Logo ACDH-CH
OeML Schriftzug
Logo OeML
Logo Verlag

Augustin, LieberAugustin, Lieber
Eine ebenso legendäre wie charakteristische Figur der jüngeren Wiener Geschichte: Er soll im Pestjahr 1679 betrunken in eine Totengrube gefallen sein (s. Abb.), ohne zu erkranken. Heute nicht mehr ernst zu nehmende Identifizierungsversuche gehen u. a. von einem zwischen 1645 und 1685 lebenden Wiener Straßensänger, Sackpfeifer und Stegreifdichter aus, in einem weiteren Fall ist man sich nicht einmal über den Namen einig (Max Augustin oder Augustin Marx, 1643–1705). In dieser sagenhaften Person sieht man oft sogar den Autor eines – andernfalls als „alte Volksweise“, „alte Drehermelodie“ o. ä. bezeichneten – weit verbreiteten und z. B. im Salzkammergut als Kehraus zu den Schleunigen gern gesungenen Tanzliedes mit dem Textbeginn „O du lieber Augustin“. Eine derartige Selbst-Thematisierung wäre von vornherein recht unwahrscheinlich, eher ist von einer nachträglichen Bezugnahme auf eine sagenhafte (die betreffende Wiener Sage müsste dann älter sein als das Lied, und dieses könnte auf 1679 bezogen werden) oder literarische Figur auszugehen. Wohl davon angeregt hat E. Schenk in der Melodie „Bauelemente des 17. Jh.s“ (der sog. Bergamasca) nachzuweisen und vollends die Beziehungen zum Schleunigen bereits ins 17. Jh. zu verlegen versucht. Dies und auch, dass das Lied bereits 1670 auf dem Kölner Karneval gesungen worden sei, ist jedenfalls äußerst unwahrscheinlich. Vielmehr ist es erst gegen 1800, und zwar als Theaterlied in Böhmen erstmals nachgewiesen (Singspiel Honza Kolohnát z Prelouce [Hanns Klachel von Przelautsch] von Vinzenz F. Tuczek nach Karl Franz Guolfinger v. Steinsberg, 1795/97 Prag, Teplitz). Daher weist es wohl nicht zufällig alle Charakteristika des damals aufkommenden Wiener Walzers auf.
Gedenkstätten
A.platz (Wien VII).
Literatur
A. Czerwinski, Geschichte der Tanzkunst 1862, 209; F. M. Böhme, Geschichte des Tanzes in Deutschland 1886; W. Tappert, Wandernde Melodien 1890; Schenk in Zs. Volkslied–Volkstanz–Volksmusik 49 (1948); E. Löbl, Verlorenes Paradies 1924, 206; K. Recheis, Sagen aus Österreich 1970; A. Dawidowicz/J. Sulz, Komm sing mit 2 (1975); H. Goertz/G. Haid, Die schönsten Lieder Österreichs 1979; ÖL 1995; MGG 9 (1998), 1881.

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
30.3.2022
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „Augustin, Lieber‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 30.3.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001f77c
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
‚Lieber Augustin‘ und Zither als Symbole der Musikstadt Wien. Ausschnitt aus Sgraffito-Wandbild (1956/57, nicht bezeichnet; Wohnhaus-Wiederaufbaufonds). Franz-Hochedlinger-Gasse 2 / Untere Augartenstraße 10 (Wien II)© Björn R. Tammen
© Björn R. Tammen
Gewerbe im Alten Wien, Ausschnitt aus Sgraffito-Wandbild (nicht bezeichnet; Wohnhaus-Wiederaufbaufonds). Rotensternstraße 7 (Wien II)© Björn R. Tammen
© Björn R. Tammen
Karl Nieschlag, Kardinal Nagl und Lieber Augustin, Mosaikwandbild (1967, Wohnhaus-Wiederaufbaufonds). Erdbergstraße 92, Ecke Kardinal-Nagl-Platz 10–12 (Wien III)© Björn R. Tammen
© Björn R. Tammen
© Monika Kornberger
© Monika Kornberger

DOI
10.1553/0x0001f77c
GND
Augustin, Lieber: 120178680
OBV
Weiterführende Literatur

ORTE
Orte
LINKS
ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft

Publikationen zur Musikwissenschaft im Verlag