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Hofoper, Wiener bzw. K. (u.) k.
Operntheater des Wiener Hofes (Habsburger). Das erste Operngebäude in Wien entstand 1629 im Hofburgbereich, 1631 fanden erste Aufführungen statt. 1744 wurde es anlässlich der Erbauung des Redoutensaales abgerissen. Ein weiterer Theatersaal wurde 1659/60 auf dem Tummelplatz (heute Wien I, Josefplatz) errichtet, hatte jedoch nur kurzen Bestand. 1666–68 entstand nach Plänen von L. Burnacini auf der Kurtine nahe der Hofburg ein hölzernes Komödienhaus, das 1683 abgebrochen wurde. 1708 wurde schließlich das Kärntnertortheater errichtet, das ab 1810 fast ausschließlich als Opernbühne diente (sog. „alte H.“). Die „neue H.“ (heute Wien I, Opernring 2) wurde 1861–69 über einem ehemaligen Teil des Stadtgrabens auf den Stadterweiterungsgründen von Eduard v. der Nüll (1812–68) und August Sicard v. Sicardsburg (1813–68) in historisierendem Stil erbaut. Es wurde 1945 bei einem Fliegerangriff fast vollständig zerstört, 1947–55 von Erich Boltenstern (1896–1991) wiederaufgebaut und am 5.11.1955 mit L. v. Beethovens Oper Fidelio unter K. Böhm wieder eröffnet.

Das Ensemble des Kärntnertortheaters trat 1869 geschlossen in die neue Oper ein, die am 25.5.1869 mit W. A. Mozarts Don Giovanni eröffnet wurde. Erster Direktor des Hauses war F. Frh. v. Dingelstedt, der bereits seit 1867 das Kärntnertortheater geleitet hatte und auch selbst als Regisseur tätig war. Unter seiner Leitung wurde der gesamte Betrieb auf die in allen Belangen vergrößerten Notwendigkeiten eingestellt, wurde das Kostümwesen von Grund auf neu gestaltet und das künstlerische Personal (Chor, Ballett, Orchester) aufgestockt. Dekorationsmaler waren Theodor Jachimowicz und Carlo Brioschi (s. Abb.), Leiter des Ausstattungswesens war ab 1867 Franz Gaul. Kapellmeister und musikalischer Berater des Direktors war J. Herbeck, der den Kontakt zu Rich. Wagner wieder aufnahm und als Höhepunkt dieser Direktion am 27.2.1870 die EA der Meistersinger von Nürnberg leitete. Zu den erfolgreichsten Ensemblemitgliedern zählten J. N. Beck, J. Draxler, B. Ehnn, A. Materna, C. Mayerhofer, G. Walter und M. Wilt. H. Proch war seit 1840 Kapellmeister, O. Dessoff seit 1860. Ballettregisseur war C. Telle.

1870 wurde Franz Dingelstedt als Direktor an das Burgtheater geholt. Sein Nachfolger in der Oper wurde der Dirigent J. Herbeck, der jedoch in ständigem Konflikt mit der Generalintendanz und dem Obersthofmeister stand und schließlich 1875 zurücktrat. Unter seiner Direktion fanden die EA.en von Rich. Wagners Rienzi (1871), G. Verdis Aida (1975) und die UA von K. Goldmarks Königin von Saba statt. Adelina Patti (1843–1919) und P. Lucca absolvierten Gastspiele. Kapellmeister war 1870–75 Ignaz Fischer.

1875–80 war mit F. Ritter v. Jauner erstmals ein Theaterfachmann Direktor der H. Unter seiner Direktion wurden Wagner-Aufführungen ohne Kürzungen gespielt, fanden die EA der Pariser Fassung des Tannhäuser und 1878/79 die erste geschlossene Aufführung des Ring des Nibelungen statt. 1876 dirigierte Wagner seinen Lohengrin, auch Verdi dirigierte eigene Werke. 1875 wurde H. Richter als Kapellmeister engagiert, der bis 1900 dem Haus verbunden blieb. 1874–84 war W. Gericke Kapellmeister. Jauner begründete auch die Opernredouten (Vorläufer des Opernballs).

