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Akademie der Wissenschaften, Österreichische (ÖAW)
Gelehrtengesellschaft, gegr. 14.5.1847 durch kaiserlichen Erlass als Kaiserliche Akademie der Wissenschaften mit Sitz in Wien; ab 1919 Akademie der Wissenschaften in Wien, seit 31.10.1945 Österreichische Akademie der Wissenschaften. Die ÖAW ist durch ein Bundesgesetz in der österreichischen Rechtsordnung verankert; „Ihre Aufgabe ist es, die Wissenschaft in jeder Hinsicht zu fördern; sie hat bei Erfüllung ihrer Aufgabe den Anspruch auf Schutz und Förderung durch den Bund“ (Bundesgesetzbl. 31/2018, § 2). Die ÖAW besteht seit Jahrzehnten aus zwei eng verzahnten Hauptbereichen: die Gelehrtengesellschaft und die ÖAW als Forschungsbetrieb. 2013 wurde beschlossen, die beiden Bereiche deutlicher voneinander abzugrenzen. Die Leitung der ÖAW obliegt dem Präsidium (Präsident, Vizepräsident, zwei Klassenpräsidenten). Zur Unterstützung in Grundsatzfragen steht der ÖAW seit 2005 der Senat zur Seite, für die Überwachung der Geschäftsführung ist der 2008 als Strategie- und Planungskommission ins Leben gerufene Akademierat (seit 2011), ähnlich einem Aufsichtsrat, zuständig. Die Sicherung der Fortentwicklung und Qualität der Forschungstätigkeit obliegt seit 2008 dem Forschungskuratorium; in Finanzfragen beriet 2008–16 weiters ein Finanzkuratorium (ersetzte die 1871 eingesetzte Rechnungskontrollkommission). Hauptsitz der ÖAW ist seit 29.10.1857 das ehemalige Hauptgebäude der Universität (heute Wien I, Dr. Ignaz Seipel-Platz 2); die Forschungseinrichtungen sind jedoch auf ganz Österreich verteilt. Die ÖAW als Gelehrtengesellschaft besteht aus zwei Klassen (mathematisch-naturwissenschaftlich und philosophisch-historisch) sowie der Jungen Akademie (seit 2008; bis 2016 Junge Kurie genannt) und umfasste ursprünglich 40 (17 und 23), derzeit maximal 90 w. M. (45 pro Klasse); weiters kann sie 250 k. M. wählen (125 pro Klasse, hiervon höchstens 55 im Inland und höchstens 70 im Ausland) und 24 Ehrenmitglieder (sechs der Gesamtakademie und je neun pro Klasse); über 70 Jahre alte Mitglieder werden in die jeweilige Höchstzahl nicht eingerechnet. Die Junge Akademie besteht aus höchstens 70 auf Zeit gewählten Mitgliedern unter 45 Jahren. Die ÖAW als Forschungsbetrieb setzt sich aus Instituten und Kommissionen zusammen. Den derzeit (2022) 25 Instituten – oftmals unterteilt in Abteilungen, Forschungsbereiche und Arbeitsgruppen – steht eine wechselnde Anzahl an Kommissionen gegenüber, die sich bestimmten Themenfeldern von wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz widmen und Politik sowie Öffentlichkeit beraten; sie setzen sich aus ÖAW-Mitgliedern und externen Experten unterschiedlicher Disziplinen zusammen. Den Instituten stehen Direktoren vor, die gemeinsame Anliegen in der Institutsdirektorenkonferenz beraten. Die wissenschaftliche Tätigkeit der einzelnen Institute wird regelmäßig durch deren Scientific Advisory Boards (externe Forschungsbeiräte) bewertet.

Bereits mit der 1849 erfolgten Wahl von R. G. Kiesewetter zum k. M. wird das Interesse der Akademie an der Musikwissenschaft dokumentiert; 1862 erfolgten die Wahlen (ebenfalls jeweils zu k. M.) des Mozart-Biographen O. Jahn (klassische Philologie) und von Charles Edmond Henri de Coussemaker (Musikwissenschaft). 1919 wurde R. Lach als erster Musikwissenschaftler im modernen Sinn zum k. M., 1946 E. Schenk zum w. M. gewählt; seit 1847 wurden insgesamt sechs Musikwissenschaftler zu w. M., 20 zu k. M. in die ÖAW gewählt (siehe Anhang).

Mit der Einsetzung der Phonogrammarchivs-Kommission 1899 (heute Phonogrammarchiv, 1972 erfolgte die Abspaltung der Kommission für Schallforschung [seit 1999 Institut]) entstand die erste musikwissenschaftlich arbeitende Forschungsabteilung der ÖAW; ihr folgte 1921–38 die Kommission zur Herausgabe der in den Kriegsgefangenenlagern aufgenommenen Gesänge. 1944 wurde die Kommission für Musikforschung (ursprünglich als Zentralstelle für Schubert-Forschung konzipiert) eingesetzt; erster Obmann war der damalige ÖAW-Sekretär, der Germanist Dietrich von Kralik-Meyerswalden (1884–1959), dem 1946 E. Schenk folgte (ab 1974 F. Grasberger, ab 1981 O. Wessely, ab 1998 F. Födermayr, ab 1999 R. Flotzinger, 2006 B. Lodes (interimistisch), ab 2006 G. Gruber). Die Kommission war 2006–12 dem Zentrum Kulturforschungen zugeteilt und 2013–19 eine von zwei Abteilungen des neu gegründeten Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen (IKM), dem der Kunsthistoriker Werner Telesko 2013–17 als Direktor vorstand. Leiterin der Abteilung Musikwissenschaft ist seit 1.1.2013 B. Boisits, 2013–17 stellvertretende Direktorin und 2018/19 interimistische Direktorin des IKM. Mit 1.1.2020 erfolgte die Auflösung des IKM und die Eingliederung der Abteilung Musikwissenschaft, nebst anderen Forschungseinrichtungen, in das Austrian Centre for Digital Humanties (ACDH), das in Austrian Centre for Digital Humanties an Cultural Heritage (ACDH-CH) umbenannt wurde. Nur kurz (1989–94) bestand eine Kommission für Kunst- und Musiksoziologie an der ÖAW.

