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Multimedia
Ursprünglich die Symbiose verschiedener Medien, auch Medienverbund; kurzzeitig benannte man damit auch jene Kunstform, die auditive (Musik, Geräusche, Sprache) und visuelle (Tanz, Aktion, Film, Licht, Projektionen, Grafik, Malerei) Gestaltungsmittel zur Audivision, zum Happening oder Environment kombiniert. Musikalisch beruhte diese Kunstform auf Musique concrète, Aleatorik, Live-Elektronik und Minimal Music. Als Ziel formulierte man die totale sinnliche Erfahrung beim Publikum, weniger die Verschmelzung der einzelnen Künste zum Gesamtkunstwerk.

Der Begriff M. hat sich in diesem Zusammenhang nicht gehalten; verbinden sich verschiedene Künste als Medien zu einer Synthese, wird statt M. eher die Bezeichnung „Mixed Media“ zur Abgrenzung gegenüber der Elektronik gebraucht.

Heute (2003) bedeutet M. die Darbietung von Inhalten unter kombinierter Verwendung digitaler Medientypen: Audio, Text, Bild, Grafik, Film, Animation. Um aus all diesen Medientypen ein M.-Produkt produzieren zu können, mussten die Digitalisierung der einzelnen Sparten optimiert, Programm-Tools zur freien Kombination der Medientypen geschaffen und Hardware für Produktion und Konservierung der speicherintensiven M.-Ergebnisse entwickelt werden.

Der Beginn der M.-Ära korreliert mit der Marktfähigkeit entsprechender Datenträger, die 1985 von Sony und Philips als CD-ROM (Compact Disc Read Only Memory) mit ca. 650 Mbyte Aufnahme-Kapazität präsentiert wurden. Die Grundlage für dieses Speichermedium bildet die ebenfalls von Sony und Philips entwickelte CD-Audio Technologie zusammen mit dem CD-Player (CDP-101) von 1982. Wirklich verbreiten konnten sich M.-Anwendungen erst ab 1991, als der MPC-Standard (Multimedia Personal Computer) von führenden Unternehmen der Computerbranche definiert wurde: Der MPC-Level 2 fordert einen 486-er SX mit 25 MHz, eine VGA-Grafikkarte und High Color, eine 16-Bit-Soundkarte, mindestens 4, besser 8 Mbyte Hauptspeicher und 160 Mbyte Festplattenspeicher, außerdem ein multisessionsfähiges CD-ROM-Laufwerk mit 300 Kbyte/Übertragungsrate (Doublespeed-Laufwerk).

Gleichzeitig wurden Programme und CD-ROM-Laufwerke serienmäßig in Macintosh (Apple)-Computer eingebaut, deren Vorzug bezüglich M. in ihrer vorweg grafisch orientierten Benutzeroberfläche lag. Nach Übertragung der Mac-Benutzeroberfläche auf den PC verbreitete sich M. rasant und gilt nun als Standard-Kommunikations- und Präsentationstechnologie.

Der Trend zu aufwändigen Anwendungen mit elaborierter Audio-Ebene erforderte ein leistungsstärkeres Speichermedium, das 1995 durch Sony in Zusammenarbeit mit acht weiteren Unternehmen unter dem Namen DVD (Digital Versatile Disc) realisiert wurde. Ausgestattet mit der 25-fachen Kapazität einer CD-ROM gleicher Größe, bieten DVDs der ersten Generation nur einen Lese-Zugriff; der Schreib-Lese-Zugriff ist derzeit noch nicht verbreitet.

M. unterscheidet sich vom Film – der gleichfalls Musik, Geräusche, Bild und Sprache vereint, aber unveränderlich bleibt – durch die Illusion des persönlichen Eingriffs, die Interaktivität. Da sich Interaktion nicht nur visuell, sondern auch akustisch vollzieht, wurde überall dort, wo der User (Benützer) eine Entscheidung treffen muss, dem visuellen ein akustisches Signal beigegeben. Je nach Entwicklungsstand der Soundprogramme ergab sich eine Bandbreite vom einfachen, digital hergestellten Klang bis hin zur eigens kreierten Melodie.

Klang verarbeitende Programme sind dafür die Grundvoraussetzung. Aus der Synthesizer-Technologie kommend, wurden im Zusammenwirken mit der Musikindustrie zunächst hauptsächlich Programme für die Populärmusik entwickelt: Hoher Perfektionsgrad bei nachhaltiger Kostenreduktion führte zu dem Wunsch, Studio-Musikerinnen und -Musiker durch digitale Musikproduktion zu ersetzen. Da Sound-Innovation das Erscheinungsbild der Populärmusik prägt, war das Erreichen des originalen Instrumentalklanges zunächst kein vorrangiges Ziel. Für M.-Anwendungen bedeutete dies längere Zeit eine Benachteiligung der auditiven Ebene, besonders wenn Kunstmusik eingesetzt wurde. Die Optimierung des auditiven Bereichs ging mit der Festlegung von einheitlichen Soundformaten (WAV, AIFF, MP3 etc.) einher. Diese Formate sind mit einschlägigen Programm-Tools zur Herstellung von M.-Anwendungen kompatibel, wobei Erzeuger von professionellen M.-Programmen Zusatztools zur Überarbeitung von bestehender Musik im Paket anbieten. Diese Zusatztools erfordern, anders als Tools zur Bild-Nachbearbeitung, profunde Fachkenntnisse, was den Absatzmarkt für die originalen Musikprogramme verkleinert und die Produkte verteuert. Obwohl kaum eine M.-Anwendung ohne Sound-Ebene existiert, ist nur eine geringe Zahl von M.-Produkten mit hochwertig gestalteter Kunstmusik ausgestattet. Zumeist werden präformierte, im Internet kostengünstig oder kostenlos angebotene Sounds integriert, wodurch die auditive Ebene gegenüber der abwechslungsreichen visuellen zurück bleibt.