Nachdem Jauner 1880 die Leitung des Ringtheaters übernommen hatte, führte zunächst ein Regiekollegium, bestehend aus den Sängern E. Scaria, C. Mayrhofer und G. Walter, die Geschäfte der H. bis zum Eintritt des neuen Direktors. Dieser war 1880–97 der Dirigent W. Jahn. Er setzte sich für soziale Einrichtungen und technische Neuerungen ein, verhalf der Wiener Oper zu einer ihrer Glanzepochen und förderte sowohl das klassische Repertoire wie auch die Moderne (u. a. EA.en von Wagners Tristan und Isolde 1883 und Verdis Otello 1888). Er wirkte als Talententdecker und Förderer von Sängern sowie als ausgezeichneter Ensembleführer. Er bildete eine Sängerelite heran, die er zu einem Ensemble zusammenfügte und von denen viele 1882 bei der UA des Parsifal in Bayreuth mitwirkten. Zu ihnen zählten E. v. Dyck, R. Papier-Paumgartner, F. v. Reichenberg, Th. Reichmann und H. Winkelmann. Jauner war auch ein Förderer des Balletts (u. a. 1888 UA derPuppenfee von J. Haßreiter/J. Bayer). Als Dirigent bevorzugte er italienische und Buffo-Opern. Ab 1880 war J. N. Fuchs Kapellmeister, J. Hellmesberger jun. ab 1886 Dirigent für Ballett und Spieloper.

1897–1907 war G. Mahler Direktor der Wiener H. Seine Ära zählt zu den bedeutendsten und glänzendsten Perioden der Wiener Operngeschichte. Durch kritische Sorgfalt bei Neueinstudierungen und Verbesserung des Ensembles erreichte er eine Hebung des Niveaus der Darbietungen. Zur Verwirklichung seiner Ideen der Einheit von Musik und Sprache fand er ab 1903 in A. Roller einen kongenialen Partner. Roller war auch 1909–18 Leiter des Ausstattungswesens. Gemeinsam mit ihm gestaltete er Musteraufführungen mit Festspielcharakter (u. a. 1905/6 einen Mozart-Zyklus mit neuen Übersetzungen von M. Kalbeck). Die italienische Oper erlebte eine Blütezeit (u. a. Verdis Falstaff 1903 erstmals in deutscher Sprache; 1907 EA von G. Puccinis Madame Butterfly). Es folgten EA.en von Werken von F. Smetana, Peter I. Tschaikowsky, R. Leoncavallo (La Bohème 1898), A. Rubinstein, Siegfried Wagner, R. Strauss (Feuersnot 1902), L. Blech sowie UA.en von Die Kriegsgefangene von Goldmark 1899, Es war einmal von A. Zemlinsky 1900 und Der dot Mon von J. Forster 1902. Wichtige Sängerdebüts gaben 1897 A. v. Mildenburg, 1898 L. Demuth, 1899 S. Kurz, 1900 M. Gutheil-Schoder, 1901 L. Slezak und 1902 Rich. Mayr. Kapellmeister waren ab 1898/99 F. Löwe, ab 1900 F. Schalk und ab 1901 B. Walter.

Statt Mahlers Weg fortzusetzen, schlug F. Weingartner 1908–11 als Direktor einen unklaren, oft widersprüchlichen Weg ein. Vieles von dem, was Mahler eingeführt hatte, machte er rückgängig (so etwa hinsichtlich der „Striche“ in Wagner-Opern). Nach Kontroversen mit dem Direktor verließ Roller 1909 die Oper. Nach seinem Abgang von der Oper war Weingartner 1919–24 Direktor der Volksoper Wien und kehrte 1935/36 als Direktor der Staatsoper wieder. Unter seiner Direktion fand 1909 die EA der Elektra von R. Strauss sowie ein Gastspiel des Marinskitheaters aus St. Petersburg statt.

