstand ihr Konkurrenz durch die von August Ritzberger (1872–1943, Bruder von K. Ritzberger jun., pensionierter Eisenbahner) gegründete, erfolgreich geleitete und mit guter Blasmusik versorgte Bürgerkorps-Kapelle. Für Unterhaltung und Volksmusik sorgten in der Zwischenkriegszeit einige Musiker der Stadtkapelle als sog. Tragatschleitner. 1938 wurden alle Vereine aufgelöst, nur die Stadtkapelle rettete sich als SA-Musik. Infolge des Zweiten Weltkriegs und der russischen Besatzung bis 1955 kam es allenthalben zur Stagnation. 1946 wurde Hans Ritzberger (1893–1954) Kapellmeister der Stadtkapelle (bis 1950, 1950–54 Gottfried Manzenreiter, 1954–81 Franz Schüpany, 1981–93 Erich Pautsch, seither [2001] Gerhard Kunst). 1959 schuf sich die Stadtkapelle ein neues Statut als Musikverein Stadtkapelle F., angeschlossen ein großes und ein kleines Streichorchester (Leiter der beiden: Richard Weglehner [* 1923], u. a. 1978–84 erster Direktor der Landesmusikschule F., viele Kompositionen). 1948 gründete der Dolmetscher Hans Köhler den Arbeiter-Sängerbund, den Alfred Radler (1949–57) in einen gemischten Chor umwandelte (Chorleiter: 1957–70 Rudolf Müller, 1970–80 Anna Janschek; ab 1971 neuer Name Singkreis F., ab 1997 VHS-Singkreis F. unter Fritz Hinterdorfer). 1949 wurde unter Josef Peer der MGV wiederbegründet (spätere Chorleiter Josef Anderle, unter Franz Tomschi [* 1926] 1953–72 ein weiterer Höhepunkt, 1962 umbenannt in Chorgemeinschaft-Männergesangverein F., 1972–99 Engelbert Leitner). 1958 wurde als damals einzige in Österreich die Musikkapelle des Kameradschaftsbundes F. gegründet, die seit 1966 auch als Bürgerkorps-Kapelle dient (Kapellmeister: Stefan Böhm, Walter Schmiedinger, Sepp Prokschi, Gerhard Spreitzer). Große Verdienste um das Freistädter Musikleben erwarben sich auch: der gebürtige Wiener Ludwig Makovsky (1912–98, 1956 als Gymnasialprofessor zugezogen, gründete 1957 das Hausmusikwerk F. im österreichischen Volksbildungswerk, komponierte eine Symphonie, Kammermusik, Lieder und Chöre), Franz Tomschi, u. a. Gründer und Direktor der Musikhauptschule F. 1977–86, Kompositionen), Mathias Kreischer (* 1952, seit 1984 Direktor der Landesmusikschule; leitete 1981–95 auch das Freistädter Tanzorchester und bis 1991 ein Sinfonisches Schulblasorchester). Lehrer der Landesmusikschule gründeten 1985 das Bläserquintett Capella Concertante (besonders Pflege der Musik des 20. Jh.s; Leitung M. Kreischer) und Hermann Haider (* 1960, Violinlehrer der Landesmusikschule, gründete 1987 das Freistädter Kammerorchester, 1995–98 Kammerorchester Mühlviertler Kernland, seit 1998 Junge Philharmonie F.). Aus F. gebürtig sind überdies die Komponisten E. M. Freudenthaler und der hier und in Wien lebende H. Raffaseder.


Literatur
Wessely 1950; Freistädter Geschichtsbll. 1–11 (1950–97); E. Brixel, Das große oberösterr. Blasmusikbuch 1984; BrucknerH 1996; Erhebungen OR.

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Othmar Rappersberger
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger/Othmar Rappersberger, Art. „Freistadt‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00020887
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x00020887
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