Logo ACDH-CH
OeML Schriftzug
Logo OeML
Logo Verlag

Wallaschek, Wallaschek, true Richard
* 1860-11-1616.11.1860 Brünn/Mähren (Brno/CZ), † 1917-04-2424.4.1917 Wien. Musikwissenschafter, Ästhetiker. Der Sohn des Präsidenten der Brünner Notariatskammer Karl W. studierte ab 1878 zunächst Jus in Wien, Heidelberg/D und Bern (Dr. 1886) sowie Philosophie (Dr. in Tübingen/D 1885). Es folgten die Privatdozentur für Philosophie und Ästhetik an der Univ. Freiburg/D, wo sich W. 1888 auch an der juridischen Fakultät habilitierte, sowie ein Studienaufenthalt am British Museum, London (1890–95). Nach erneuter Habilitation für Psychologie und Ästhetik der Tonkunst wurde W. ab 1897 zunächst als Dozent und ab 1908 als ao. Prof. zum ersten Vertreter der vergleichenden Musikwissenschaft in Wien. Daneben war W. Musikkritiker der Zeit (1896–1902) und Leiter des Instituts für Redeübung (1911/12). Sein Schüler R. Lach wurde 1927 W.s Nachfolger an der Univ.

W.s wissenschaftliche Arbeit fällt in den Bereich der Ästhetik und Musikethnologie. Aus der Beschäftigung mit der Ursprungsfrage der Musik entwickelte W. in kritischer Auseinandersetzung mit Charles Darwin (1809–82) und Herbert Spencer (1820–1903) sein musikethnologisches Interesse. W. ist einem evolutionistischen Weltbild verpflichtet, wobei er den Ursprung der Musik auf den Rhythmus zurückführt. Mit Primitive Music (1893), in deutscher Übersetzung Anfänge der Tonkunst (1903), legte er eine der ersten umfassenden musikethnologischen Publikationen vor. Durch den Glauben an die Universalität des diatonischen Systems und die Dur-Moll-Tonalität sowie durch die Kritik und Ablehnung der Phonographie als zentralem Instrument musikethnologischer Forschung steht W.s Position in Widerspruch zur zeitgleichen Arbeit der Berliner Schule der vergleichenden Musikwissenschaft.

W.s zentrales Arbeitsgebiet ist die Ästhetik: In kritischer Distanz sowohl zur idealistischen als auch formalistischen Ästhetik entwickelte sich W. unter dem Einfluss naturwissenschaftlicher Forschung zum psychologischen Ästhetiker und setzte sich mit dem Hörprozess und Fragen ästhetischer Urteilsbildung auseinander. Hermann v. Helmholtz’ Hörtheorie setzte er einen auf individuellen Lernprozessen beruhenden Hörvorgang entgegen, der den Vorrang kognitiver Leistungen betont. Seine Überlegungen, die besonders die Ergebnisse pathologischer Arbeiten berücksichtigten und den Einfluss E. Machs sowie gestaltpsychologische Ansätze erkennen lassen, fasste W. in der posthum erschienenen Psychologischen Ästhetik (1930) zusammen, seinem umfangreichsten Werk, das neben dem Hören auch alle anderen Sinne behandelt.


Ehrungen
tit. ao. Prof. 1908 (gem. m. M. Dietz);
Schriften
Ästhetik der Tonkunst, Diss. Tübingen 1885 (gedruckt 1886); Über die juristische Person, Diss. Bern 1886; Recht und Moral, Hab.schr. Freiburg 1888; Die Bedeutung der Aphasie für die Musikvorstellung in Zs. f. Psychologie u. Physiologie 5/6 (1893); Musikalische Ergebnisse des Studiums der Ethnologie in Globus 68/7 (1895); Die Entstehung der Scala in Sitzungsberichte der kaiserlichen Akad. der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse 108/2a (1899); Psychologie u. Pathologie der Vorstellung 1905; Über den Wert phonographischer Aufnahmen von Gesängen der Naturvölker in Verhandlungen des XVI. Internationalen Amerikanisten-Kongresses Wien. 9. bis 14.September 1908, 1910; Das k. k. Hofoperntheater 1909.
Literatur
MGG 14 (1968), NGroveD 27 (2001); R. Lach in Zs. f. Ästhetik (1917), Wiederveröff. in R. Wallaschek, Psychologische Ästhetik 1930; W. Graf in Yearbook of the International Folk Music Council 6 (1974); Th. Antonicek in StMw 37 (1986); E. Partsch in StMw 36 (1985) [mit vollständigem Schriftenverzeichnis]; S. McColl in Studies in Music 26 (1992); M. Weber in M. Leman (Hg.), Music, Gestalt and Computing. Studies in Cognitive and Systematic Musicology 1997; A. B. Graziano/J. K. Johnson in Music Perception (April 2006); Personalakt von Max Dietz, Archiv Univ. Wien.

Autor*innen
Gregor Kokorz
Letzte inhaltliche Änderung
18.9.2018
Empfohlene Zitierweise
Gregor Kokorz, Art. „Wallaschek, Richard‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.9.2018, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e618
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e618
GND
Wallaschek, Richard: 117122238
OBV
Weiterführende Literatur

ORTE
Orte
LINKS
ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft

Publikationen zur Musikwissenschaft im Verlag