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Raaber Liederbuch
Um die Wende vom 16. zum 17. Jh. (zw. 1590/1620) entstanden, wird es in der Bibliothek des bischöflichen Priesterseminars in Raab (Györ/H) aufbewahrt. Es enthält eine Minneallegorie sowie Gesellschaftslieder. Die frühesten Besitzvermerke weisen auf Wiener Provenienz hin, so erscheinen darin u. a. die Namen von Johann August Zwerger, seit 1618 Domherr zu St. Stephan, seit 1640 Kanzler der Univ. und Dompropst, 1648 verstorben, sowie Hanns Gierßner (Gierschner), 1603–12 Wiener Domorganist. Das die Handschrift eröffnende Spidtaler Liedt bezeugt Verbindungen zu H. U. v. Eggenberg. Über den Raaber Domherren Alexander von Balogh (1743–1810) gelangte die Handschrift nach Raab, wo sich im 17. Jh. eine reiche barocke Kultur und insbesondere ein hoch stehendes geistliches und weltliches Musikleben entwickelt hatte. Das Liedrepertoire zeigt Beziehungen zum Jaufener Liederbuch sowie zu Joachim Langes Tricinien auf, Musiknoten fehlen ebenso wie Tonangaben. Von besonderem Interesse erscheinen die von Nedeczey festgestellten Liedgruppen, die offensichtlich auf jeweils bestimmte Verfasser zurückzuführen sind, wie die Lucca-Gruppe, deren landschaftlicher und erlebnishafter Hintergrund auf die damaligen Bäder von Lucca/I (Santa Lucia, San Giovanni, Corsena) verweist, oder die Petrarca-Gruppe, deren Liedtexte und Inhalte sich an Petrarcas Sonetten orientieren. Die germanistisch-sprachwissenschaftliche Analyse stellt fest, dass 51 Lieder eine deutsche, 31 eine „volkliedhaft“-deutsche, 18 eine italienische Strophenform aufweisen, während sieben als deutsch-italienische Mischformen zu qualifizieren sind. Das entspricht der zeittypischen Mode um 1600, für die Velten den Einfluss der italienischen Kanzonette auf das deutsche Gesellschaftslied konstatiert hat.
Literatur
K. Bárdos, Györ zenéje a 17–18. században [Musik in Raab im 17. und 18. Jh.] 1980; E. Nedeczey, Das R. L. 1959; R. Velten, Das ältere dt. Gesellschaftslied unter dem Einfluß der italienischen Musik 1914.

Autor*innen
Wolfgang Suppan
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Wolfgang Suppan, Art. „Raaber Liederbuch‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001de33
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.