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St. Paul im Lavanttal
Benediktinerstift in Kärnten, 1091 anstelle der elterlichen Burg durch Graf Engelbert I. von Spanheim († 1096) als Grablege gegründet und von Hirsau/D aus besiedelt. Obwohl nicht besonders reich ausgestattet, wurde es zu einem führenden Kloster des Landes mit Ausstrahlung auch nach Friaul. Trotz der Brände von 1367 und 1476 sind noch aus dem Hochmittelalter einzelne wertvolle Handschriften erhalten (auch notierte in Stuttgart/D, Oxford/GB). Nach dem Niedergang infolge von Reformation und steuerlicher Belastungen wurde das Kloster durch den aus Schwaben stammenden Abt Hieronymus Marstaller (1616–38) wieder für einige Zeit in Schwung gebracht, doch 1787 durch Joseph II. aufgehoben. Die Bücher, Handschriften und sonstigen Schätze wurden dabei verstreut oder gelangten in fremde Hände. 1809 überließ K. Franz II. die Baulichkeiten den aus St. Blasien im Schwarzwald/D vertriebenen Benediktinern, die sich nach vorübergehendem Aufenthalt in Spital am Pyhrn hier endgültig niederließen. Die seither in St. P. verwahrten wertvollen Bestände stammen daher, was von der Forschung nicht immer hinreichend bedacht wird, selten aus dem alten Stift, sondern meist aus St. Blasien, Spital oder anderswoher. Nicht zuletzt deshalb sind auch der Aufarbeitung der Musikgeschichte des Hauses enge Grenzen gesetzt.

Nachweisbar ist die Einführung der Vierliniennotation (Notation) noch im 13. Jh., fortgeschrittenere mehrstimmige Gesangsformen sind im 14. Jh. wahrscheinlich zu machen. Vermutlich besaß die Kirche damals auch bereits eine Orgel, eine in Klagenfurt erhaltene Orgeltabulatur (ca. 1560) mit 3 weltlichen und 12 geistlichen Stücken (Josquin, L. Senfl, Philippe Verdelot, Pierre de la Rue u. a., Orgelmusik, Tabulatur) könnte aus St. P. stammen. Aus der Zeit unmittelbar nach dem Trienter Konzil sind wohl nicht zufällig mehrere Orgelreparaturen und Namen von musikalisch tätigen Konventualen fassbar. Schon unter dem aus St. Lambrecht postulierten Abt Vinzenz Lechner (1583–1616) fand die venezianisch beeinflusste Kirchenmusik Eingang (S. Ertel, V. Fux), A. Fabritius widmete dem Abt seine 1595 in Graz gedruckten Cantiones sacrae. Kurze Zeit später war der St. Lambrechter Prior P. Johann Maurer († 1621) in gleicher Funktion in St. P. tätig. Unter Abt Marstaller wurde ein Sängerknabeninstitut eingerichtet und die Orgel versetzt. Er brachte wohl auch die Musiker P. Thomas Heigl (1596–1665) und P. Paul Menninger (1600–60) mit; letzterer wurde sein Nachfolger. 1668/69 war vorübergehend auch Th. Schrenk hier tätig. Ein erhaltenes Instrumenten- und Musikalienverzeichnis der Zeit um 1700 lässt einen gewissen Einblick in die St. P.er Verhältnisse der Zeit zu: die Kirchenmusik zeigt weiterhin Kontakte mit Italien, sodann die Vorbildwirkung des Wiener Kaiserhofes und von dessen Umfeld sowie schließlich die Verbindung mit Nachbarklöstern und -institutionen. Als Hauskomponisten kommen P. Columban Vischer (* ca. 1650 Braunau/Böhmen [Broumov/CZ], † 14.12.1705 St. P.) und P. Ämilian Corusa in Betracht. Auffallend prominent ist die Instrumentalmusik vertreten. Die im 18. Jh. zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben sich offenbar auch auf den Musikbetrieb niedergeschlagen: 1762 war nur mehr ein hauptberuflicher musicus im Stift angestellt, anlässlich dessen Auflösung ist von der Musik nicht die Rede.

Die Zeit nach der Wiederbesiedlung bedeutete nicht nur einen monastischen Neuanfang, sondern auch eine grundsätzlich andere Zeit. Die Klosterkirche ist gleichzeitig Pfarrkirche für die Umgebung, der Kirchenchor stand zwar meist unter der Leitung von Stiftsgeistlichen, wird aber zunehmend von der Pfarre mitgetragen. Zur Rekrutierung von Sängerknaben wurden anfangs geeigneten Zöglingen des Konvikts im angeschlossenen Gymnasiums Ermäßigungen gewährt (der bedeutsamste H. Wolf). Der Regens chori der Jahre 1871–90, P. Severin Christen, schloss sich dem Cäcilianismus an, sein vorübergehender Nachfolger, der Lehrer Ferdinand Tangl (1879–1922) komponierte selbst in diesem Sinne. In der Choralforschung und Choralreform des frühen 20. Jh.s hat man sich hier nicht engagiert. Im Gymnasium spiel(t)en Musik und Theater die weitgehend übliche gehobene Rolle. Im Markt St. P. besteht seit 1863 ein Männergesangverein und seit dem frühen 20. Jh. eine Blasmusikkapelle.


Literatur
R. Flotzinger in G. Hödl (Hg.), [Kat.] Schatzhaus Kärntens 1991; R. Flotzinger in St. Engels (Hg.), Musica sacra mediaevalis 1998; K. Holter, Buchkunst – Handschriften – Bibliotheken, 2 Bde. 1996.

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „St. Paul im Lavanttal‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e3ee
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e3ee
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