Die Arbeit der Abteilung Musikwissenschaft konzentriert sich v. a. auf die österreichische Musiküberlieferung und Musikgeschichte in zentraleuropäischer Perspektive; in diesem Sinne ist auch die Erarbeitung des Oesterreichischen Musiklexikons (5 Bde. 2002–06, online seit 2002) zu verstehen. Auch die GA.n österreichischer Komponisten (W. A. Mozart, Fr. Schubert, J. J. Fux, J. Haydn, Chr. W. Gluck und A. Schönberg) werden von der ÖAW gefördert, die Wiener Arbeitsstelle der Schubert-GA wurde zunächst als Unternehmung der phil. hist. Klasse geführt und ist seit Herbst 2006 der Kommission für Musikforschung angegliedert. Seit 1902 sind die DTÖ durch Delegation mit der ÖAW verbunden (bis 2014 Th. Antonicek); das Anton Bruckner Institut Linz stand bis Ende 2006 unter der Patronanz der ÖAW und war in den Räumen der Kommission für Musikforschung untergebracht. Seit 1.1.2007 besteht an deren Stelle eine Bruckner-Arbeitsstelle an der Kommission bzw. Abteilung, die seit 1.4.2008 auch eine Arbeitsstelle für die GA der Werke von J. J. Fux beherbergt; 2008–20 gab es auch die Wiener Arbeitsstelle der A. Webern-GA. Mit 1.12.2011 wurde die Wiener Arbeitsstelle der J. Brahms-GA an der Kommission errichtet.

Weitere Projekte beschäftigen sich mit kulturwissenschaftlichen (Musik – Identätit – Raum, Musik in habsburgischer Repräsentation), wissenschaftsgeschichtlichen (E. Hanslick, G. Adler, Musikwissenschaft) und musikikonographische Fragestellungen bzw. dienen der Quellenerschließung (mittelalterliche Handschriften, Kirchenmusikarchive in Oberösterreich [RISM]). Für eine genauere Beschreibung siehe www.oeaw.ac.at.


Ehrungen
Mitglieder (Musikwissenschaft bzw. -geschichte): J. Marx: Ehrenmitglied 1956; Th. Antonicek w. M. 1995 (k. M. 1984); F. Grasberger w. M. 1977 (k. M. 1974); G. Gruber w. M. 2005 (k. M. 1993); E. Schenk w. M. 1946 (k. M. 1944); O. Wessely w. M. 1982 (k. M. 1967); Federico Celestini 2021 (k. M. 2018); Guglielmo Barblan (1909–78) k. M. 1973; Charles van den Borren (1874–1966) k. M. 1947; Ch. E. H. de Coussemaker (1805–76) k. M. 1862; Andrea della Corte (1883–1968) k. M. 1956; Hans Heinrich Eggebrecht (1919–2000) k. M. 1984; H. Federhofer k. M. 1979; R. Flotzinger k. M. 1989; F. Födermayr k. M. 1983; Jiří Fukač k. M. 1999; W. Graf k. M. 1962; Hans-Joachim Hinrichsen k. M. 2009; R. G. Kiesewetter k. M. 1849; R. Lach k. M. 1919; Silke Leopold k. M. 2013; Andrea Lindmayr-Brandl k. M. 2012; B. Lodes k. M. 2008; Ján Racek (1908–79) k. M. 1956; Matthias Schmidt k. M. 2017; Franz Arnold Schmitz (1893–1980) k. M. 1957; Melanie Unseld k. M. 2019.
Literatur
J. Feichtinger et al. (Hg.), [Kat.] Die A. d. W. in Wien 1938 bis 1945, 2013; H. Karner et al., Die ÖAW. Das Haus und seine Gesch. 2007; H. Kopetz, Die ÖAW. Aufgaben, Rechtsstellung, Organisation 2006; O. Hittmair/H. Hunger (Hg.), A. d. W. 1997; H. Matis, Zwischen Anpassung und Widerstand 1997; L. Krestan, Die Mitglieder und Institutionen der Akad. 1972; Th. Antonicek, Musik im Festsaal der ÖAW 1972; R. Wagner-Rieger, Das Haus der ÖAW 1972; R. Meister, Geschichte der A. d. W. in Wien 1847–1947, 1947; A. Huber, Gesch. der Gründung und der Wirksamkeit der Kaiserlichen A. d. W. 1897; R. Flotzinger in I. v. Foerster et al. (Hg.), Musikforschung. Faschismus. Nationalsozialismus 2001, bes. 106–111; Bundesgesetzbll. 569/1921, 115/1947, 130/2003 u. 31/2018; Satzung und Geschäftsordnung der ÖAW (in den 6/2022 gültigen Fassungen); https://derstandard.at (5/2018); www.oeaw.ac.at (6/2022).

Autor*innen
Elisabeth Th. Hilscher
Christian Fastl
Letzte inhaltliche Änderung
13.6.2022
Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Th. Hilscher/Christian Fastl, Art. „Akademie der Wissenschaften, Österreichische (ÖAW)“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 13.6.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00020c5a
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Haupthaus der ÖAW, Dr. Ignaz Seipel-Platz 2 (Wien I), um 1900© Bildarchiv Austria, ÖNB

DOI
10.1553/0x00020c5a
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