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St. Peter (Salzburg)
Älteste Benediktinerabtei Österreichs (seit 1926 Erzabtei) und Stift [nicht zu verwechseln mit dem Erzstift, d. i. Bistum; Salzburg/Land] in der Stadt Salzburg. 696 gründete Bischof Rupert von Worms das Kloster als Grundlage für die Missionsarbeit auf dem vom Baiernherzog Theodo II. geschenkten Boden. 987 löste der Erzb. die Personalunion von Erzb. und Abt auf und gewährte dem Kloster relative Unabhängigkeit, auch wenn die Erzb.e Salzburg stets als ihr „Hauskloster“ betrachteten. Die Mönche leben wahrscheinlich schon seit dem 9. Jh. nach der Benediktusregel (Benediktiner). Seit dem 12. Jh. gab es an St. P. das Kloster der Petersfrauen, das 1583 zugunsten der Franziskaner aufgelöst wurde. 1617 wurden das Benediktiner-Gymnasium und 1623 die Benediktiner-Univ. gegründet, an denen das Kloster maßgeblich mitwirkte. Die Klosterschule wurde dabei auf eine vorbereitende zweiklassige Lateinschule reduziert. Die Bemühungen, die 1810 aufgehobene Univ. als katholische Univ. wiederzuerrichten, führten 1924–26 zur Gründung des Kollegs St. Benedikt, eines Studienkollegs für den deutschsprachigen Benediktinerorden und der Salzburger Hochschulwochen durch Erzabt Petrus Klotz. Durch den Petersfriedhof und die an der Stiftskirche und der Filialkirche St. Michael beheimateten Bruderschaften besaßen und besitzen die Mönche eine wichtige seelsorgliche Funktion in der Stadt. St. P. betreut auch sechs inkorporierte Pfarreien und den Wallfahrtsort Maria Plain.

Die Bedeutung St. P.s für die mittelalterliche Musikgeschichte beruht auf dem Skriptorium, dem die Herstellung repräsentativer Handschriften für das Gebiet der Erzdiözese anvertraut war. Die frühesten Neumierungen sind in den Handschriften a VII 3, a VIII 27 und a IX 20 enthalten. Die zentrale Handschrift ist das um 1160 entstandene „Antiphonar von St. P.“ (seit 1937 in der ÖNB, Series nova 2700). Der kunstgeschichtlich hochbedeutende Codex enthält die Gesänge der Messe und des Offiziums mit adiastematischer deutscher Neumennotation und ist ein Denkmal der liturgischen Erneuerung in Folge der Hirsauer Reform. Um die Wende zum 13. Jh. entstand das „Graduale der Petersfrauen“ (a IX 11), ebenfalls mit linienlosen deutschen Neumen ausgestattet. In beiden Codices wurden Neumen mit melodischer Zusatzbedeutung identifiziert (Engels). Das Graduale ist der Hirsauer Reform verpflichtet, hat aber auch Anklänge an die Kathedralliturgie. An musiktheoretischen Schriften ist die Musica Aribonis aus dem 12. Jh. (a V 2) und ein Traktat über die Mensuralnotation aus dem 15. Jh. (a VI 44) zu nennen. In frühgotischer Metzer Notation ist das Graduale a IV 14 notiert. Es ist dem Antiphonar 26 E 1b, der bedeutendsten Handschrift der Abtei Nonnberg, verwandt. Im Verlauf der Melker Reform wurde nach dem Vorbild des Klosters Subiaco/I in St. P. (nicht aber von den Petersfrauen) die Quadratnotation auf Linien eingeführt (b I 33). Typisch für St. Peter ist die Verwendung von semimensuraler Notation bei liturgischen Hymnen (z. B. im illuminierten Chorpsalterium von 1498 a XII 24 und in der Pharetra des Johannes Pruckmoser b II 5 von 1545). Bemerkenswert ist ein Tonar aus dem 11. Jh. (a VIII 7, fol. 51v). Das früheste Dokument der Mehrstimmigkeit in Salzburg, ein zweistimmiges Kyrie aus dem 14. Jh., gelangte erst im 17. Jh. nach St. P. (a VII 20, fol. 20). Eine für die Melker Reform bedeutsame, um 1500 in St. P. geschriebene Sammelhandschrift (Stiftsbibliothek Michaelbeuern, Man. cart. 1) enthält u. a. einige seltene Gesänge zum Offizium und zur Messe in lateinischer und deutscher Sprache. Typische Vertreter der Liturgie der Melker Reform sind die Antiphonarien Man. cart. 3+4 (Michaelbeuern) sowie das um 1550 entstandene großformatige Chor-Antiphonar a XII 14. Abt Placidus Mayrhauser ließ 1705 bei Haan in Salzburg ein Antiphonale Monasticum drucken, das bis ins 19. Jh. in Verwendung blieb. Ein 1648 angekauftes Graduale Romanum (Venedig apud Cieras 1643) erhielt bis 1773 handschriftliche Nachträge. Für die Praxis der Choralbegleitung gibt es 1784 den ersten praktischen Beleg (Ntg 1).

