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Galopp
Tanzname (von gotisch galhaupan = laufen, mittelhochdeutsch walap = Pferdesprung; beschleunigte, sprungartige Gangart des Pferdes; frz.: galop; engl.: gallop; ital.:galoppo; in Böhmen: kalup, auch kvapík oder trysk); ursprünglich auch Galop(p)ade genannt. Auch Rutscher, mancherorts „Preußisch“ genannt (in der Annahme, der Rhythmus stamme von heidnischen Preußen, die, vermummt auf Besen reitend, ihre Bekehrer von ihren Opferfeiern vertreiben wollten).

Der G. ist ein schneller, in springenden Chassée-Schritten ausgeführter Paartanz im 2/4-Takt, geprägt von durchlaufendem Achtel- oder punktiertem Achtel-Sechzehntel-Rhythmus oder einer Kombination; die Melodik, in achttaktige Phrasen gegliedert, betont das Drängende und Hüpfende. Der Tanz besteht aus einem zweiteiligen Hauptteil, einem ebensolchen Trio und einer Wiederholung des Hauptteils und ist in späterer Zeit von einer kurzen Einleitung und Coda umrahmt.

1791 ist der G. als Ersatz für den Kehraus oder Großvatertanz am Ende einer Anglaise erwähnt. Anderen Quellen zufolge diente der G. Ende des 18. Jh.s als Finalsatz von Quadrillen. In der Folge verselbständigte sich der Tanz bzw. wurde er auch zum Beschluss einer Walzerkette ausgeführt.

Tanzte man den G. ursprünglich gerade über die Länge des Saales, so wurde ab Mitte der 1820er Jahre das typische „Chassieren“ in eine Richtung zunehmend durch einen Rundtanz ersetzt. Die in zeitgenössischen Tanzbüchern anzutreffende Bezeichnung „G.-Walzer“ weist auf die Drehungen um die eigene Achse hin.

Etwa um die gleiche Zeit wurde der G. in Europa zu einem Modetanz. Wilde Auswüchse brachten ihn dann in den Ruf, gesundheitsschädlich zu sein. Zeitgenössische Karikaturen zeigen erschöpft stürzende Tanzpaare oder geben der Darstellung eines ekstatisch mit verbissenem Gesichtsausdruck galoppierenden Paares den Titel „Der moderne G., oder Der Tanz in die Ewigkeit“ (Hans Jörgel, März 1838).

Die Wiener Musikverleger reagierten auf die gestiegene Nachfrage mit einem stark erweiterten Angebot. So veröffentlichte T. Haslinger eine Serie mit „Favorit-G.en“ in- und ausländischer Komponisten, in die 1828 auch Fr. Schuberts Grätzer G. aufgenommen wurde. J. Strauß (Vater) und J. Lanner trugen durch die Ausschöpfung musikalischer und orchestraler Mittel wesentlich zur Weiterentwicklung und Charakterisierung des G.s bei. Neben Eigenkompositionen, bisweilen durch Effekte wie Pistolenschüsse und Peitschenknallen bereichert, entstanden auch G.e nach Motiven aktueller Bühnenwerke.

Umgekehrt fand der G. sowohl in das Bühnen- als auch in das Salon- und Konzertrepertoire Eingang. Das berühmteste Beispiel für das erstere Gebiet, J. Offenbachs Galop infernal aus Orphée aux enfers (1858), ist eigentlich ein Cancan, eine um 1830 in Frankreich entstandene Abart des G.s. Für das Letztere stehen etwa C. Czerny und F. Liszt (Grand galop chromatique, 1838, Galop de bal, um 1840).

Mit der Verbreitung der Polka (etwa ab 1839) wurde die Bezeichnung „G.“ durch „Polka schnell“ oder „Polka (quasi G.)“ ersetzt; bisweilen wurde der charakteristische Zusatz auch weggelassen. Aufgrund der musikalischen Faktur lässt sich dennoch, etwa in den Polka-Kompositionen von J. Strauß (Sohn) und Jos. Strauß, klar zwischen Polka française und Polka schnell unterscheiden


Literatur
C. W. Wiener, Gründliche Anweisung zu allen gesellschaftlichen Tänzen 1829; R. Voß, Der Tanz und seine Geschichte 1869; F. M. Böhme, Geschichte des Tanzes in Deutschland 1886; E. u. K. Lange, Modetänze um 1800 in Beckers’s Taschenbüchern 1791–1827, 1984; N. Rubey in Wiener Institut für Strauß-Forschung (Hg.), Die Fledermaus 9–10 (1995); W. Litschauer/W. Deutsch, Schubert und das Tanzvergnügen 1997.

Autor*innen
Norbert Rubey
Letzte inhaltliche Änderung
25.4.2003
Empfohlene Zitierweise
Norbert Rubey, Art. „Galopp‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 25.4.2003, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001ce92
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