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Musik
Im Abendland (d. h. durchaus nicht in allen Kulturen) versteht man unter M. die bewusste Gestaltung der klingenden (hörbaren; Akustik, Klang) Umgebung des Menschen; sie definiert als zweites, jedoch auf andere Ziele gerichtetes Ausdrucksmittel den Menschen nahezu ebenso wie die Sprache. Damit hängen auch die wenigen Konstanten und Universalien zusammen, die den verschiedenen Arten und Ausdrucksformen der M. der Kulturräume und Zeitläufte zugeschrieben werden können: dass sie nicht nur imstande ist, bestimmte Funktionen zu erfüllen (im Kult als „Sprache der Götter“ verwendet; Anthropologie der M.), dann zunehmend säkularisiert zu werden (bis hin zur scheinbar selbstzweckhaften „Kunst“ in emphatischem Sinn; absolute Musik), sondern auch Wirkung auf den Menschen auszuüben (Musikpsychologie). In jeder Hinsicht stellt sie, abermals wie die Sprache, ein sehr spezifisches Informations- und Kommunikationsmedium dar.

Das deutsche Wort M. geht, wie viele Äquivalente in anderen europäischen Sprachen, auf griech. μουςική bzw. lat. musica zurück. Diese Etymologie wurde seit dem Mittelalter immer wieder betont. Dabei hatte die Berufungsmöglichkeit auf mehrere unter den neun Musen (Göttinnen der Künste, Töchter des Göttervaters Zeus), wie in den meisten Kulturen der Welt, ihre göttliche Herkunft ebenso im Auge, wie sie das Verständnis der M. als eine besondere Musenkunst förderte (Museum). Dieses Verständnis wurde im Humanismus in besonderer Weise aufgegriffen, Darstellungen der „(Frau) musica“ als ihre Personifizierung wurden seit der mittelalterlichen Buchmalerei bis in jüngste Zeit den Musen daher oft an die Seite gestellt. Neben dieser antikischen gab es aber auch eine biblische Rechtfertigung: die Ableitung des Wortes M. von ägyptisch moys (= Wasser, Lebensspender) oder Moyses (= Moses, „aus dem Wasser gezogener“ Lobsänger Gottes). Solche Verbindungen von antiken und christlichen Momenten sind für das Abendland charakteristisch, haben im Falle der M. jedoch in den mit der Zeit wechselnden Klassifizierungen und Definitionen unterschiedlich stark durchgeschlagen.

In lateinischen Tradition wurde auch das deutsche Wort M. bis ins 18. Jh. auf der ersten Silbe betont (z. B. „Nur wer die Músik liebt“), in der bayrisch-österreichischen Mundart geschieht dies heute (2004) noch immer und in der Umgangssprache oft (insbesondere bei fehlendem Schluss-K: músi). Die hochsprachliche Betonung auf der zweiten Silbe begann sich erst seit dem 17. Jh. unter französischem Einfluss (musíque) durchzusetzen. Diese Übernahme markiert auch eine Veränderung der Grundauffassung: v. a. eine Betonung der sinnlichen Seite, der naturwissenschaftlichen Grundlegung (Akustik) und schließlich der Begründung ihrer psychischen Wirkung (Musikpsychologie; Musikwissenschaft). Durch die damit vollzogene Einreihung in das System der „schönen Künste“ wird der Begriff M. auch zu einer Art Oberbegriff, dem besonders im 19. Jh. die Tonkunst (für M. als Kunst im emphatischen Sinn) ebenso wie Volks- und Tanzmusik, allenfalls auch weitere Kategorien (z. B. Kirchen-, Unterhaltungsmusik usw.) untergeordnet wurden.

Nur selten wird die M. allerdings in der allgemeinen Kunstlehre (Ästhetik) als Paradigma benutzt. Eine Ausnahme bildet diesbezüglich der Philosoph Johann Friedrich Herbart (1776–1841), der in Deutschland eher ein Außenseiter blieb, in Österreich aber (besonders über B. Bolzano) eine große Wirkung besaß. Im Gegensatz zum Vorurteil von der für die Musik weniger weit als für die anderen Künste entwickelten Ästhetik bezeichnet Herbart die M. sogar als ein Muster dafür, „wie sich allgemeine Ästhetik und Kunst zueinander verhalten“ sollten.

Die Rolle, welche die verschiedenen Arten von M. in Österreich in Geschichte und Gegenwart spielte und spielt, kann in keiner allgemeinen Hinsicht, sondern allenfalls in Details spezifisch sein. Trotzdem ist ihre Sicht im In- wie im Ausland mit zahlreichen Klischees verknüpft. Unbestreitbar sind aber ihre verschiedenen Formen im Leben der Menschen, im öffentlichen Diskurs und nicht zuletzt als Wirtschaftsfaktor hier in einem Maße bedeutsam, das der Bezeichnung Österreichs als Musikland zumindest eine gewisse quantitative Berechtigung zu geben scheint.


Literatur
C. Dahlhaus/H.H. Eggebrecht, Was ist M.? 1985; Z. Lissa, Über das Spezifische der M. 1957; Riemann 1967; MGG 6 (1997); V. Karbusicky (Hg.), Sinn und Bedeutung in der M. 1990; W. Suppan, Der musizierende Mensch 1984; K. Blaukopf, Pioniere empiristischer Musikforschung 1995; S. Breuss et al., Inszenierungen. Stichwörter zu Österreich 1995; Ch. Kaden, Das Unerhörte und das Unhörbare. Was M. ist, was M. sein kann 2004.

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
14.12.2004
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „Musik‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.12.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001da75
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