1312 ist zum ersten Mal die Existenz einer Orgel bezeugt. 1444 errichtete Heinrich von Traxdorf aus Mainz auf dem Lettner eine Orgel. Die 1505 von Christian Taker aus Wasserburg am Inn/D erbaute Orgel wurde von P. Hofhaimer abgenommen. 1618–20 baute Daniel Haill aus Irsee/D die erste große Barockorgel in Salzburg (24 Register, aufgeteilt in Rückpositiv, Hauptwerk und großes Pedal), die dann öfter erweitert und umgebaut wurde. Im noch erhaltenen Gehäuse dieser Orgel steht ein Orgelwerk von G. J. Mertel von 1916. 1996 wurde von Franz Zanin eine zweimanualige Chororgel im venezianischen Stil erbaut. Eine fragmentarische Tabulatur aus dem 15. Jh. (Vorsatzblatt zur Inkunabel 313) ist das früheste Dokument zum Orgelspiel in Salzburg.

Die Quellenlage zum 17. Jh. ist ungünstig. Ende dieses Jh.s wurde ein Chorbuch von 1624 mit Introiten von J. Stadlmayr angekauft. Die Beziehungen zu den großen Meistern des Hochbarock sind nur archivalisch belegbar. Von H. I. F. Biber ist eine Anzahl von skartierten Titelblättern von Instrumentalkompositionen erhalten, darunter eines aus dem Besitz des P. Aemilian Biber (Kur 25.1). Von J. E. Eberlin sind drei autographe Partituren erhalten, darunter eine Applausus-Kantate für Abt Beda Seeauer (Ebe 165.1). Die Beziehungen von A. C. Adlgasser zum Kloster, besonders aber zum Dichter P. Fl. Reichssiegel (Benediktinertheater) werden durch 36 autographe Partituren dokumentiert. Die Beziehungen der Familie Mozart zu St. P. waren vielfältig, sowohl verwandtschaftlich als auch beruflich. L. Mozart komponierte einige Werke für St. P. Zur Primiz des nachmaligen Abtes Dominicus Hagenauer kam am 15.10.1769 die Dominicus-Messe KV 66 des jungen W. A. Mozart in der Stiftskirche zur Aufführung. Das originale Aufführungsmaterial, das auch autographe Stimmen enthält, wurde 1776 angekauft. Am 26.10.1783 wurden die vollendeten Sätze der Messe in c-Moll KV 427 (417a) in der Stiftskirche uraufgeführt. Am 6.8.1927 dirigierte B. Paumgartner die Messe KV 427 im Rahmen der Konzerte geistlicher Musik bei den Salzburger Festspielen und begründete damit eine Aufführungstradition, die bis heute (2005) besteht. Den kostbarsten Bestand des Musikalienarchivs von St. P. bilden die Stimmensätze zu 12 Klavierkonzerten Mozarts, die aus dem Besitz Nannerls stammen und Handschriften von Wolfgang Amadeus, Leopold und Nannerl enthalten. J. M. Haydn bewohnte ein stiftisches Haus. Wegen der engen Beziehungen zu Haydn besitzt St. P. den weltweit bedeutendsten Bestand an Aufführungsmaterialen zu M. Haydn, darunter über 100 Stimmensätze mit autographem Material. Für St. P. komponierte Haydn mehrere Applausus-Kantaten, seine Dominicus-Messe, ein Te Deum sowie den zweiten Teil seines Gradualzyklus. St. P. wurde mit der Einrichtung des Monuments in der Stiftskirche 1821 und des Haydn-Stüberls im Peterskeller 1871 der zentrale Erinnerungsort an M. Haydn in Salzburg. 1983 wurde im Abteisaal von St. P. die Johann-Michael-Haydn-Gesellschaft gegründet, die seit 1984 eine Gedenkstätte betreibt. St. P. hatte im 19. Jh. bis zur Gründung des Dom-Musik-Vereins und Mozarteums die beste Kirchenmusik Salzburgs. Die Bewahrung der figuralen Kirchenmusik für Salzburg während der Hochblüte des Cäcilianismus ist ebenfalls St. P. zu verdanken.

