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Wien
Hauptstadt von Österreich bzw. (vor 1804) der österreichischen Länder, 1619–1806 Reichshaupt- und Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, 1804–1918 des österreichischen Kaiserstaates bzw. 1867–1918 der österreichisch-ungarischen Monarchie; Hauptstadt des Landes unter der Enns (Niederösterreich) und seit 1921 eigenes Bundesland.

Bodenfunde aus dem W.er Raum (z. B. Antonshöhe im Maurer Wald [W. XXIII] und auf der Stadt- bzw. Praterterrasse) weisen auf eine Besiedelung seit der Jungsteinzeit (sog. „Donauländische Kultur) hin, doch fanden sich im W.er Raum bislang (2006) keine Musikinstrumentenreste aus dieser Zeit; als frühester Musikfund des W.er Raums gilt eine Gefäßflöte vom Hochberg bei Perchtoldsdorf. Es ist anzunehmen, dass neben allen Arten von Flöten auch Rasseln und Trommeln verwendet wurden (archäologische Funde). In der Bronze- bzw. Eisenzeit wurde die Hauptsiedlung von den umgebenden Bergen auf die sog. Stadtterrasse (ca. das Gebiet von W. I) bzw. die Bereiche Kagran, Leopoldau und Aspern verlegt. W., das an der Schnittstelle mehrerer großer Handelswege lag, stand unter dem Einfluss griechischer Kultur (Funde von Lyren, Panflöten und Doppelschalmeien bzw. Abbildungen aus dieser Zeit belegen diesen Einfluss für die Zeit 800–400 v. Chr.). Mit dem Eindringen der Kelten ab 400 v. Chr. wurde die bisherige Kultur überlagert. Die Kelten erreichten mit der Zeit eine hoch entwickelte Stadtkultur mit Fürstenresidenzen, Marktplätzen und religiösen Zentren; auf dem Leopoldsberg entstand eine mächtige Burganlage, auf dem Gebiet des heutigen 3. Bezirkes eine Siedlung, die später zur römischen Zivilstadt wurde. Aus Abbildungen kann darauf geschlossen werden, dass es kultische Musik (Prozessionen, Gesänge, Tänze) gegeben haben muss. An Musikinstrumenten wurden zu dieser Zeit Saiten- (Leiern, 3–7-saitig) und Blasinstrumente (drei Typen von Panflöten und die keltische Kriegstrompete carnyx) verwendet. Ab dem 1. Jh. v. Chr. wurde die keltische Siedlung zunehmend stärker von den Römern bzw. vom Norden von den Germanen bedroht, 15. v. Chr. die Provinz Noricum von den Römern annektiert und 14. n. Chr. der W.er Raum bei einer Neugliederung von Noricum abgetrennt und der Provinz Pannonien zugeschlagen. Mit der Errichtung römischer Militärlager und begleitender Zivilstädte kam es zu einem massiven Eindringen römischer Kultur, die sich in den rund 400 Jahren römischer Herrschaft im Gebiet des heutigen W. mit der keltischen vermischte, diese jedoch nie gänzlich überdecken konnte. Das Militärlager (Vindobona) wurde zum Kern der heutigen Stadt und lag direkt am Steilabfall zur Donau; um das Lager entwickelte sich eine Lagervorstadt („canabae“) und eine Zivilstadt auf dem Gebiet des heutigen 3. Bezirks. Aufgrund zahlreicher Funde (Instrumentenreste wie Abbildungen) kann auf ein reiches Musikleben im damaligen W. geschlossen werden (Austria romana). V. a. im 2. Jh. n. Chr., als K. Marc Aurel und sein Hofstaat in Vindobona residierten, erlebten Theater, Tanz und Musik einen Höhepunkt. Dominierten die weltliche bzw. kultische Musik Leier und Kithara bzw. Flöten- bzw. Rohrblattinstrumente, so herrschten für das militärische Signalblasen Blechblasinstrumente vor (zahlreiche Funde von Grabsteinen von Hornisten und Trompetern aus dem Militärlager Vindobona). Mehrere Funde von Glöckchen und Schellen (W. I, Potzneusiedl/NÖ, Petronell-Carnuntum/NÖ) weisen auf die Verwendung auch dieser Instrumentengruppe hin (v. a. Theater, Kult).

Um 427 n. Chr. kam es zum ersten Hunneneinfall im W.er Raum; das Lager Vindobona wurde zerstört und 433 vom römischen Imperium abgetrennt. Nach dem Tod Attilas 453 besetzten Rugier das Gebiet um W., die jedoch nach wenigen Jahrzehnten von den Langobarden abgelöst wurden und bis zur Vertreibung durch die Awaren 568 die Herrschaft in Pannonien hielten; auch slawische Bauern, offenbar den Awaren tributpflichtig, traten zu dieser Zeit im W.er Raum auf. Erst mit den Kriegen gegen die Awaren 791–96 durch K. Karl den Großen kam es zu einer nachhaltigen Befriedung des Raumes. In der unsicheren Zeit der Völkerwanderung brach das kulturelle Leben fast völlig zusammen. Eine gewisse musikalische Kontinuität entstand durch die gesichert seit 172 n. Chr. bestehende kleine Christengemeinde („Regenwunder“), erste Funde datieren jedoch aus spätrömischer Zeit, wie etwa die Johanniskapelle in Unterlaa (W. X) aus 300 n. Chr. In diesen frühchristlichen Kirchen gab es zwar schon eine schola cantorum, doch müssen Aussagen über die Art der Gesänge vage bleiben. Erste konkretere Hinweise stammen von der Zeit der Völkerwanderung (5. Jh.) aus der Vita Sancti Severini (Hinweise auf Psalmengesang als Vorbereitung für den kommenden Tag). Die liturgischen Gesänge waren ausgebildeten Personen vorbehalten; für W. ist ein Chorleiter Moderatus überliefert, der um 480 gelebt haben soll.

