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Slowenen, Kärntner
Minderheit v. a. in Kärnten. Die K. S. lebten in ihrem jetzigen Siedlungsgebiet schon vor der deutschsprachigen Bevölkerung, denn die Alpenslawen errichteten um 600 das Fürstentum Karantanien, das erst 745 in die Abhängigkeit Bayerns geriet. 1335 kam das Herzogtum Kärnten in den Besitz der Habsburger. Bei der Volksabstimmung am 10.10.1920 stimmten 60 % der mehrheitlich slowenischsprachigen Bevölkerung Südkärntens für einen Verbleib bei Österreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem viele K. S. sich den Partisanen anschlossen und slowenische Familien ausgesiedelt wurden, hat man im Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrages die Rechte der „Minderheit der S. in Kärnten und der Steiermark“ festgeschrieben. Der Anteil der slowenischsprachigen Bevölkerung liegt heute bei ca. 3 % (noch vor 100 Jahren ca. 33 %). Sie leben vorwiegend in der Südkärntner Region Jauntal, Rosental und Gailtal und im Klagenfurter Becken und sind starkem Assimilationsdruck ausgesetzt.

Wenn es darum geht, das für eine Volksgruppe typische Liedgut herauszuschälen, ist darauf Bedacht zu nehmen, welches sich die Volkssänger zu Eigen gemacht und welches sie selbst geschaffen haben. Die Übertragung von Sänger zu Sänger (insbesondere des Singstils mit dem langsamen Tempo, den Dehnungen und rhythmischen und melodischen Nuancierungen) spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Motivation dazu: die Tatsache, dass man sich mit dem Lied wohl fühlt. Die slowenischen Volkssänger in Südkärnten singen meist auswendig. Gewöhnlich übernimmt der Sänger das Lied nach dem Gehör, z. B. in einer fröhlichen Runde. Ein Vorsänger beginnt mit dem Lied, die anderen Sänger fallen danach mit ein, wobei sie eine homophone Mehrstimmigkeit hervorbringen, bei der die Melodie des Vorsängers durch darüber liegende Terzen vom höheren Tenor begleitet wird. Hinzu treten ein Funktionsbass und ein etwas freierer Quintbass, welcher auch für harmonische Dissonanzen in Form von Vorhalten, Nebennoten, Durchgangstönen usw. sorgt. Die fünfte Stimme ist meist eine Überschlagsstimme. Guten Sängern gelingt es mitunter, sich nach einmaligem Hören das Lied zu Eigen zu machen. Liedaufzeichnungen belegen auch eine größere Streuung an Gattungen, wechselnden Taktarten und insbesondere die Verwendung des 5/8- und des 5/4-Taktes bei insgesamt dominierendem 3er-Takt.

Erste schriftliche Zeugnisse über das slowenische Volkslied sind zufällig erhalten geblieben. Bereits im Mittelalter entstand ein Fragment eines Dankliedes (im Schwabenspiegel aus dem 14. Jh.), welches das Volk bei der Einsetzung des Kärntner Herzogs gesungen hat. Primus Trubars slowenisches geistliches Liederbuch (1584; Kirchengesangbuch) enthält das Lied von den zehn Geboten, ein Osterlied, ein Christi-Himmelfahrtslied sowie einige Koleda-Lieder, welche z. T. heute noch gesungen werden. Gezielteres Sammeln von slowenischen Volksliedern in Kärnten begann mit Urban Jarnik (1784–1844). Das von M. Achazel 1833 in Klagenfurt herausgegebene slowenische Liederbuch enthält vorwiegend Gebrauchs- und Modelieder. Ebenfalls mit Melodien erschien 1846 Matija Majars Liederbuch, welches auch geistliches Liedgut enthält, das bis heute in Kärnten gesungen wird.

Die ältere Quellenlage ist für das slowenische Volkslied in Kärnten besser als für das deutschsprachige, was durch publizierte Volksliedersammlungen von Janez Scheinigg und Karel Štrekelj noch unterstrichen wird. Am bedeutendsten ist Zmaga Kumers fünfbändige Ausgabe mit über 3.000 slowenischen Volksliedern aus Kärnten und über 1.000 Melodien. Eine Ergänzung dazu ist die Sammlung Engelbert Logars, die weiteres Liedmaterial aus dem Jauntal (1.000 Lieder mit ca. 600 Melodien) enthält. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Kärnten von slowenischer und Kärntner-slowenischer Seite viel geforscht und gesammelt, so der Klagenfurter Musiklehrer F. Cigan (Czigan), Z. Kumer und weitere Mitarbeiter des Instituts für musikalische Volkskunde in Ljubljana. Die neueste und umfassendste Abhandlung ist die Grazer Dissertation von E. Logar: Sie behandelt sowohl den Lebenszusammenhang der Lieder als auch Singstil, Spezifika von Harmonik und Melodik und enthält einen Typenindex von 2.500 Liedern. Die deutschsprachige Seite hat das slowenische Volkslied gerne ignoriert oder abschätzig beurteilt. Der Konflikt entsteht durch die Ähnlichkeit des deutschsprachigen mit dem slowenischen Liedgut in Kärnten. Durch neuere Forschungen mit interethnischem Ansatz wird diese Konfliktsituation jedoch relativiert.

