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Volksliedwerk, Österreichisches
1946 gegründete Gesellschaft zur Erforschung und Pflege der österreichischen Volksmusik, zurückgehend auf das 1904 gegründete Volksliedunternehmen beim k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht. Dessen Ziel war es, Volkslied, Volksmusik, Volkstanz und -poesie aller in der cisleithanischen Reichshälfte der Donaumonarchie lebenden Völker zu sammeln und in 60 Bänden der Reihe Das Volkslied in Österreich zu publizieren. In allen Kronländern wurden Arbeitsausschüsse (10 deutsche, 6 slawische, 4 romanische) eingerichtet, die mit der Sammlung betraut wurden. Zu den wichtigsten Mitarbeitern zählten Adolf Hauffen, H. Commenda, Mathias Friedwagner, Theodor Gartner, O. Hostinský, Anton Ive, L. Janáček, Gustav Jungbauer, K. Kronfuß, Primus Lessiak, K. Mautner, Zdeněk Nejedlý, J. Pommer, J. Reiter, Milan v. Rešetar, Karl Štrekelj, Vladimir Szuchewycz, Johann Tschinkel, Severin Udziela, K. v. Wiener, V. Zack und R. Zoder. Offizielles Organ des Volksliedunternehmens war die von Pommer gegründete Zeitschrift Das deutsche Volkslied. Zeitschrift für seine Kenntnis und Pflege (1899–1944).

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs kam auch das Ende des monarchieweiten Volksliedunternehmens. 1919 wurde es in Österreich unter C. Rotter neu gegründet, 1938 als Ostmärkisches Volksliedunternehmen mit seinen Gauausschüssen dem Staatlichen Institut für Deutsche Musikforschung in Berlin zugeordnet. 1946 wurde es als Ö. V. neu gegründet. 1955 wurde mit der Einrichtung eines Zentralarchivs in Wien, geleitet von K. M. Klier, eine langjährige Idee umgesetzt, 1964 mit Eugen Hellsberg erstmals ein hauptamtlicher Geschäftsführer mit der Leitung betraut. Ihm folgten G. Haid (1976–1989), M. Walcher (1989–2003) und Irene Riegler (seit 2005). Das V. wurde 1974 umstrukturiert: seit damals ist es der Dachverband der eigenständigen, von den Kulturabteilungen der jeweiligen Länder getragenen V.e der Bundesländer. Das Archiv des Österreichischen V.es ist seit 1994 Teil der Österreichischen Nationalbibliothek.

Das V. befasst sich heute (2006) mit musikalischer Volkskultur in all ihren Erscheinungsformen. Seine Hauptaufgabengebiete sind Sammlung (Feldforschung), Archivierung und Dokumentation, wobei Wissenschaft und kulturelle Praxis einander ergänzen. Exemplarische Vermittlungsprogramme wie das Schulprojekt Mit allen Sinnen (seit 1996/97), Modelle für einen zeitgemäßen Umgang mit musikalischen Traditionen, (internationale) Kooperationen und wissenschaftliche Diskurse wie Symposien und die Sommerakademie Volkskultur (1992–2002) sind von besonderer Bedeutung. Die Bundesländer-V.e setzen daneben regionale Schwerpunkte, veröffentlichen Noten und Tonträger und bieten viele praktische Seminare und Veranstaltungen wie Sänger- und Musikantentreffen, Singen im Wirtshaus, Jodel- und Instrumentalkurse, Instrumentenbaukurse etc. Der Virtuelle Datenbankverbund der Volksliedarchive in Österreich und Südtirol, fußend auf dem Regelwerk Infolk – Informationssystem für V.e in Österreich (1991), ermöglicht seit einigen Jahren eine umfassende Archivrecherche im Internet (www.volksliedwerk.at).

Den Gründungsgedanken von 1904 erfüllend, gibt das Österreichische V. seit 1993 unter der Leitung von Wa. Deutsch eine repräsentative Gesamtausgabe der Volksmusik in Österreich (Corpus Musicae Popularis Austriacae [COMPA]) heraus. Seit 1952 ist das Jahrbuch des Österreichischen V.s ein wichtiges Forum für den wissenschaftlichen Diskurs und dokumentiert mit den enthaltenen Berichten aller V.e sowie fachverwandter Institutionen die vielfältigen Aktivitäten der Volksmusikforschung in Österreich.

„Mit seinem Konzept der Gemeinsamkeit von Forschung und Pflege steht das Österreichische V. im Kulturleben dieses Landes fast ohne Vergleich da. […] Jedenfalls aber ist diese institutionalisierte Doppelfunktion die ständige Erinnerung daran, daß Kunst und Wissenschaft nur zwei verschiedene Seiten derselben Sache sind. Und die Aufgabe des Österreichischen V.es als Dokumentations-, Forschungs- und Pflegestätte der Österreichischen Volksmusik ist es wohl, jedem zu dienen, der diese Dinge zur Quelle seiner Erkenntnis machen möchte, sei er nun Wissenschaftler, Pädagoge, Musikant oder auch nur Liebhaber im besten Sinne des Wortes“ (Haid 1984).


Literatur
COMPA 1ff (1993ff); Das dt. Volkslied 1–46 (1899–1944); W. Deutsch in JbÖVw 44 (1995); W. Deutsch/E. M. Hois, Das Volkslied in Österreich 2004; G. Haid in W. Deutsch et al. (Hg.), Volksmusik in Österreich 1984; E. M. Hois in JbÖVw 48 (2000); JbÖVw 1ff (1952ff), v. a. 44 (1995), 53/54 (2004/05); J. Pommer, Die Wahrheit in Sachen des österr. Volksliedunternehmens 1912; C. Rotter, Das österr. Volksliedunternehmen [1927]; www.volksliedwerk.at (3/2006).

Autor*innen
Eva Maria Hois
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Eva Maria Hois, Art. „Volksliedwerk, Österreichisches‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0002206f
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0002206f
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