907 wurde das Gebiet um W. von den Ungarn erobert, die es erst 1002 wieder an das Reich verloren. Die Babenberger, die 976 mit der östlichen Grenzmark des Reiches belehnt worden waren und diese sukzessive erweiterten, erhielten W. jedoch erst gegen Ende der Regierungszeit Leopolds III. zugesprochen, 1156 wurde W. Residenz des neuen Herzogtums Österreich. Schon unter Karl dem Großen war es zu einer Missionierungsbewegung gekommen, wobei W. anfangs zur Diözese Salzburg, ab 830 zu Passau gehörte, jedoch auch liturgische Einflüsse aus Aquileia/I zu beobachten sind. Weiters brachten die Mönche, die die zahlreichen neu gegründeten Klöster der Stadt besiedelten, ihre eigenen Riten und Liturgie mit (1155 Gründung des Schottenklosters, um 1200 das Zisterzienserinnenkloster St. Nikolaus vor dem Stubentor, weiters Dominikaner, Prämonstratenser, Augustiner-Chorfrauen, Minoriten, Deutscher Orden). Die ältesten Hauptkirchen waren St. Ruprecht und St. Peter (auf dem Gebiet des ehemaligen Römerlagers), wahrscheinlich seit 1147 war St. Stephan die zentrale Pfarrkirche W.s; im 13. Jh. wurden die Michaelerkirche und die Malteserkirche errichtet. Aus dem 13. Jh. sind erste Kirchenlieder in deutscher Sprache überliefert (Christ ist erstanden in A-KN Cod. 574 – als Schluss des Klosterneuburger Osterspiels – und Cod. 1213); auch die in W. erstmals 1260 auftretenden Geißlerbewegung (Geißlerlieder) förderte das deutsche Kirchenlied.

Spätestens seit W. Residenzstadt der Babenberger geworden war, wurde es zum Anziehungspunkt für Spielleute und Gaukler; diese waren nicht nur bei Hof gern gesehen Gäste (um 1215 Eberhard und Wolfker, und der Pfeiffer Gemperlein um 1291), sondern spielten auch zu diversen Tanzveranstaltungen in der Stadt auf. Zu einem zünftischen Zusammenschluss der städtischen Musiker (im Gegensatz zu den vogelfreien Vaganten) kam es 1288 mit der Gründung der Nicolaibruderschaft (mit Sitz an St. Michael), der bis zur Auflösung der Bruderschaften durch Joseph II. noch andere Musikerbruderschaften folgten. Unter den letzten vier Babenbergerherzögen (Leopold V., Friedrich I., Leopold VI. und Friedrich II.) wurde W. auch ein Zentrum des deutschen Minnesangs (Reinmar der Alte, Dietmar von Aist, der Kürnberger, Ulrich von Liechtenstein, der Tannhäuser, der in W. als Hausbesitzer vermerkt ist, Neidhart von Reuental); Walther von der Vogelweide gab an, zu W. „singen und sagen“ gelernt zu haben, ging jedoch nach Unstimmigkeiten mit Leopold VI. von W. weg. Mit dem Aussterben der Babenberger 1246 und den folgenden Thronstreitigkeiten zwischen Ottokar Přemysl und Rudolf von Habsburg, wurde das Musikleben in W. bis zur Herrschaft Rudolfs IV. (des Stifters) erheblich gestört. Anfangs konnte Ottokar das kulturell hochstehende Hofleben der letzten Babenberger weiterführen (Sänger wie der Freudenleer, Füller und Steinmar berichten über den W.er Hof dieser Zeit), doch wirkte sich der Machtkampf zwischen Ottokar und Rudolph I. zunehmend auch auf das kulturelle Leben der Stadt negativ aus. Der Machtkampf zwischen Böhmen-König und Kaiser wurde auch auf musikalisch-dichterischer Ebene ausgetragen: auf Ottokars Seite standen der Litschauer, der Meißner, der Schulmeister von Esslingen und der Unverzagte, Rudolfs Partei ergriffen Konrad von Würzburg, Engelbert von Admont, Konrad von Mure, Meister Boppe und Rumeland. Mit dem Tod Ottokars und der endgültigen Übernahme der Herrschaft in den österreichischen Ländern durch die Habsburger brach das kulturelle Leben des W.er Hofes zusammen, da einerseits vorerst keine ständige Residenz in W. bestand und andererseits Rudolf seine Vertrauten gegen die Mitglieder des alten österreichischen Adels, der fast vollzählig auf Ottokars Seite gestanden hatte, austauschte. Erst aufgrund der ehrgeizigen Bestrebungen Rudolf IV. blühten Kultur- und Geistesleben der Stadt wieder auf. Die Minnesänger, die sich im Gefolge Rudolf I. befanden (Friedrich von Sonnenburg, Herrand von Wildon, Heinrich von Meißen), konnten nicht an den Minnesang in W. unter den letzten Babenbergern anschließen. Auch eine W.er Meistersinger-Schule bzw. -Tradition konnte sich nicht etablieren; Heinrich von Mügeln und P. Suchenwirth (14. Jh.) bzw. M. Behaim (15. Jh.) blieben Einzelerscheinungen.

Stabilisierende Faktoren des Musiklebens in W. waren in dieser Zeit des Umbruchs die Kirchen- bzw. Klosterschulen. Diese dienten der Vorbereitung auf die Univ. oder Klerikerlaufbahn bzw. (die Klosterschulen) der internen Heranbildung des Nachwuchses; da die Schüler auch für den Gesang an den Kirchen herangezogen wurden, erhielten sie eine umfassende Ausbildung in (praktischer) Musik. Die wichtigste Schule der Stadt war jene an St. Stephan. Diese wurde 1296 der Stadt zur Verwaltung übergeben (collegium civium), führte seither die Oberaufsicht über alle Schulen der Stadt und wurde mit der Gründung der Univ. in W. 1365 eng an diese angebunden. An der mit dem collegium civium verbundenen Singschule an St. Stephan leitete ein von der Stadt besoldeter Kantor den Gesangunterricht, dem ein Subkantor und zwei Gesellen zur Seite standen (diese enge Verbindung zwischen Bürgerschule und Kantorei wurde erst mit den Univ.s- und Schulreformen der Frühneuzeit Mitte des 16. Jh.s aufgehoben und es entstand eine Schule mit Konvikt für Sängerknaben). St. Stephan besaß ab 1334 eine Orgel, doch wurden im 14. und 15. Jh. noch zwei weitere Orgeln errichtet (ein Hinweis auf eine geänderte Musizierpraxis); Ende des 14. Jh.s wird erstmals ein Organist namentlich erwähnt (Peter), dem Jörg Behaim bzw. Burkhard Tischlinger nachfolgten. In der Schulordnung von 1446 wurde festgelegt, dass es neben St. Stephan nur drei weitere Lateinschulen innerhalb der Stadt geben sollte: an St. Michael, am Bürgerspital und bei den Schotten. Von den beiden ersteren gibt es nur wenige Quellen, jedoch wurden auch ihre Schüler im Chorgesang und Choral ausgebildet. Von weit größerer Bedeutung war das 1155 von Heinrich II. (Jasomirgott) gegründete Schottenkloster (Benediktiner), dessen ab 1310 nachweisbare, mit Unterbrechungen bis heute (2006) geführte Schule zu den angesehensten der Stadt zählt; auch sie stand in enger Verbindung mit der Univ. Die Schüler sangen unter der Leitung des Schulmeisters und eines „succentors“, der die Kantorei leitete, bei den Messen. Ab dem Beginn des 16. Jh.s erlebte die Musikpflege bei den Schotten durch Abt B. Chelidonius und W. Schmeltzl einen großen Aufschwung (Aufführung von neulateinischen Fastnachtspielen und Schulkomödien [Schuldrama] und 1515 des humanistischen Singspiels Voluptatis cum virtute disceptatio von Chelidonius anlässlich von Fürstenkongress und Doppelhochzeit).

