In engerer Auslegung bedeutet a. M. jedoch die Beschränkung auf das nur für die Musik Spezifische, d. h. solange sie nicht mit Texten, Bewegung, Überschriften, Programmen, Funktionen usw. verbunden oder vermischt wird. (Frage ist allerdings, wo und wie die Grenzen zwischen solch Spezifischem und Außermusikalischem zu ziehen sind.) Seine starke Geschichtswirksamkeit erhielt der Ausdruck, weil er geeignet schien, „den zunächst in der Wiener Klassik kulminierenden Trend der abendländischen Musik ... zur Herrschaft der Instrumentalmusik zu benennen“, „im ästhetischen Streit des 19. Jh.s eine Gegenposition zur Gefühls-, Inhalts-, Sujet- und Programmmusik bündig zu bezeichnen“ und einen „Brückenschlag ... zum Begriff des Absoluten des deutschen philosophischen Idealismus“ zu ermöglichen (Eggebrecht). Seinen Impetus aber gewann er nicht zuletzt aus den Konflikten (zwischen Form- und Inhaltsästhetik, mit dem Gegenbegriff Programmmusik der sog. Neudeutschen um F. Liszt u. a.). Diese haben jedoch bereits in der Wiener Moderne um 1900 ihre kompositorische Aktualität stark eingebüßt und allenfalls anderen Polemiken (z. B. F. Busoni 1907) Platz gemacht. Zu den Gründen dafür gehört, dass der deutsche Idealismus in der österreichischen Philosophie durchaus eine Gegenposition besessen hatte, die Musikauffassung in Österreich stets empirischer und pragmatischer gestützt war als in Deutschland, Hanslick sowohl durch A. W. Ambros 1856 als auch F. v. Hausegger 1885 ästhetische Gegenmodelle erhalten hatte, schließlich auch die Beschränkung des Musikalischen auf das Instrumentale eher verbal (z. B. durch J. M. Hauer) als tatsächlich (G. Mahler) eine Rolle spielte und schließlich durch allerlei Verbindungen mit synästhetischen (Hauer), optischen (A. Schönberg), theatralischen usw. Momenten bereits weitgehend aufgehoben wurde. Die Idee der a. M. ist in der österreichischen Moderne eher als Folie wirksam geworden, vor der und gegen die die künstlerische Entwicklung ablief. Sie hat hier (z. B. in den verschiedenen Zwölftontechniken) zwar weitere Abstraktionen erfahren, doch sind diese von der a. M. nicht gedeckt oder gar mit ihr identisch. Somit ist dieser Ausdruck in Österreich schon früh und in jeder der drei genannten Hinsichten zu einem historischen geworden; zumal heute ist er nur mehr in seiner Zeitbedingtheit zu verstehen.
Der um 1930 ebenfalls in Deutschland aufkommende, sich mit a. M. nur teilweise deckende (Freiheit, Betonung der Eigengesetzlichkeit, Gegenüberstellung von Inner- und Außermusikalischem) und ebenfalls sehr breitenwirksam gewordene, jedoch primär soziologisch bestimmte Ausdruck autonome Musik (gemeint ist ihre Unabhängigkeit von Funktionen) hat in Österreich keine die Diskussion besonders prägende und somit vergleichbare Rolle erlangt.
C. Dahlhaus, Die Idee der a. M. 1978; A. v. Massow in HmT 1994/95; H. H. Eggebrecht, Die Musik und das Schöne 1997; U. Tadday, Das schöne Unendliche 1999; R. Flotzinger in StMw 44 (1995).