Mit H. Gregor war 1911–18 wieder ein Theaterfachmann Direktor der H. In seiner Ära erfuhren die Werke von R. Strauss die meiste Förderung (1911 EA des Rosenkavalier, 1916 UA der Zweitfassung der Ariadne auf Naxos und 1918 EA der Salome). Mit Ende der Sperrfrist erlebte Parsifal 1914 seine Wiener EA. Neben EA.en von Werken Claude Debussys, Jules Massenets und Puccinis wurden v. a. Werke österreichischer Komponisten uraufgeführt: 1911 Der Bergsee von J. Bittner, 1912 Aphrodite von M. v. Oberleithner, 1913 Spielwerk und die Prinzessin von F. Schreker und 1914 Notre Dame von F. Schmidt. Zum Sängerensemble kamen M. Jeritza, L. Lehmann, A. Piccaver und H. Duhan hinzu.

Das Ende der Ära Gregor begann mit dem Abgang von Alfred Fürst Montenuovo am 10.2.1917, Gregor verlor dadurch seinen Protektor und Vertrauten. Als Montenuovos Nachfolger blieb Konrad Prinz Hohenlohe bis 9.5.1918 im Amt. Wegen der kriegsbedingten Wirren blieb das Haus vom 21.10. bis 1.11.1918 geschlossen, Gregor wurde mit 15.11.1918 beurlaubt. Bis 16.8.1919 übernahm F. Schalk die Direktion. Mit dem Ende der Monarchie endet auch die Geschichte der k. k. Hofoper (Wiener Staatsoper).


Literatur
Czeike 3 (1994, Kärntnertortheater), 5 (1997, Staatsoper); [Kat.] 100 Jahre Wr. Oper 1969; Hadamowsky 1988; W. Beetz, Das Wr. Opernhaus 1869–1945, 1949; G. Kolisko, Franz Dingelstedts Wirksamkeit an den Wiener Hoftheatern, Diss. Wien 1928; Th. Jauner, Fünf Jahre Wiener Operntheater 1875–80. Franz Jauner und seine Zeit 1963; E. Knipel, K. k. Hoftheater unter der Leitung Franz Jauners 1875–80, Diss. Wien 1969; A. Harrandt, Wagner und seine Werke in Wien 1857–1883, Diss. Wien 1985; F. Willnauer, Gustav Mahler und die Wiener Oper 1993; E. W. Partsch/O. Pausch (Hg.), [Kat.] Die Ära Gustav Mahler. Wiener Hofoperndirektion 1897–1907, 1997; E. Taudes, Einakter-EA.en an der Wiener Hofoper 1869 bis 1918, Dipl.arb. Wien 1999; Ye-Suk Lee, Die Orchesterbesetzung der im Kärntnertortheater und im Haus am Ring im 19. Jh. aufgeführten Opern, Dipl.arb. Wien 1998; R. Wiesinger, Die Rezeption der Ur- und Erstaufführungen während der Ära Hans Gregors (1911–1918) an der Wiener Hofoper, Dipl.arb. Wien 2001; C. Ottner (Hg.), [Kgr.-Ber.] Oper in Wien 1900–1925, Wien 1989, 1991.

Autor*innen
Andrea Harrandt
Letzte inhaltliche Änderung
8.11.2022
Empfohlene Zitierweise
Andrea Harrandt, Art. „Hofoper, Wiener bzw. K. (u.) k.‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 8.11.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d1d7
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Hauptszenen aus Der Evangelimann von W. Kienzl bei der Erstaufführung an der Hofoper (11.1.1896) mit Bühnenbildern von Carlo Brioschi (Wiener Bilder, 19.1.1896, 5)© ANNO/ÖNB

DOI
10.1553/0x0001d1d7
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