Als eine der septem artes liberales war Musik (Musiktheorie) auch Gegenstand an der Artistenfakultät der Univ. W. Als Lehrer sind Nikolaus von Neustadt (1393), Georg von Hob (1397), Johann Geuß von Teining (1421) und Paul Troppauer (1431) bekannt, die Professoren Nikolaus von Dinkelsbühl (ca. 1360–1433) und Thomas Ebendorfer (1387–1484) auch als Verfasser musiktheoretischer Kommentare. Mit der Berufung des „Erzhumanisten“ Conrad Celtis 1507 nach W. setzte Maximilian I. nicht nur in geistesgeschichtlicher, sondern auch in musikalischer Hinsicht einen wichtigen Akzent, da Humanistenode und -drama eng mit seinem Namen verbunden sind (1504 Aufführung von Rhapsodia laudes et victoria de Boemanis in W.), eine Tradition, die nach Celtis’ Tod der bereits erwähnte Schottenabt Chelidonius fortsetzte. Die Studenten selbst hatten auch bei Gottesdiensten mitzuwirken, anderes öffentliches Musizieren war ihnen jedoch bei Strafe durch Ausschluss aus der Univ. untersagt (die zahlreichen Beschwerden W.er Bürger über lautes Musizieren der Studenten in Lokalen bzw. auf den Strassen zeigen jedoch ein anderes Bild).

Einen wichtigen Bestandteil des W.er Musiklebens ab dem Mittelalter stellen die zahlreichen Feste und Feiertage dar (im 15. Jh. gab es neben den arbeitsfreien Sonntagen noch weitere 33 kirchliche Feiertage, an denen die Arbeit ruhte) – es handelte sich dabei um Feste der Stadt, bei denen die Grenzen zwischen Adel, Hof und Bürgertum verschwammen. Meist fanden die Feste, Umzüge, Spiele (Fronleichnamsspiel, Passionsspiele etc.; geistliche Spiele) und Tänze im Freien statt, doch wurden auch Häuser wohlhabender Bürger gerne für Feiern herangezogen (v. a. der sog. Regensburger-Hof am Lugeck [W. I], der auch Schauplatz höfischer Feste war, für die in der Burg keine Räumlichkeiten zur Verfügung standen – z. B. 1435 zu Ehren von K. Sigismund und 1470 für Matthias Corvinus). Die Musik zu diesen Festen wurde meist von den städtischen Musikern bestritten; Vaganten und Gaukler traten hingegen bei Jahrmärkten und den beliebten Tanzveranstaltungen in Erscheinung (oft auf Friedhöfen – z. B. wurde 1347 eine Woche auf dem Augustinerfriedhof aus Anlass des Besuchs von König Ludwig von Ungarn getanzt); da es v. a. bei den Sonnwendfesten zu geradezu bacchanalischen Ausschweifungen kam, wurden diese Feste 1524 in der W.er Handwerks-Polizeiordnung behördlich verboten.

Mit dem Erstarken von Selbstbewusstsein und Macht der Herrscher im 15. und 16. Jh. kam es nicht nur zu Spannungen zwischen Stadt und Habsburgern, die einigen W.er Bürgermeistern den Kopf kosteten, sondern der Hof wurde zunehmend zu einem wichtigen kulturellen Impulsgeber der Stadt, deren künstlerische Eigenproduktion im selben Maße sank. Obwohl weder Friedrich III. noch Maximilian I. für einen längeren Zeitraum in W. residierten, wählte Maximilian W. nicht nur als Sitz der 1498 gegründeten Hofmusikkapelle, sondern auch 1515 als Ort des Fürstenkongresses und der Doppelhochzeit, verbunden mit einer der größten Festlichkeiten, die W. an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit erlebte. Obwohl die HMK bereits 1519 nach dem Tod Maximilans aufgelöst wurde, blieben einige wichtige Musiker in W.: der Hofhaimer-Schüler W. Grefinger wurde Organist an St. Stephan, H. Finck wirkte am Schottenkloster, bis ihn Ferdinand I. als Kapellmeister an seinen Hof holte; ebenfalls bei den Schotten arbeitete als Schulmeister W. Schmeltzl. Die Instrumentalmusik wurde von den Lautenisten H. Judenkunig und Stephan dem Lautenslacher geprägt. Die Kirchenmusik (seit der Mitte des 15. Jh.s wurde durchwegs mehrstimmig gesungen) dominierten bald die sog. Niederländer.

