Die Musiktheorie hat den Begriff aber nicht nur auf die Praxis der polyphonen Kunst des 17. und 18., sondern auch auf die strengen Ordnungsvoraussetzungen der Zwölftontechnik im 20. Jh. angewendet. In der Dodekaphonie beschreibt er den Positionsaustausch von Tönen innerhalb einer verbindlichen Reihenordnung, durch welche auf systematische Weise neue Klangabfolgen gewonnen werden. Stets ist die Veränderung dabei direkt oder indirekt an die Intervallstruktur einer Grundreihe gebunden. Bei der Festlegung einzelner Intervallfolgen als fester Größen im Reihenverlauf werden entsprechend bereits Ableitungen wie Transposition, Krebs oder Umkehrung als P.en der Grundreihe bezeichnet. Außer solch unmittelbaren Deduktionen können sich Veränderungen aber auch aus der kontrollierten Umstellung von Tönen oder Tongruppen ergeben. Die Tonanordnung wird dabei aus der Reihenstruktur selbst (so von ihrer Tonfolge oder Intervallstruktur), aus jeweils festgelegten Verknüpfungsregeln (etwa der Umdeutung von einem Schlusston oder -intervall zum Anfangston oder -intervall einer neuen Reihe) oder aus Verwandtschaftsbeziehungen (z. B. der Wiederkehr von Tönen in derselben oder in veränderter Abfolge in anderen Reihen) gewonnen. Über solche Rotationsverfahren einzelner Töne oder Tongruppen vom Ausgangspunkt einer Reihe aus ist es möglich, zunächst nicht von der Reihenstruktur unmittelbar festgelegte Bestimmungsgrößen in die Ableitungsverfahren einzubeziehen. Die Möglichkeiten erstrecken sich dabei bis hin zu komplizierten Operationen, welche die Reihenelemente durch Zahlen ersetzen und diese nach seriell gegliederten Gesichtspunkten verändern.
Den geschichtlichen Ausgangspunkt für werkübergreifende permutative Kompositionsverfahren im 20. Jh. bilden v. a. Kompositionen der „Wiener Schule“, deren Handwerkstradition sich der deutsch-österreichischen Polyphonie der vorangegangenen Jh.e verpflichtete. Bereits 1928 lassen sich in A. Schönbergs Variationen für Orchester op. 31 Ansätze zu einer übergreifenden P.s-Systematik nachweisen. Nur kurze Zeit später findet sich in Alban Bergs Oper Lulu eine Adaption der Reihentechnik, die auf extensive Weise von P.en Gebrauch macht und numerische Auswahlverfahren (nach Art eines Rotationsprinzips) zur Ableitung neuer Reihen nutzt. A. Webern hat permutative Verfahren als Kontrapunkttechnik in unmittelbarer Anlehnung an polyphone Vorbilder des 16. bis 18. Jh.s eingesetzt. 1942 erweiterte E. Krenek das Verfahren auf die reihentechnische Organisation eines ganzen Werkes, indem er diesem systematisch rotierende Sechston-Skalen zugrunde legte (Lamentatio Jeremiae Prophetae op. 90). In der seriellen Musik der 1950er Jahre wurden als permutative Verfahren Prozesse der mathematischen Kombinatorik angewendet (z. B. bei Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen), die zur weiteren Differenzierung der Reihenordnungstechnik beitrugen. In der überaus reichen Wirkungsgeschichte permutativer Verfahren in der 2. Hälfte des 20. Jh.s wurden auch szenische (Bernd Alois Zimmermann) und Klangkompositionen (Mauricio Kagel) zur Gestaltung bildlicher bzw. klangfarblicher Ableitungsverfahren herangezogen.
Riemann 1975; G. Scholz (Hg.), Dodekaphonie in Österreich 1988; W. Gieseler, Komposition im 20. Jh. 1975; E. Klemm, Studien zur Theorie der musikalischen P., Diss. Leipzig 1966; P. Decroupet in Positionen 23 (1995); L. G. Ratner in H. C. R. Landon (Hg.), Studies in Eighteenth-Century Music 1970; C. Dahlhaus in Bach-Jb. 46 (1959).