Zu der Tatsache, dass Kärnten heute das Bundesland mit der höchsten Chordichte in Österreich ist, tragen sowohl deutschsprachige als auch slowenische Chöre bei. Es gibt in Kärnten mehr als 500 Chöre mit rund 12.000 aktiven SängerInnen, die im Kärntner Sängerbund , im Kärntner Bildungswerk, in slowenischen Kulturverbänden und im Arbeitersängerbund organisiert sind. Bedeutende Chorausgaben von slowenischen Volksliedern aus Kärnten stammen von Oskar Dev, Zdravko Švikaršič (in volkstümlicher Fünfstimmigkeit), Pavle Kernjak, Luka Kramolc und F. Cigan. Die Tonträgerproduktion der Chöre ist äußerst ansehnlich. Dass dem organisierten Singen das Bekenntnis zu einer der beiden Ethnien anhaftet und im nicht-organisierten Singen viel mehr an Interethnik zu finden ist, beweist Anna Maria Kapun eindrücklich in ihrer Diplomarbeit.

Die Instrumentalmusikpraxis der K. S. ist geprägt von den vorgegebenen Möglichkeiten einer ländlichen Bevölkerung. Zunächst waren in Kärnten verschiedene Flöteninstrumente, Maultrommel, Dudelsack und verschiedene Zithervorformen gebräuchlich. Die Geige wurde im 18. Jh. populär und später besonders von der Lehrerschaft gepflegt. Im 19. Jh. dominierte nach zeitgenössischen Berichten die Zither zum Gesang. Im 20. Jh. wurde sie von der steirischen Harmonika ersetzt. Einige Formationen mit Blasinstrumenten wie der Klarinette sind ab der 2. Hälfte des 19. Jh.s belegbar. Sie verstärken sich insbesondere seit der 2. Hälfte des 20. Jh.s, als die Gründung der slowenischen MSch. in Kärnten gelang. Eine Sonderform stellt die Tamburizza dar. Das Tamburizzaorchester fand seit ca. 1900 in Kärnten starke Ausbreitung (etwa 40 Tamburizzaorchester zu meist 10–15 Spielern). In der Zeit zwischen den Weltkriegen klang diese Modemusik etwas ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Tamburizzawesen v. a. bei den burgenländischen Kroaten, während es in Südkärnten nur noch von einigen Formationen, doch z. T. bereits in der 5. oder 6. Generation weitergepflegt wird. Weitere Vokal-Instrumentalgruppen, die zum Tanz aufspielten, sind bei den S. in Kärnten vielfach belegbar. Seit den 1960er Jahren bildeten sich solche, die Verstärker benutzten und auch Tonträger herausbrachten (Gojer, Fidele Unterlandler, Ansambel Artač, Trio Lipusch, Trio Pavlič, Alpen-Adria-Sextett, Ansambel Drava, Korenika). Einige Impulse für Jugend- und Jazz-Bands kamen aus dem slowenischen Gymnasium (Mladi mi, Zmeda, Yeti, Energija, 4J). Die neuerdings gegründete Rockgruppe Bališ (nach dem Vorbild der burgenländisch kroatischen Rockgruppe Bruji) und verschiedene ausgebildete Jazz-Musiker mit ihren Gruppen (z. B. Emil Krištof, Tonč Feinig, Stefan Thaler) transportieren zeitgenössische musikalische Strömungen der K. S.