Die 100 Jahre zwischen dem Tod Maximilians I. (bzw. den großen Festlichkeiten 1515 anlässlich von Fürstenkongress und Doppelhochzeit in W.) und der Errichtung einer ständigen Residenz in W. 1619 durch Ferdinand II. stellen in mehrfacher Hinsicht eine Krisenzeit der W.er Musikgeschichte dar: Die Religionskonflikte (Reformation) reduzierten Kirchenmusik wie Kloster- und Pfarrschulen auf ein Minimum; protestantisch geprägte Landschaftsschulen konnten sich in W. nicht etablieren (eine solche existierte nur 1546–54 mit sehr geringer Schülerzahl; auch ein weiterer Versuch der Jörger im 17. Jh. in Hernals [ W. Neustadt XVII] war nur von kurzer Dauer). Die städtischen Lateinschulen blieben von der Konfessionskrise weitgehend verschont, litten aber unter sehr geringen Schülerzahlen, was sich wiederum auch auf die Qualität des Gesangs an den Hauptkirchen der Stadt auswirkte. Zur Hebung der Bildung gründete Ferdinand I. in W. eine Schule, an der unter Maximilian II. sowohl katholische wie protestantische Lehrer unterrichteten; 1623 wurde sie von Ferdinand II. den Jesuiten übergeben. Die Lateinschule an St. Stephan erhielt 1558 einen Lehrplan nach jesuitischem Vorbild. Auch die Univ., der aufgrund der zunehmenden Osmanenbedrohung (1529 erste W.er Türkenbelagerung) und der Konfessionsstreitigkeiten die Studenten ausblieben, wurde von Ferdinand 1524–54 in mehreren Schritten reformiert, wobei mit der Auflösung der alten Artistenfakultät die Musik als akademische Disziplin aus den Lehrplänen verschwand. Die Studenten waren jedoch weiterhin verpflichtet, an der musikalischen Gestaltung von Gottesdiensten und akademischen Feiern mitzuwirken. Neue bildungspolitische wie musikalische Impulse brachte die Berufung der Jesuiten 1551 durch Ferdinand I. nach W. Bereits 1553 eröffneten sie eine Schule, die (auch aufgrund ihres z. T. öffentlich zugänglichen Schultheaters) sehr erfolgreich war, sodass die Jesuiten in kürzester Zeit die Bildungseinrichtungen der Stadt dominierten und die angestammten Schulen verdrängten (umgewandelt zu deutschen Schulen: Bürgerspital, St. Stephan; geschlossen: St. Michael, intern weitergeführt: Schotten). 1554 fand die erste Aufführung eines Jesuitendramas statt. Den Höhepunkt erreichten die Aufführungen im 17. Jh., als das Jesuitendrama zu einer geistlichen Konkurrenz der höfischen Oper wurde (gespielt wurde sowohl im Professhaus Am Hof, W. I, als in der Aula/Bäckerstraße, W. I); Hauptkomponisten waren J. B. Staudt, F. T. Richter und J. M. Zacher; obwohl nur Musik zu Jesuitendramen aus dem Zeitraum 1677–1711 erhalten ist, wurde die Aula bis 1773 für Aufführungen benützt (keine Musik aus dieser Zeit überliefert). Die Schuldramen in deutscher Sprache, die unter Schmeltzl am Schottenkloster etabliert wurden, fanden nach Schmetzls Abgang ein Ende und wurden nur kurz im 18. Jh. unter Abt Karl Fetzer wiederbelebt.

Außerhalb der Bildungseinrichtungen bzw. der Kirchen war das Musikleben in W. im 16. Jh. durch diverse polizeiliche Maßnahmen eingedämmt worden; dennoch bot die hohe Zahl an Feiertagen (oft mit feierlichen Umzügen) und Kirtagen (v. a. der Katharinenmarkt im November) Gelegenheit zu Tanz und den Gauklern und Artisten Möglichkeiten, ihre Künste zur Schau zu stellen. Auch Passionsspiele und szenisch gestalte Fronleichnamsprozessionen sind aus dieser Zeit nachgewiesen. 1499 führten erstmals Mitglieder der Gottsleichnamsbruderschaft bei St. Stephan ein geistliches Schauspiel auf; 1565 schlossen sich 8 Steuerdiener der Stadt zu einer festen Spielgemeinschaft zusammen, die bis 1718 am Karfreitag regelmäßig Passionsspiele aufführte.

Erste Wandertruppen italienischer Komödianten sind für W. ab 1565 bezeugt; diese benötigten aufgrund eines Privilegs Hzg. Albrechts III. (1382) im Gegensatz zu den Jahrmarktskomödianten, Gauklern und Artisten, keine Genehmigung durch die Stadt, sondern durch den Herrscher. Diese Komödientruppen (u. a. traten in W. die Geloisi, Comici Accesi und die Comici Fedeli auf) standen v. a. beim Hof in hohem Ansehen; 1660 wurde für eine dieser Truppen auf dem Tummelplatz (heute Josefsplatz, W. I) das erste freistehende Theatergebäude W.s errichtet. 1658–60 fanden erstmals längere Gastspiele deutschsprachiger Theatertruppen statt. 1670 konnte Peter Hüttler von Hüttenberg, Eigentümer des Ballhauses in der Himmelpfortgasse (W. I), ein Privileg für eine W.er Komödiantentruppe erwirken, doch verstarb er vor der Umsetzung des Vorhabens. Meist traten die Komödiantentruppen in einer der Markthütten auf dem Neuen Markt, der Freyung oder dem Judenplatz oder in einem der drei privilegierten Ballhäuser (in der Himmelpfortgasse, später in das Winterpalais des Prinzen Eugen integriert, der Ballgasse, in dem meist italienische Komödianten spielten, und in der Teinfaltstraße, 1707–09 Sitz der Truppe von J. A. Stranitzky). 1709 errichtete die Stadt beim alten Kärntnertor ein neues Theater für die Komödientruppen (Kärntnertortheater), das abwechselnd mit deutschen und italienischen Komödien, Singspielen und Intermezzi, später auch Opern bespielt wurde.

