Werbytskyj, Werbytskyj, true
Mychajlo
*
1815 -03-044.3.1815
Jawarnik Ruski bei Przemyśl/Galizine (heute PL),
†
1870 -12-1919.12.1870
Mlyny bei Przemyśl/Galizien (heute PL).
Komponist, Pädagoge, Kapellmeister, Priester.
Nach dem Tod seines Vaters, der ebenfalls Priester war, wurde er von dem Bischof und großen Musikmäzen Ivan Snihurs’kyj adoptiert und kam dadurch frühzeitig mit der Kunstmusik in Berührung, als Sängerknabe und Schüler (Musiktheorie bei Alojis Nanke) des in Przemyśl von Snihurs’kyj gegründeten ukrainischen griechisch-katholischen Domchores (hier erklangen u. a. die Werke von
J. Haydn,
L. Cherubini, Dmitri Bortnjanskij) und dessen Schule. Die beiden Institutionen erlebten gerade ihre Blütezeit unter der Leitung der hochbegabten tschechischen Musiker (A. Nanke, Vincent Sersavi, Franz Lorenz), indem sie den unbegleiteten Kirchengesang im byzantinischen Gottesdienst durch die Wiederentdeckung von D. Bortnjanskij auf ein hohes künstlerisches Niveau hoben. Sie etablierten sich in der ukrainischen Musikgeschichte als „Peremyschlische Komponistenschule“. W. als ihrem Hauptvertreter gelang es dank seiner Begabung und Ausbildung, durch die Verschmelzung von „westlichen“ und „östlichen“ Traditionen, neue Formen für die von ihm konservativ geprägte Kirchenmusik zu kreieren (vgl. nationale Tradition von Bortnjanskij). W.s liturgische Kompositionen für gemischten und
Männerchor entstanden für den Domchor in Przemyśl während seines Philosophie- und Theologiestudiums (Przemyśl und Lemberg [L’viv/UA], 1835–50), darunter
Swiatyj Boźe [Dreimalheilig], A-Dur,
Iźe cheruwymy [Cherubshymnus], Es-Dur,
Otče naš [Vater unser], g-Moll; sie sind Marksteine der ukrainischen Chormusik geworden und halten sich in der Liturgie bis heute (2006). Charakteristisch für sie sind ausdrucksvolle Themen, melodische Phrasierung, klare Form, tonale Festigung, Effekt des Solistentrios; ein polyphoner Satz findet sich selten. 1850 wurde er zum Priester geweiht.
Seit der Eröffnung des ukrainischen Theaters 1864 in Lemberg begann W.s Popularität als Bühnenkomponist. Seine Spiwohra (musikalische Melodramen und Komödien aus dem Volksleben) knüpften an das Wiener Singspiel an; sie reizten mit federnden Kolomyjka-Rhythmen in farbigen Volksszenen und reicher Melodik von Volkweisen, die in sämtlichen gesellschaftlichen Schichten beliebt waren. Die Instrumentalwerke fanden eine beachtliche Verbreitung in ganz Galizien. Die Ouvertüren und Sinfonien sind nach dem Schema der Opernouvertüren der 1. Hälfte des 19. Jh.s geschrieben (Daniel François Esprit Auber, G. Rossini). In den weltlichen Chor- und Sololiedern ist die Liedertafeltradition zu erkennen (einfache klare harmonische Schemata, Nähe zum Volkslied, beschränkter Melodieambitus). Das Lied Šče ne wmerla Ukrajina erfüllte 1918 und wieder seit 1990 die Funktion der ukrainischen Nationalhymne.
W. wirkte im Geist der Revolution von 1848 und der national-kulturellen Bestrebungen der Ruthenen. Dem frühromantischen Charakter entsprach nicht nur sein Musik-, sondern auch sein Lebensstil: die Zwangslage zwischen künstlerischen Ideen und Stumpfheit des Philisterstums, gelegentlichen Jobs und der materiellen Not der Familie. Davon befreite ihn die Priesterweihe (1850), ließ ihm dafür aber kaum Zeit zum Komponieren. W. zählt zu den wichtigsten galizischen Komponisten des 19. Jh.s. Die Erforschung seines Schaffens wurde von der antireligiösen Politik der Sowjetmacht verhindert. Sein Beitrag zur Kirchengeschichte und zur nationalen Kultur wurde um 1990 wieder erkannt.
ca. 40 geistliche u. 30 weltliche Chöre, Kantate Zapowit [Vermächtnis] nach Taras Schewtschenko f. Chor, Solostimme u. Orch., 2 lat. Messen, 23 Spiwohra (Singspiele), 7 Solospiwy (Lieder f. Solostimme); f. Orch.: 12 Ouvertüren (eine mit dem Untertitel Simfonija) u. 2 Polonaisen; Variationen, Walzer, Märsche f. Git. in Guitarre, Nr. 16 (andere Bde. gingen verloren), 2 Potpourris über ukrainische Volksmelodien f. Zither.
M. Zahajkewytsch, M. W.Marija Zahajkewytsch, Mychajlo Werbytsky. L`viv 1998. 1998; Z. Lys’ko in Pionery muzycznoho mystectwa w Halyczyni Z. Lys`ko, Mychajlo Werbytsky, in: Pionery muzycznoho mystectwa w Halyczyni [Die Pioniere der Musikkunst in der Ukraine]. L`viv–New York 1994.[Die Pioniere der Musikkunst in der Ukraine] 1994; L. Kyjanows’ka, M. W.Ljuba Kyjanows’ka, Mychajlo Werbytsky. L'viv 2000. 2000.
15.5.2006
Natalja Samotos,
Art. „Werbytskyj, Mychajlo‟,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
15.5.2006, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e691
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