Die Verwendung von Musik bei M.-Produkten beruht im Wesentlichen auf Erfahrungen und Techniken der Filmmusik: kurze, prägnante Motive, die den emotionalen Wert der aktuellen Einstellung festlegen, ja auf Topoi der Filmmusik zurückgreifen. Gewöhnt an das Fragmentarische, genügen dem User bei M.-Produkten oft nur kurze Tonfolgen zur emotionalen Stimulation, mitunter vergleichbar den Signets. Im Gegensatz zum Film, der durchaus größere musikalische Zusammenhänge erlaubt, eignet sich narrative Musik nicht für konventionelle M.-Produkte, denn Interaktivität lebt vom spontanen Eingriff des Users. Folglich bleibt zu wenig Zeit für musikalische Entwicklung.

Ist hingegen Musik Gegenstand einer M.-Anwendung, wird bei der Konzeption dafür eigens Zeit reserviert. Dem gewohnten Musikgenuss sind allerdings wegen der Dominanz des Visuellen Grenzen gesetzt: Der User blickt weiterhin auf Projektionsfläche oder Bildschirm und erwartet – konditioniert durch den Film – nun Bildsequenzen. Demnach muss Musik im professionellen Bereich visualisiert werden, was M. wiederum in die Nähe von Videoclips rückt (Videokunst). Dort existiert eine Nummer, der in rascher Schnittfolge Bildmaterial zur freien Assoziation, oftmals ohne inhaltlichen Bezug, beigegeben wird.

Da sich M. zum Präsentieren von komplexen Sachverhalten sehr gut eignet, werden alle Lebensbereiche berührt. Analog zum Film lässt sich bezüglich der Verwendung von Musik feststellen, dass Infotainment und Edutainment den Schwerpunkt auf Sachlichkeit legen und mit wenig Klängen auskommen. Soll M. zur Produkt-Präsentation eingesetzt werden, dominiert die sinnliche Ebene; hier dient Musik der emotionalen Stimulation und ist unverzichtbar. Im ersten Fall begegnen eher einfache Sounds, im zweiten bekannte Themen und Motive, Klänge, längere Passagen mit eindeutigem emotionalen Wert. Experimente mit Musik werden aus Kostengründen unterlassen, Neueinspielungen gleichfalls. Man zitiert bestehende Musik im rechtlich definierten Zeitrahmen (Urheberrecht) oder spielt sie digital ein. Geräusche werden wie kurze Motive behandelt, präzis getimt und exakt auf das Einzelbild fokussiert.

Im Prinzip beruhen Videospiele, Gameboys etc. ebenfalls auf M.-Technologien. Je nach Anspruch begleiten kurze Sounds die Aktionen. Sie eröffnen oder schließen ein Spiel und kommentieren den Verlauf. Zumeist verhelfen Sound-Kompilationen der raschen Orientierung.

M.-Anwendungen im Internet verzichten wegen der als lang empfundenen Ladezeit auf größere Musikfiles. Zudem liefern die im PC (Mac) integrierten Lautsprecher ohne effiziente Verstärkung immer noch eine schlechte Klangqualität.

M. verläuft wie Musik in der Zeit. Diese Analogie manifestiert sich in der objektorientierten Programmierung. Macromedia Director etwa verwendet ein der Partitur ähnliches System mit Zeit- und Ereignisachse: das Notensystem entspricht dem Kanal, Themen und Motive den Ereignissen, Interpretationsanweisungen koinzidieren mit dem Verhalten und Tempobezeichnungen finden im Tempokanal ihre Entsprechung. Für die Integration von Musik ist ein spezieller Kanal vorgesehen; die Korrelation zwischen Bild und Ton erfolgt über Breakpoints, die allerdings in einem Subprogramm eines anderen Herstellers definiert werden müssen. Um ein marktfähiges Produkt zu gestalten, sind bei der Synchronisation zwischen Bild und Ton musikalische und technische Zusatzqualifikationen erforderlich.


Literatur
M. Linke/P. Winker, Das M&T-Computerlex. 2000; M. Saary, Die Musik der audiovisuellen Medien, Hab.schr. Wien 1997.

Autor*innen
Margareta Saary
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Margareta Saary, Art. „Multimedia‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001da66
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