Mit der Übersiedlung des Kaiserhofes 1619 nach W. wurde die Stadt zum Zentrum des Reiches, was für die Stadt eine große Zahl an ausländischen Gästen, Botschaftern, Höflingen bedeutete, die nicht nur in prunkvollen Einzügen (auch von der Stadt) empfangen wurden, sondern auch aufgrund der Hofquartierspflicht der Bürger in den Häusern der Stadt untergebracht werden mussten. Deren standesgemäße Versorgung und Lebensweise brachte der W.er Wirtschaft großen Aufschwung, von dem auch Instrumentenbauer, Notenkopisten (Kopisten), Musiker profitierten. Zudem bot der Hof selbst neue Verdienstmöglichkeiten, wenngleich die Spitzenkräfte der HMK aus Italien rekrutiert wurden. Die von K. Ferdinand II. geförderte Gegenreformation brachte den W.er Kirchen auch in musikalischer Hinsicht Aufschwung. Die für die Außenwirkung W.s im Barock zentrale höfische Oper entwickelte jedoch, da einem höfischen Publikum vorbehalten, vorerst wenig Wirkung in der Stadt selbst. 1660 war ein erstes Theater auf dem Tummelplatz (heute Josefsplatz) errichtet worden, 1668 für die erste Hochzeit K. Leopolds I. das Theater auf der Cortina, das anlässlich der zweiten W.er Türkenbelagerung aus Sicherheitsgründen abgebrochen wurde. 1698 errichtete F. Galli-Bibiena im baufällig gewordenen großen Komödien-Saal ein Logentheater, das bis 1744 benutzt und dann in die Redoutensäle umgebaut wurde. Für die Bürger der Stadt waren diese Aufführungen nicht zugänglich, doch konnten sie an den beliebten Schlittenfahrten und Caroussels (so diese außerhalb der Burg stattfanden) teilhaben. Unter Joseph I. gab es erste Bestrebungen, die Oper zu kommerzialisieren und somit einem breiteren Publikum zu öffnen, doch verteidigte sein Nachfolger Karl VI. das Exklusivrecht des Hofes auf die große Oper. 1728 erhielten F. Borosini und F. J. Selliers zwar ein Theaterprivileg auf 20 Jahre und das Recht, das Kärntnertortheater von der Stadt W. zu pachten, doch wurde ihnen verboten, „drammi musicali“ aufzuführen. Unter Maria Theresia (I) fiel diese Bestimmung und die Herrscherin öffnete die Hoftheater (Kärntnertortheater und das neu adaptierte Ballhaus, das Alte Burgtheater) dem Publikum und verpachtete sie ab 1765 an private Unternehmer, wenngleich das Burgtheater bis weit in das 19. Jh. unter dem Einfluss der Hofparteien stand, während das Kärntnertortheater dem Geschmack des Bürgertums entsprach. 1776 initiierte Joseph II. zwei wichtige Theaterreformen: einerseits errichtete er am Burgtheater das Nationalsingspiel, andererseits gewährte er die allgemeine Schauspielfreiheit, die die Grundlage für private Theatergründungen des 19. Jh.s bildete.

Nachdem die konfessionellen Wirren des 16. Jh.s mit der Gegenreformation beendet worden waren, wurde die katholische Kirche der wichtigste Brotgeber für die W.er Musiker. Glaubt man Berichten der Zeit, soll es jeden Morgen eine musikalische Messe gegeben haben (Charles Burney); die Hauptkirchen und -klöster der Stadt unterhielten eigene Musikkapellen und Sängerknabeninstitute (St. Stephan, Schotten) und liehen für große Feierlichkeiten auch auswärtige Musiker. Dennoch war die Bezahlung deutlich schlechter als bei Hof (oft nur ein Zehntel der Hofbezahlung), sodass viele Kirchenmusiker eine Stelle an der HMK anstrebten. Die regen Beziehungen zwischen HMK und den W.er Kirchen ist auch im Repertoire dokumentiert, das sich im 17. und frühen 18. Jh. klar an dem der HMK orientierte. In unmittelbarem Einfluss des Hofes standen die Augustinerkirche, St. Michael, St. Clara, die Kapuzinerkirche und die Minoritenkirche (deren Musiker füllten oft auch Funktionen am Hof aus). St. Stephan als Bischofskirche bildete den geistlichen Mittelpunkt der Stadt und war auch in musikalischer Hinsicht neben dem Hof das zweite Zentrum in W. (seit 1725 auch Sitz der Cäcilienbruderschaft, der Bruderschaft der Hofmusiker). Über den Gnadenaltar von Maria Pötsch (Maria Pócs), der 1697 von Leopold I. gestiftet worden war, gab es eine direkte Begegnung zwischen Hof bzw. HMK, St. Stephan und dem Magistrat der Stadt, der an diesem Gnadenaltar eine eigene Musikkapelle unterhielt, die täglich ein Hochamt musizierte. Im 18. Jh. wurden die wichtigsten Kapellmeisterstellen durch G. Reutter d. J. in einer Hand vereint (1738 Kapellmeister an St. Stephan, 1756 auch an Maria Pócs, ab 1752 auch für die Hofmusik alleine verantwortlich).

Um die Mitte des 18. Jh.s zog sich der Hof immer stärker aus seiner Rolle als Vorbild in Sachen Kunst und Kultur zurück, sodass einerseits der Adel, andererseits das reiche (oft auch neu geadelte) Bürgertum der Stadt zunehmend diese Rolle annahm und das Kulturleben der Stadt aktiv zu gestalten begann. Schon ab den 1720er Jahren hatte der Adel begonnen, in seinen Residenzen nach Vorbild des Hofes Musikkapellen (oft aus Bediensteten, nur selten mit hauptberuflichen Musikern; Adelskapellen) zusammenzustellen (Lobkowitz, Esterházy, Sachsen-Hildburghausen), doch entstanden auch zunehmend Dilettanten-Ensembles, die in privatem Kreis musizierten. Fast jeden Abend fanden in den Wohnsitzen des Adels musikalische Akademien statt, die zwar Musikern ein reiches Betätigungsfeld boten, jedoch der Öffentlichkeit nicht zugänglich waren. Eine neue Form des Konzertes stellten die Kenner und Liebhaber-Konzerte G. van Swietens dar, in denen erstmals historische Musikstücke wiederaufgeführt wurden (wenngleich zeitgenössisch „verbessert“, vgl. W. A. Mozarts  Händel-Bearbeitungen) und in denen das (geladene) Publikum schweigend zuzuhören hatte. Erst ab den 1770er Jahren begann sich ein öffentliches Konzertleben zu etablieren, organisiert entweder durch professionelle Konzertveranstalter (der erste bekannte in W. war Ph. J. Martin) oder durch die Musiker selbst (oft in Zusammenarbeit mit einem Verleger, bei dem man für das Konzert „subskribieren“ konnte). W. und die Vorstädte verfügten im 18. Jh. über ca. 460 Ballsäle (der bekannteste war die „Mehlgrube“ am Neuen Markt), die dafür zur Verfügung standen; Akademien, bei denen der Adel als Mitveranstalter auftrat, fanden im Burgtheater oder im Augarten statt. Angezogen durch den legendären Ruf der Musik am W.er Hof, aber gefördert durch den Adel kulminierten in der 2. Hälfte des 18. Jh.s in W. neue Stilrichtungen im sog. Stil der Wiener Klassik“, dessen Hauptvertreter (J. Haydn, W. A. Mozart und L. v. Beethoven) alle keine geborenen W.er waren, aber hier wesentliche Impulse und Möglichkeiten für ihre künstlerische Arbeit fanden.