Tondokumente
TD: Koroška [Kärnten], Zvočni primeri izvirne ljudske glasbe/A Selection of Original Recordings of Traditional Music 998, CD Helidon 6730009 (Begleittext v. J. Strajnar); M. Hartman, CD 2004 [Lieder der Volksdichterin M. Hartman, gesungen von Kärntner slowenischen Chören]; Najlepše pesmi koroških Slovencev/Die schönsten Lieder der Kärntner Slowenen 1999 [ORF Kärnten CD 150730-2, auch als Video erhältlich]; E. Logar/L. Karničar (Hg.), Pesmi in glasba z južne Koroške 1–31 (1990–2005) [bisher 21 Tonträger, MCs und CDs + Begleithefte]; Podjunska ohcet. Ansambel Korenika [Die Jauntaler Hochzeit] CD 1996 (dazu Noten in Pesmi in glasba z južne Koroške 14 [1996]); Podjunski zvoki [Tanzmusik der volkstümlichen Musikanten Trio Lipusch aus Traundorf/Strpna vas in Kärnten] CD 1999 (dazu Noten in Pesmi in glasba z južne Koroške 19 [1999]); Samospevi [Sololieder der Kärntner slowenischen Komponisten F. Cigan u. A. Nagele] gesungen v. B. Fink-Inzko (Mezzosopran) u. M. Fink (Bassbariton), begleitet von N. Valant (Klavier ) und Š. Filipič (Orgel) 2005; Skozi leta [Lieder des Männeroktetts Suha aus Neuhaus/Suha) CD 1999; Slovenske ljudske plesne viže. Koroška [Slowenische Volkstänze aus Kärnten] CD 2003 (Begleittext v. M. Ramovš); Trajanje [Vokal-instrumentale Lieder des Ansambel Drava aus Ferlach/Borovlje] CD 2002; Vedno znova [Volkstümliche Lieder in a-cappella Fünfstimmigkeit, Kvintet Smrtnik aus Trögern/Korte] CD 2005 (dazu Noten in Pesmi in glasba z južne Koroške 31 [2005], auch als DVD erhältlich); Vox 11 [Slowenische Jazzchorkompositionen der Vokalgruppe Vox aus Bleiburg/Pliberk] CD 2005; Zdrava Marija [Die slowenischen Kirchenchöre aus dem Rosen-, Jaun- und Gailtal besingen die Gottesmutter Maria] 2000, CD ST 4-018-1100; Znamenje [Volks- u. Kunstlieder des Chores Danica aus St. Primus/Št. Primož] CD 2002.
Literatur
Lit (alphabet.): F. Cigan, „…da ne pojdejo z nami v grob!“. Poljudno-strokovne razprave o slovenski koroški ljudski pesmi 2002; F. Cigan in Volkslied – Volksmusik – Volkstanz. Kärnten und seine Nachbarn 1972; J. Dalmatin, Slovenska protestantska pesmarica 1584 (NA 1984); I. Grafenauer, Über die Stellungen des kärntnerslowenischen Volksliedes zum Volkslied der übrigen Slowenen 1967; U. Hemetek, Mosaik der Klänge. Musik der ethnischen und religiösen Minderheiten in Österreich 2001, 185–194; F. Hubad in Die Österr.-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Bd. Steiermark 1890, 210; U. Jarnik, Züge aus den Sitten der Gailtaler 1813; A. M. Kapun, Singen durch Sprache getrennt, Dipl.arb. Wien 1997; Z. Kumer, Vsebinski tipi slovenskih pripovednih pesmi/Typenindex slowenischer Erzähllieder 1974; Z. Kumer in JbÖVw 29 (1980); Z. Kumer, Slovenske ljudske pesmi Koroške, 5 Bde. 1986–98; Z. Kumer in G. Haid (Hg.), Kärnten und seine Nachbarn 2000; S. Lampichler, Die Slowenische MSch. in Kärnten/Glasbena šola na Koroškem, Dipl.arb. Graz 2005; E. Logar, Vsaka vas ima svoj glas, 8 Bde. 1988–2000 [mit MCs]; E. Logar, Sammlung, Analyse und Klassifikation von Volksliedweisen aus dem Jauntal/Kärnten, Diss. Graz 2005; V. Novak in Litterae Slovenicae 9 (1973); J. Scheinigg, Narodne pesni koroških Slovencev 1889; K. Štrekelj, Slovenske narodne pesmi 1–4 (1895–1923); Z. Švikaršič, Koroške slovenske narodne pesmi 1–4 (1914–21, 21991); R. Verdel, Die Entwicklung des Tamburizzawesen in Südkärnten, Dipl.arb. Graz 1992; R. Waizer et. al. in Die Österr.-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Tl. 5: Kärnten und Krain 1891; H. Wulz in G. Haid et al. (Hg.), Volksmusik – Wandel und Deutung 2000

Autor*innen
Ursula Hemetek
Engelbert Logar
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Ursula Hemetek/Engelbert Logar, Art. „Slowenen, Kärntner‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e2a6
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