Seit dem 16. Jh. besteht eine mit der Lateinschule des Klosters organisatorisch verbundene, durch Pfründen finanzierte Kantorei, die durch Abt Benedikt Obergasser (1554–77) eine Ordnung erhielt. Nach der Neuordnung des Abtes Amand Pachler (1657–73) waren ein Kantor, ein Organist, ein weiterer Praebendist, der meistens ein Sänger war und beim Choral mitwirken musste, sowie 15–20 Sänger und Instrumentalisten angestellt. Die Musiker besuchten in der Regel die Univ., sodass die durchschnittliche Verweildauer nur fünf Jahre betrug. Aufgrund der guten musikalischen Ausbildung konnten einige Musiker in die Hofmusik wechseln. Die Stiftsmusik wurde 1927 abgeschafft und mit A. Kircher (Nachfolger seit 2016: Peter Peinstingl) 1994 wiederbegründet. Als Kantoren sind erwähnenswert Johann Baptist Maringgele (1687–1727), Mathias Lendorffer (1746–52, 1724–83), Johann Greiner (1752–79), Johann Nepomuk Franz Seraph Rainprechter (1779–1812), Rupert Vital Strobl (1812–40), Joseph Tremml (1840–67) und C. Santner (1867–85). Als Organisten wirkten Matthäus Stainheill (ca. 1752–ca. 1763), Johann Georg Scheicher (1771–75), J. J. Freystädtler (1777–ca. 1782), Johannes Ev. Widmann (1782–97), Ph. Schmelz (1797–1801), Andreas Brunmayr (1801–05), der nachmalige kaiserliche Hoforganist Sebastian Oehlinger (1805–08) und I. Assmayr (1808–15). Patres Regentes chori bzw. Inspectores chori waren u. a. P. Marian Kaserer (1775–94) und der Haydn-Schüler P. M. Bischofreiter (1794–1813 u. 1819–24). Im 20. Jh. übernahmen die Mönche die aktive Leitung der Stiftsmusik. Es sind dies P. Adalbert Oberhauser (1910–13) und P. Augustin Jungwirth (1913–23). Während dieser Zeit machte die Musikpflege an der Stiftspfarre Dornbach in Wien (heute Wien XVII) der im Mutterhaus ernsthafte Konkurrenz.

Unter den Mönchen finden sich keine bedeutenden Komponisten. Die Werke des Schülers von A. Megerle, P. R. Molitor, sind verloren. P. M. Bischofreiter und P. Friedrich Klimetschek (1866–1922), Schüler von J. F. Hummel, hinterließen relativ umfangreiche Werke. Relativ beliebt waren die Kompositionen der dilettierenden Komponisten P. M. Nagnzaun und P. Karl Jungwirth (1872–1940), von dem auch ein Liederheft im Druck vorliegt. Bedeutender ist die schriftstellerische Arbeit der Mönche. Die beste Charakterisierung L. Mozarts stammt aus der Feder des Abtes Dominicus Hagenauer. P. Beda Hübner (1740–1811) beschrieb in seinem Diarium (b VIII 36) lebendig die mozartschen Wunderkinder.


Literatur
Beiträge v. F. Hermann/A. Hahnl, F. Hermann u. F. Hermann in Germania Benedictina III/3 (2002); St. Engels, Das Antiphonar von St. P. in Salzburg. Codex ÖNB Ser. Nov. 2700 (12. Jh.) 1994; St. Engels, Graduale-Sequentiar. Farbmikrofiche-Edition der Hs. Salzburg, Bibliothek der Erzabtei St. P. (OSB), Cod. a IX 11 2001; St. Engels/G. Walterskirchen, Musica sacra mediaevalis. Geistliche Musik Salzburgs im Mittelalter 1998; P. Eder (Hg.), Das Benediktinerstift St. P. in Salzburg zur Zeit Mozarts. Musik und Musiker – Kunst und Kultur 1991; P. Eder/G. Nöchel in Mitt. der Int. Stiftung Mozarteum 49 (2001); E. Hintermaier (Hg.), Johann Michael Haydn und Salzburg. Ein Vademecum durch die Johann-Michael-Haydn-Gedenkstätte 1995; [Kat.] Das älteste Kloster im dt. Sprachraum. St. P. in Salzburg. Schätze europäischer Kunst und Kultur, hg. v. der Salzburger Landesregierung 1982; http://www.cantusplanus.at/de-at/ (6/2016); Mitt. R. Klugseder.

Autor*innen
Petrus Eder
Letzte inhaltliche Änderung
15.7.2016
Empfohlene Zitierweise
Petrus Eder, Art. „St. Peter (Salzburg)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.7.2016, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0010b1ca
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10.1553/0x0010b1ca
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