Bis 1782 war das Aufspielen zum Tanz in Wirtshäusern, bei Hochzeiten und anderen Feiern den Mitgliedern der Nicolaibruderschaft vorbehalten gewesen, die der Oberaufsicht durch den Spielgrafen unterstanden. Joseph II. beendete mit der Aufhebung der Bruderschaften dieses Monopol – fortan herrschte unter den Musikern Gewerbefreiheit, doch mussten die Auftritte polizeilich genehmigt werden.

Wenngleich sich im Wiener Kongress noch einmal der Hof als großartiger Gastgeber präsentierte, ist das 19. Jh. in W. von der bürgerlichen Musikkultur geprägt. Obwohl der Metternichsche Polizeistaat und das Versammlungsverbot das Musikleben erschwerten, konnte sich doch das Konzertwesen weiter entwickeln. Einer der wichtigsten Konzertveranstalter war die Tonkünstler-Sozietät , die nach der Aufhebung der Bruderschaften als deren Nachfolgeinstitution fungierte. Als Pflegestätte der Musik der Klassiker (v. a. Beethovens) traten die 1819 nach Pariser Vorbild von F. X. Gebauer gegründeten Concerts spirituels auf (bis 1848); weiters veranstalteten diverse karitative Vereinigungen in unregelmäßigen Abständen Wohltätigkeitskonzerte (zum Wohle von Witwen und Waisen, Kriegsinvaliden etc.). Von nachhaltiger Bedeutung war die 1812 erfolgte Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates in W., die in der Folge nicht nur zu einem der wichtigsten Konzertveranstalter W.s wurde, sondern auch 1817 mit der Gründung eines Konservatoriums nach Pariser Vorbild die Musikerausbildung institutionalisierte und professionalisierte. Aufgrund seiner hervorragenden Lehrerpersönlichkeiten verfügte das Konservatorium bald über internationales Ansehen und zog Schüler weit über die Grenzen der Monarchie an (u. a. entstand unter J. Böhm die Wiener Geigenschule, S. Sechter und nach ihm A. Bruckner führten die große Tradition der Musiktheorie von J. J. Fux und J. G. Albrechtsberger fort). 1833 bildeten sich auf Anregung von F. Lachner die Wiener Philharmoniker , die ab 1842 unter O. Nicolai regelmäßig Abonnementkonzerte veranstalteten. Als Konzerträume standen v. a. das Burgtheater, die Redoutensäle der Hofburg und das Kärntnertortheater zur Verfügung, erst ab 1870 der Saal der GdM in den Tuchlauben, ab 1870 am Karlsplatz, 1872–1913 der Bösendorfer-Saal in der Bankgasse. Der Lust des Bürgertums am Musizieren wie dem wachsenden Bedarf an professionell agierenden Laienchören entsprangen zahlreiche Chorvereinigungen, von denen die wichtigsten bis heute existieren: 1843 Wiener Männergesang-Verein , 1858 Wiener Singakademie , Wiener Singverein (Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde) und Wiener Akademischer Gesangverein . 1863 Schubertbund . Internationale Virtuosen konzertierten in W., das als „Wiege der Klassiker“ im 19. Jh. zu einer beliebten „Pilgerstätte“ von Musikern wurde (F. Liszt, Hector Berlioz, C. M. v Weber, das Ehepaar Schumann, Rich. Wagner). Das W.er Publikum veranstaltete um G. Rossini und J. Lind einen geradezu hysterischen Kult, der die Stadt wochenlang in Atem hielt („Rossini-Taumel“, „Lind-Fieber“). Die Hofoper (bis 1869 im Alten Burgtheater, dann im Haus am Ring [Staatsoper] untergebracht) wurde bis 1848 fast durchwegs von italienischen Direktoren geleitet, ab 1848 von staatlich bestellten Direktoren. Zweite Spielstätte blieb bis zum Bau des neuen Hauses das Kärntnertortheater. In den Vorstädten, die nach Schleifung der Stadtmauern sukzessive eingegliedert wurden, waren für die Musik das Theater an der Wien, das Theater in der Josefstadt und das Carltheater von Bedeutung, denen ab den 1860er Jahren zahlreiche weitere folgten (Thaliatheater, Ring-Theater, Treumanntheater etc.). Die W.er Komödien mit Gesang (J. Nestroy, C. Binder, W. Müller) wurden ab den 1870/80er Jahren zunehmend von der Operette abgelöst, die sich unter Joh. Strauß Sohn und seinen Nachfolgern zu einer als typisch w.erisch angesehenen Gattung entwickelte.

Bedingt durch den wachsenden Markt erlebten Instrumentenbau (v. a. Geigenbau, Holzblasinstrumente und Klaviere) und Musikaliendruck (Notendruck) und -handel (Kunst- und Musikalienhandel) im 19. Jh. einen großen Aufschwung. Bereits seit dem frühen 16. Jh. hatte es Notendruck in W. gegeben, doch entstand mit dem Verlagshaus Artaria erst 1778 der erste eigentliche Musikverlag in W. Das 19. Jh. ist als die Blütezeit des Musikalienhandels und Musikdrucks in W. zu bezeichnen (Cappi, T. Mollo, A. Diabelli, F. A. Hoffmeister, T. Haslinger etc.). Im 20. Jh. dominierten das Verlagshaus Doblinger (Operette, Schlager bzw. – v. a. ab 1945 Zeitgenossen) und die 1901 gegründete Universal Edition als Spezialverlag für Moderne. Die W.er Tradition des Klavierbaus wurde durch die Firmen Streicher und Stein zu Beginn des 19. Jh.s begründet und kulminierte in der 2. Hälfte des Jh.s in den Firmen Bösendorfer, Schweighofer, Stelzhammer und Ehrbar.

