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Jodeln, Jodler, Jodel
Alternieren von Bruststimme und Falsett (gestützt bzw. nicht gestützt), in der Regel über Silben ohne Wortbedeutung. Die Person, welche diese Tätigkeit ausübt, wird Jodler(in) genannt und das Ergebnis des Jodelns ist der Jodel (in Österreich meist Jodler). Für eine Typologie kommen jene Momente in Frage, die mit dem Registerwechsel zusammenhängen, nämlich: Häufigkeitsverhältnis von Brust- und Falsetttönen, Qualität des Falsetts aufgrund spektraler Kennzeichen (gegenüber der Bruststimme geringere Teiltonanzahl bei Konzentration der Schallenergie auf Teilton 1), Art des Registerwechsels, lautsprachliche Tonträger (Jodelsilben), musikalische Aspekte. Vorkommen: mit Schwerpunkt in Europa, insbesondere Alpenländer (über Vermittlung alpenländischer Jodlergruppen, Alpenmusik) ist er spätestens seit der Mitte des 19. Jh.s in der amerikanischen Popularmusik (besonders vaudeville) zu finden und hat von dort Eingang in die Country Music (Jimmie Rodgers, 1897–1933) gefunden; ferner in Afrika (besonders bei Pygmäen und Buschmännern) und Melanesien (Salomonen); darüber hinaus sind vielerorts jodelähnliche Techniken zu beobachten. Von den verschiedenen Ursprungshypothesen wird der Instrumentalhypothese (Nachahmung von Überblastönen – Naturtrompeten, Obertonflöten – bzw. Obertonmusizieren – Musikbogen, Maultrommel) und der Zurufhypothese (Verständigung über weite Strecken mittels hoher Falsettöne) das stärkste Gewicht zugeschrieben, Baumann weist jedoch (1996, 1492) mit Recht auf die Problematik monokausaler Erklärungen hin.

In Österreich gehört die Obersteiermark (Steiermark) mit ihren Nachbargebieten (Ennspongau, Salzkammergut, oberösterreichisches Ennstal, Schneeberggebiet) zu den ausgeprägtesten Jodellandschaften; Jodler sind aber auch in anderen Berggegenden Österreichs, insbesondere in Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Oberkärnten (Kärnten), heimisch. In Wien beherrschen manche Natursänger bis heute die Kunst des „Dudelns“; im Innviertel kennt man die eigenartige Form des „Almerns“ der Landlersänger. Weitere wichtige Jodellandschaften im süddeutsch-alpenländischen Raum findet man in der Schweiz (Appenzell, Innerschweiz, Berner Oberland) und in Bayern (Allgäu, Oberbayern).

Als ältester Hinweis auf das Phänomen des Jodelns im Alpenraum gilt ein Märtyrerbericht aus dem Trentin von 397 n. Chr., als drei christliche Missionare von den heidnischen Anaunen „ululato carmine diabolico“ getötet wurden. „Ululare“ deutet möglicherweise lautmalend auf Silbenwiederholungen und Registerwechsel. Das Wort „jodeln“ taucht im Alpenraum erst um 1800 auf, und zwar 1796 in E. Schikaneders Lied Die Tyroler san often so lustig und froh („Sie jodeln und singen und thun sich brav um“) aus dem Volksstück Der Tyroler Wastl. Bei der damals neuen Wortschöpfung „jodeln“ handelt es sich um eine Kontamination aus dem mittelalterlichen Wort „jolen“, das „laut und unartikuliert schreien“ heißt, mit „dudeln“, seit dem 17. Jh. ein volkstümlicher Ausdruck für instrumentales Musizieren. Tatsächlich dürfte das alte „Jolen“ seine Fortsetzung als „Jodeln“ in der barocken Alpenmusik gefunden hat. „Jodeln“ ist dabei die am weitesten verbreitete Wortform; von „dudeln“ spricht man in Wien und im Schneeberggebiet/NÖ, „ludeln“ heißt es neben „jodeln“ in der Steiermark und im Salzkammergut. In der Schweiz spricht man von „juuzen“, auch von „jolen“ oder „zauren“ (und es gibt noch zahlreiche weitere Ausdrücke, z. B. Hegitzer, u. U. auch Alpsegen).

Losgelöst von der ursprünglichen Verankerung im Almwesen ist das „Jodeln“ zur kunstvollsten Gattung alpenländischer Volksmusik geworden, gekennzeichnet durch reiche Mehrstimmigkeit, mitunter polyphon angelegt, mit kanonischen Führungen, Gegenstimmen und Stimmkreuzungen (in der Volksterminologie als „Gegeneinand“ bzw. „Durcheinand“ bezeichnet). Von den Heimatbewegungen des 19. und 20. Jh.s wurde der Jodler zum besonderen Ausdruck alpenländischer Identität hochstilisiert, was sich in zahlreichen Kompositionen niederschlägt, die in der Schweiz und im Allgäu eine eigene Trägerschaft in sog. „Jodelchören“ gefunden haben. In folkloristischer Kommerzmusik ist virtuoses Jodeln ein beliebtes Show-Element (volkstümliche Musik, Popularmusik). Jodelkurse werden im Tourismus angeboten, inzwischen sogar im Internet.


Tondokumente
TT: G. u. H. Haid (Hg.), Musica Alpina III–IV, 1999 [2 CDs mit Begleitheft]; Ch. Wagner (Hg.), American Yodeling 1998, US-0246-2 [CD mit Begleitheft]; H. Zemp (Hg.), „Jüüzli”. Jodel du Muotatal (Suisse), Le Chant du Monde LDX 274 716, 1990 [CD mit Begleitheft].
Literatur
MGG 7 (1958) u. 4 (1996); M. P. Baumann, Musikfolklore und Musikfolklorismus: Eine ethnomusikologische Untersuchung zum Funktionswandel des Jodelns 1976; W. Deutsch in R. W. Brednich et al. (Hg.), Hb. des Volksliedes 2 (1975); E. Fink, Der Jodler im Bregenzerwald. Dipl.arb Wien 1998; F. Födermayr in A. Schmidhofer/D. Schüller (Hg.), [Fs.] G. Kubik 1994; F. Födermayr/W. Deutsch in Systematische Musikwissenschaft 2/2 (1994); F. Hermann, Analytische Studien zur Metrik des Muotataler Juuz, Dipl.arb. Wien 1997; S. Fürniss, Die Jodeltechnik der AKA-Pygmäen in Zentralafrika: eine akustisch-phonetische Untersuchung 1992; W. Graf in R. W. Brednich et al. (Hg.), Hb. des Volksliedes 2 (1975); C. Luchner-Löscher, Der Jodler: Wesen, Entstehung, Verbreitung und Gestalt 1982; M. Schneider, Jodler aus Tirol 1982; W. Senn JbÖVw 11 (1962); W. Sichardt, Der alpenländische Jodler und der Ursprung des Jodelns 1939; W. Wiora, Zur Frühgeschichte der Musik in den Alpenländern 1949; G. Kotek in JbÖVw 21 (1972).

Autor*innen
Franz Födermayr
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
22.11.2019
Empfohlene Zitierweise
Franz Födermayr/Gerlinde Haid, Art. „Jodeln, Jodler, Jodel‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 22.11.2019, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d32d
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001d32d
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