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Rote Falken
Sozialdemokratische Bewegung, 1925 vom Lehrer Anton Tesarek innerhalb der seit 1908 bestehenden Kinderfreunde für 12- bis 14jährige Kinder beiderlei Geschlechts in Anlehnung an die internationalen Pfadfinder gegründet; 1934 im Zuge der Auflösung der Sozialdemokratischen Partei verboten, doch bestand die Organisation in der Illegalität weiter, sodass 1935 auch österreichische Vertreter am Falkenlager in Le Havre/F anwesend waren; nach Ende des Zweiten Weltkriegs Wiederaufbau (1949 fand das erste „Lager“ in Döbriach am Millstätter See/K statt, wo ein bis heute [2005] frequentierter Zeltplatz der Kinderfreunde eingerichtet wurde).

Die Mischung aus Bekenntnis zur sozialdemokratischen Arbeiterbewegung, die unter Felix Kanitz seit 1924 den Schwenk zur Jugendbewegung gemacht hatte, und Vorsätzen der Pfadfinder manifestierte sich in den von Tesarek formulierten 12 Geboten der R.n F. In beiden Fällen wurden die Formen der bürgerlichen Jugendbewegung im Sinne der sozialistischen Idee umgedeutet. Diese Verquickung ist ganz klar in der Sing- und Musizierpraxis zu sehen. Wie bei den Wandervögeln und Pfadfindern war das Singen mit Gitarrebegleitung bei Heimabenden, am Lagerfeuer und bei Wanderungen ein Mittel zur Gemeinschaftsbildung. Zu diesem Zweck wurde das Liedgut der bürgerlichen Jugendkultur meist direkt, manchmal in – oft textlicher – Veränderung übernommen. Ihre politische Gesinnung manifestierte sich durch die Aufnahme sozialdemokratischer Lieder, die v. a. bei Festen zum Einsatz kamen, wie 1. Mai, Frühlingsfest (in den 1920er Jahren als Pendant zu den katholischen Fronleichnamsumzügen eingeführt), Republiksfeier sowie Jugendweihe (als Pendant zur Firmung). Eine aktive Teilnahme der R.n F. bei diesen Veranstaltungen wurde als selbstverständlich angesehen. Anders als bei den bürgerlichen Organisationen wurde die internationale Zusammengehörigkeit betont, was sich in der Aufnahme von Gesängen aus verschiedenen Ländern zeigt. Außerdem kam es bei den sozialdemokratischen Jugendorganisationen eher zu Neuschöpfungen von Liedern, v. a. in der politisch brisanten Zeit 1927–34. Hier sind V. Korda und Fritz Brügel (Pseud. Wenzel Sladek, z. B. Krisenlied von 1932), sowie K. Pahlen und W. Miksch (z. B. Lied der Blauen Blusen, 1932; s. Abb.) zu nennen. Für die Zeit der Illegalität wurde das Lied Ein neuer Frühling von Hannes Kallberg und E. Weiss verfasst, das mit „Kommt, reicht euch die Hände“ damals wichtigen Symbolcharakter erhielt.

Auch nach 1945 ist die Mischung aus Jugendliedern und sozialdemokratischen Liedern typisch, wie das Liederbuch Wir sind jung. Liederbuch der Wiener Kinderfreunde zeigt. Klassiker der sozialdemokratischen Bewegung, z. B. Die Internationale oder das Lied der Arbeit, und der sozialdemokratischen Jugendbewegung, z. B. Wann wir schreiten Seit’ an Seit’, Wir sind jung, die Welt ist offen oder R. F. voran!, stehen neben Liedern der bürgerlichen Jugendbewegung, wie dem umgetexteten (Parodie) Flattert der Wimpel. Neu waren Lieder des Widerstands aus der Zeit des Nationalsozialismus, z. B. Lied der österreichischen Widerstandskämpfer oder Die Moorsoldaten sowie Gesänge aus der Aufbauzeit nach 1945: Auf Fahrt, das beim ersten Falkenlager 1949 in Döbriach gesungen wurde, und Span the world with friendship, das zu diesem Anlass neu komponiert wurde. Schließlich fanden noch einige Lieder der Protestbewegung der 1960/70er Jahre Aufnahme: Blowin’ in the wind oder Where have all the flowers gone. Dieses Repertoire zeigt allerdings nur die pädagogischen Intentionen der Leiter der Kinderfreunde und R.n F. In der Praxis findet es reichliche Ergänzung durch aktuelle Kinder- und Jugendlieder.


Literatur
MGÖ 3 (1995); [Kat.] 1925–1985. 60 Jahre R. F. 60 Jahre für die Rechte der Arbeiterkinder, Wien 1985; W. Neugebauer, Bauvolk der kommenden Welt. Gesch. der sozialistischen Jugendbewegung in Österreich 1975; H. Uitz, Die österr. Kinderfreunde und R.n F. 1908–1938, Diss. Salzburg 1975; J. Bindel (Hg.), 75 Jahre Kinderfreunde 1908–1983, 1983; [Kat.] Mit uns zieht die neue Zeit. Arbeiterkultur in Österreich. 1918–1934, Wien 1981; R. Flotzinger in F. Kadrnoska (Hg.), Aufbruch und Untergang. Österr. Kultur zwischen 1918 und 1938, 1981.

Autor*innen
Anita Mayer-Hirzberger
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Anita Mayer-Hirzberger, Art. „Rote Falken‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001dfc2
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Lied der blauen Blusen (Text: Willy Miksch, Mel.: Kurt Pahlen)© Monika Kornberger
© Monika Kornberger

DOI
10.1553/0x0001dfc2
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