Die Kirchenmusik in W. hatte durch die josephinischen Reformen einen Einbruch erlitten, von dem sie sich nicht mehr erholen sollte. Mit der Reduktion der Feiertage ging die Anzahl der feierlichen Hochämter zurück, ebenso waren Prozessionen und Wallfahrten (z. B. zum Kalvarienberg, W. XVII, oder nach Mariahilf, W.VI) reduziert worden. Kaum eine der Kirchen leistete sich mehr als einen angestellten Organisten, Musiker wurden von Fall zu Fall engagiert; stilistisch herrschten an den W.er Kirchen Messen der Klassiker und Kompositionen in spätklassischem Stil (J. Eybler, I. Assmayr, G. v. Preyer) vor. Eine Besserung trat gegen Ende des Jh.s durch die Bestrebungen der Cäcilianer bzw. die Gründung zahlreicher Kirchenmusikvereine ein.

Bereits gegen Ende des 18. Jh.s war in Kreisen des Adels und der hohen Beamtenschaft ein Interesse an historischer Musik (Historismus) erwacht (van Swieten). Zu Beginn des 19. Jh.s entstand in W. eine präwissenschaftliche musikhistorische Forschung, deren Verdienst heute (2006) weniger in deren historischen Abhandlungen, als im Anlegen von Sammlungen und in der Zusammenstellung von Dokumentationen gesehen wird (R. G. Kiesewetter, I. v. Mosel, A. Fuchs, L. Ritter v. Köchel, J. v. Sonnleitner). In diesem Sinne sind auch die Schaffung einer Sammlung (Archiv und Bibliothek) an der GdM zu sehen wie die Neuordnung der Musikalienbestände der Hofbibliothek unter M. v. Dietrichstein. Beide Sammlungen zählen heute, gemeinsam mit denen der Stadt W., zu den wichtigsten W.er Musiksammlungen. Das wachsende Interesse an Musik und Musikgeschichte ließ auch eine eigene Musikpublizistik in W. zu Beginn des 19. Jh.s entstehen (Musikzeitschriften; 1813 W.er Allgemeine Musikalische Zeitung, 1817–24 Allgemeine Musikalische Zeitung mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat, I. F. v. Castellis Allgemeiner Musikalischer Anzeiger 1829–40 und die 1841–48 von Au. Schmidt begründete Allgemeine W.er Musik-Zeitung). In der 2. Hälfte des 19. Jh.s entwickelte sich mit dem Aufkommen der großen Tageszeitungen eine moderne Form der Musikpublizistik (Musikfeuilleton und Musikkritik). Mit einem der bedeutendsten Musikkritiker und -schriftsteller, E. Hanslick, zog 1861 die Musik wieder als akademische Disziplin in die Universität W. ein, entwickelte sich jedoch erst unter Hanslicks Nachfolger G. Adler zum Fach Musikwissenschaft.

An der Wende zum 20. Jh. vollzogen sich im W.er Kultur- und Geistesleben grundlegende Wandlungen, denen mit dem Ende der Monarchie 1918 ebensolche politischen folgten, durch die W. aus seiner Lage im Zentrum eines Großreichs an den Rand eines Kleinstaates geriet. Um 1900 kam es zu einem Generationswechsel unter den W.er Musikern, der in der Gründung verschiedener Vereine (Ansorge-Verein , Verein für schaffende Tonkünstler, Akademischer Verein für Literatur und Musik), parallel zur Sezession der bildenden Künstler, seinen Ausdruck fand. Ein wichtiges Ereignis stellte das erste Arbeiter-Sinfoniekonzert am 29.12.1905 im Musikverein dar, da einerseits ein neues Publikum damit in die Konzertsäle geholt wurde, andererseits (v. a. ab 1919) in diesen Konzerten immer stärker Werke der Moderne zur (Ur-)Aufführung kamen. A. v. Webern leitete nicht nur viele der Arbeiter-Sinfonie-Konzerte, sondern stand auch einige Jahre dem bedeutendsten Arbeitergesangverein, dem Chor Freie Typographia, vor und leitete den Singverein der Sozialdemokratischen Kunststelle. Alle Arbeitervereine wurden im Februar 1934 aufgelassen. Bereits am 31.3.1913 war es zu dem berühmten Skandalkonzert mit Werken Weberns, A. v. Zemlinskys, A. Schönbergs, Alban Bergs und G. Mahlers gekommen, bei dem sogar die Polizei einschreiten musste. In Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen steht die Gründung des Österreichischen Komponistenbundes . 1913 war mit dem Wiener Konzerthaus ein weiterer großer Konzertveranstalter neben dem als konservativ geltenden Musikverein entstanden; das Konzerthaus gilt bis heute als Heimstätte der Moderne (u. a. Wien modern). Um den Schülern um Schönberg ein Aufführungsforum bieten zu können, wurde 1918 in W. der Verein für musikalische Privataufführungen gegründet, der jedoch bereits 1921 wegen finanzieller Probleme seine Konzerte einstellen musste. Mit zunehmender politischer Radikalisierung verschärften sich die Fronten zwischen „Neutönern“ (meist politisch eher links orientiert) und Konservativen (eher im christlich-sozial-konservativen Lager zu finden), dem der Ende der 1920er Jahre aufkeimende Nationalsozialismus mit seinem Antisemitismus eine weitere Facette hinzufügte, die von den Konservativen nicht ungern in einer „unheiligen Allianz“ als Argument gegen die radikale Moderne aufgegriffen wurde. Bereits ab 1934 wurden die Werke der Komponisten der Zweiten Wiener Schule aus den Konzertsälen verdrängt und durch gemäßigt moderne bis konservative Werke ersetzt (z. B. Fr. Schmidts Buch mit sieben Siegeln).

