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Weise
In der Volksmusikforschung und Volksmusikpflege in verschiedenen Zusammenhängen Bezeichnung für Melodien, aber auch für Lieder oder Instrumentalmusik. Diese Mehrdeutigkeit entspricht den Bedeutungen des Wortes, die in Grimms Wörterbuch dargestellt sind. Als Bezeichnung für „Melodie“ erscheint der Ausdruck Singeweise bereits in der ersten österreichischen Volksliedsammlung von F. Ziska und J. M. Schottky (1819). Später dient er in der Volksmusikforschung, seit sich diese über die Liedforschung hinaus auch mit Instrumentalmusik beschäftigt, als Gattungsbezeichnung für Instrumentalmelodien (z. B. Mautner 1918); verschiedentlich auch als Sammelbezeichnung speziell für jene Instrumentalstücke, die nicht zur Tanzmusik (Volkstanz) gehören. In der Zeit des Nationalsozialismus ersetzte die „germanische“ Bezeichnung W. ganz allgemein das „fremdländische“ Wort „Melodie“.

Heute wird der Ausdruck hauptsächlich in der Volksmusikpraxis in Zusammenhang mit dem W.n-Blasen verwendet. Damit ist die Aufführung vorwiegend getragener, zwei- oder mehrstimmiger Stücke mit Blechblasinstrumenten im brauchmäßigen Zusammenhang oder als Ausdruck einer besonderen Heimatstimmung gemeint. Als Vorläufer für das gegenwärtige W.n-Blasen können Bräuche wie das aus dem Flachgau/Sb bekannte Brautblasen gelten, bei dem die Braut in einer Kutsche zur Hochzeit gefahren und dabei von zwei Flügelhornisten begleitet wird, oder das in Ober- und Niederösterreich bekannte Arienblasen (entstanden um 1860), das Mailüfterlblasen im Bezirk Neunkirchen/NÖ oder auch das neuerdings an vielen Orten wieder auflebende Turmblasen. Darüber hinaus kam es an vielen Orten schon vor dem Zweiten Weltkrieg gelegentlich zu einem W.n-Blasen unter freiem Himmel, sei es bei einem Begräbnis, einer Bergmesse, einem Almbesuch oder einer Bergtour. Das Repertoire umfasste damals Lieder, Tänze und Jodler, aber auch Märsche, Unterhaltungsmusik und Schlager. Seit Mitte der 1970er Jahre hat das W.n-Blasen Eingang in die offizielle Volksmusikpflege und die regionalen Medien gefunden und ist ein gefragter Programmpunkt renommierter Volksmusikveranstaltungen. Es werden eigene Noten publiziert; das Repertoire besteht aus Jodler- und (weltlichen wie geistlichen) Liedmelodien, entsprechenden Neuschöpfungen und geeigneten Stücken aus der Barockmusik. Hauptbesetzungen sind Flügelhornduos und Blechbläserquartette, aber auch Alphornensembles. Seit 1986 findet am ersten Sonntag nach Mariä Himmelfahrt auf dem Mittagskogel bei Jochberg/T ein W.n-Bläsertreffen statt; ein Beispiel, dem viele andere Orte in Österreich und Bayern gefolgt sind. In der Einladung zum Seehamer W.n-Blasen (Salzburg) 1990 heißt es: „Jede Gruppe spielt 2–3 Stücke in der Reihenfolge der Anmeldung. Gespielt wird von 2–6 Bläsern. Es sind nur W.n-Lieder zugelassen! Keine schlagerähnlichen Lieder, keine Choräle, keine Operetten etc.“ (Sauberer 2002, 86f).


Literatur
M. Becker in R. Pietsch (Hg.), Die Volksmusik im Lande Salzburg 2 (1990); A. Blöchl (Hg.), Zweistimmige Lieder, Tänze, W.n aus dem Sammelgut des Oberösterr. Volksliedarchives f. beliebige Besetzung 2000; Der digitale Grimm. Dt. Wörterbuch v. J. u. W. Grimm, Version 12-04 (2004); W. Deutsch in Der Niederösterreicher 14/1 (1993); B. Ehold, W.n-Blasen im Bezirk Neunkirchen, Dipl.arb. Wien 1991; S. Landmann in Sänger- u. Musikanten-Ztg. 35/2 (1992); K. Mautner (Hg.), Alte Lieder u. Weisen aus dem steyermärkischen Salzkammergute 1918; St. Neussl in Gsungen u. gspielt 26 (2001); W. Sauberer in Salzburger Volkskultur 26/1 (2002); F. Ziska/J. M. Schottky, Österr. Volkslieder mit ihren Singeweisen 1819.

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Weise‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e66b
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