Dem Großteil der W.er blieben diese Zwistigkeiten verborgen, denn deren musikalische Bedürfnisse wurden durch Wienerlied und die Darbietungen der Volkssänger bzw. Schrammel- und Heurigenmusik zufrieden gestellt. Wienerlied und Volkssängertum hatten sich in der 2. Hälfte des 19. Jh.s durch die Reformbestrebungen J. B. Mosers von ihren anrüchigen und zwielichtigen Wurzeln gereinigt und waren zum Ausdruck w.erischer Lebensart geworden. Nach 1918 diente das Wienerlied v. a. der Glorifizierung der „guten alten Zeit“ und der Festigung eines kollektiven „mir-san-mir-Gefühls“, das über die katastrophale wirtschaftliche Lage durch ein „kleines Räuscherl“ hinwegtäuschen sollte. Komponisten des Wienerliedes der Jh.wende waren v. a. J. Sioly und C. Lorens, in den 1920er und 1930er Jahren E. Arnold, K. Föderl und H. Frankowski.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden alle W.er Institutionen nach deutschem Vorbild umgewandelt und viele Vereine aufgelöst. Für die Musik in W. brach eine Katastrophe herein: viele Musiker, Komponisten, Theaterdirektoren und Textdichter mussten aus politischen bzw. rassistischen Gründen flüchten, das Vermögen der aufgelassenen Vereine wurde eingezogen, deren Bestände und Archive oft in alle Winde zerstreut. Die Lücken, die die Emigration der Spitzen des Musiklebens hinterlassen hatte, können bis heute nicht gefüllt werden, zumal das neue Österreich und die Stadt W. nach 1945 kaum Anstrengungen unternahmen, die Musiker und Komponisten aus dem Exil wieder zurück nach W. zu holen.

Nach 1945 nahmen die beiden Konzerthäuser den Betrieb rasch wieder auf, die Staatsoper musste bis 1955 in der Volksoper und im Theater an der Wien spielen, das ab 1962 für Spezialprojekte, ab den 1980er Jahren gemeinsam mit dem Raimundtheater (ab 1988) als Musicalbühne von der Stadt genutzt wurde, ab 2006 jedoch W.s als weiteres Opernhaus bespielt wird. 1949 erwuchs mit den Jeunesses musicales W. ein weiterer wichtiger Konzertveranstalter. Mit den Wiener Philharmonikern und den aus dem Konzertvereins-Orchester und dem Verein Wiener Sinfonieorchester 1933 hervorgegangen Wiener Symphonikern verfügt W. über zwei hervorragende große Orchester; das ebenfalls 1933 entstandene Rundfunkorchester (Funkorchester der RAVAG), seit 1996 Radio Symphonieorchester Wien (RSO Wien), hat sich als Nachfolger der musica viva-Konzerte seit den 1970er Jahren als Interpret moderner Musik einen Namen gemacht. Spezialensembles für Alte Musik (z. B. Concentus musicus W. , Musica antiqua W.), für Moderne (die reihe , Klangforum, Ensemble Kontrapunkte ), zahlreiche Kammerorchester und Ensembles (z. B. Alban Berg-Quartett , Quatuor Mosaïques) haben ihren Sitz in W. und von hier ausgehend internationale Bekanntheit erlangt. Von den zahlreichen W.er Chorvereinigungen sind v. a. die professionellen Chöre Chorvereinigung Wiener Staatsopernchor , Arnold Schoenberg-Chor und W.er Kammerchor zu nennen, wie die beiden traditionellen Laienchöre der beiden Konzerthäuser, W.er Singverein und W.er Singakademie. Die 1924 gegründeten und in der Tradition der Hofsängerknaben stehenden Wiener Sängerknaben sind wichtige Werbeträger (Werbung) für W. auf der ganzen Welt. Seit 1924 veranstaltet die Stadt W. große Musikfeste, 1927–38 jährliche Festwochen, die ab 1950 als Festival W.er Festwochen (Mai/Juni) zu Fixpunkten im W.er Musikleben zählen. 1988 wurde das Festival w. modern gegründet. Der seit 1952 veranstaltete W.er Musiksommer wurde 1989 unter dem Namen Klangbogen neu belebt.

1898 wurde an der W.er Univ. ein Musikhistorisches Seminar errichtet, aus dem das heutige Institut für Musikwissenschaft, eines der größten im deutschen Sprachraum, hervorging; nach G. Adler folgten R. Lach, E. Schenk, O. Wessely und G. Gruber als Ordinarien. 1973 wurde ein zweiter Lehrstuhl für historische, 1981 ein ordentlicher für vergleichend-systematische Musikwissenschaft errichtet. Die praktische Musikerausbildung wie Forschung erfolgt an den Instituten und Abteilungen der aus dem Konservatorium der GdM hervorgegangenen (seit 1998) Universität für Musik und darstellende Kunst. Unter den zahlreichen Privatkonservatorien, die im 19. und zu Beginn des 20. Jh.s gegründet wurden, sind v. a. das Franz Schubert-Konservatorium, das Prayner-Konservatorium und das Neue Wiener Konservatorium hervorzuheben; letzteres übernahm nach 1945 als Konservatorium der Stadt W. auch die Oberleitung über alle städtischen Musikschulen (Musiklehranstalten W.) und ist seit 2005 Privatuniv. Weiter gibt es seit 1944 an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften eine Kommission für Musikforschung. Mit der Gründung des Arnold Schönberg Centers 1997/98 und der Rückholung des Schönberg-Nachlasses erhielt W. eine Spezialforschungsstätte für die Musik der W.er Schule.


Literatur
E. Th. Fritz/H. Kretschmer (Hg.), W. Musikgesch. 1 (2006); P. Csendes/F. Opll (Hg.), W. Gesch. einer Stadt, , 3 Bde. 2001–06; MGG 9 (1998); NGroveD 26 (2001); MGÖ 1–3 (1995); P. Pleyel, Das Römische Österreich 1987; F. Opll, Leben im mittelalterlichen W. 1998; Th. Antonicek in G. Hamann et al. (Hg.), Das alte Univ.sviertel in W. 1385–1985, 1985; J. Mantuani, Gesch. der Musik in W. 31907; O.Biba in Jb. f. österr. Kulturgeschichte 1 (1971) Halbbd. 2; eigene Forschungen.

Autor*innen
Elisabeth Th. Hilscher
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Th. Hilscher, Art. „Wien‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e6bc
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10.1553/0x0001e6bc
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