Musik und Gesang begleiteten alle wesentlichen Ereignisse im Leben der Römer: religiöse und profane Zeremonien, Feste und Gelage, theatralische Aufführungen jeder Art, Spiele im Zirkus und Amphitheater, Totenfeiern, den Marsch des Heeres, rhythmisch zu verrichtende Arbeiten wie Rudern, Mähen, Spinnen, Stampfen von Weintrauben etc. Römische Lyrik und auch Theaterdichtung sind ohne die Begleitung von Gesang und Musik nicht vorstellbar.
Originalinstrumente sind aus Österreich nur wenige erhalten: Aus Ovilava (heute Wels) und Virunum (Gebiet des heutigen Zollfeldes/K) sind fast komplette Cornua erhalten, aus Carnuntum (heute Petronell-Carnuntum/NÖ) Röhrenfragmente und Tüllen aus Bronze. Von zahlreichen Fundplätzen sind kleine Pfeifchen aus Tierknochen (meist Vogelknochen) bekannt. Bemerkenswert ist eine Flöte aus Flavia Solva (Gebiet des heutigen Wagna bei Leibnitz/St). Glocken finden sich allenthalben, dienten aber nicht ausschließlich als Schallinstrumente, sondern wurden selbstverständlich auch Herdentieren umgebunden.
Auf zahlreichen Reliefsteinen, in Wandmalerei und Mosaik, in der Kleinplastik und auch auf der reliefverzierten Keramik sind musikalische Szenerien dargestellt, die ein reiches Musikleben belegen. Dargestellt werden Tuba, Lyra, Kithara, Tibia, Tympanon, Kymbala, Krotala, Syrinx u. a.
Die inschriftlichen Hinweise auf Musiker stammen aus dem militärischen Bereich. Dabei handelt es sich fast immer um Trompeter und Hornisten. Die Musikanten schlossen sich in Collegien zusammen und verstanden es, eigene Vorrechte zu erwerben und zu verteidigen. Da die Heeresmusiker im Gefecht vorne positioniert waren, erhielten sie wegen der erhöhten Gefahr den doppelten Sold.
Blasinstrumente: Cornu: größtes Instrument des römischen Heeres, das seinen Träger weit überragt. Klangkörper mindestens 3 m lang und zu einem Kreis gerollt, gehalten wird das Cornu an einer querlaufenden Tragestange. Der Klang wird als dumpf („raucum“, „murmur“) beschrieben. Verwendung beim Aufmarsch des Heeres und im Amphitheater, dort meist zusammen mit einer Wasserorgel (hydraulis). Röhrenfragmente und Tüllen aus Bronze in Carnuntum erhalten. – Tuba: gerade verlaufendes Trompeteninstrument, Klang aufreizend und grell („acris“, „raucidus“, „terribilis“, „horridus“, „minax“). Wird für einen sanfteren Klang mit einem Dämpfer bespielt. Lautmalerei bei Ennius (Frgt. 140, V): „At tuba horribili sonitu taratantara dixit“ (frei: „Aber die Tuba blies mit schrecklichem Klang ihr ‚taratantara‘“). Grabsteine des Marcus Praeconius Iucundus und des C. Valerius in Carnuntum. – Der geschweiftelituus und die wie eine moderne Trompete gebogene bucina sind im römischen Österreich bisher nicht nachgewiesen. – Tibia (aulos): erscheint meist in Doppelform (s. Abb.). Entspricht einer Schalmei. Leicht näselnder Klang; wird in erster Linie bei Opferhandlungen nach streng vorgeschriebenen Regeln gespielt und wie Syrinx und Querflöte dem dionysischen Bereich zugeordnet (St. Johann bei Herberstein/St, Stallhofen/St). – Syrinx oder Panflöte: das eigentliche Hirteninstrument aus verschieden langen Rohren findet sich auf einem Fresko aus Virunum. Ein Vidasus-Silvanus aus Carnuntum spielt die Syrinx, Paris erscheint als Syrinxspieler (Relief in Graz-Eggenberg aus Bad Waltersdorf/St); musikalischer Wettstreit zwischen zwei Hirten mit Syrinx und Flöte (Fresko vom Magdalensberg, Klagenfurt, Landesmuseum). Häufig auch von Satyrn gespielt (Satyr auf dem Dionysosmosaik aus Virunum, Klagenfurt, Landesmuseum).
Saiteninstrumente: Lyra und Kithara: Lyra, das kleinere und leichtere Instrument, gerne von den Musen gespielt (Relief in St. Johann bei Herberstein). Die Kithara als das eigentliche Virtuoseninstrument wird vornehmlich von Apollo, dem Gott der Schönen Künste, aber auch von Orpheus und von Herkules als Musenführer gespielt (verlorenes Relief aus Vindobona mit Apollo, Greif und drei Nymphen; Greif mit Halterung für Kithara vom Magdalensberg, Wien, KHM; Herkules Musarum in Seggauberg/St [s. Abb.]; Orpheus aus Lauriacum im Schlossmuseum Linz; plastische Bronzekithara als Rest einer Apollostatuette im Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg/NÖ).
Schlag-, Rassel- und Rhythmusinstrumente: Tympanon: Handtrommel mit auf einem Rahmen gespannter und oft ornamental bemalter Tierhaut. Der Rahmen oft noch mit Schellen oder kleinen Kymbala versehen. Wird fast ausschließlich den Satyrn und ekstatisch tanzenden Mänaden im Gefolge des Dionysos zugeordnet (Mänaden in Karnburg/K, St. Marein bei Graz/St, Zweikirchen/K, Tiffen/K; Satyr auf dem Dionysosmosaik aus Virunum im Landesmuseum in Klagenfurt). – Kymbala: Metallbecken, die rhythmisch gegeneinander geschlagen werden. Besonders von Mänaden verwendet (Tanzende nackte Mänaden in Tiffen [s. Abb.] und in Maria Saal/K). – Krotala: Stab- oder Metallklappern, die wie Kastagnetten verwendet werden. Auch sie treten fast ausschließlich im dionysischen Bereich auf. – Sistrum: Metallrahmen mit Klirrstäben, ganz speziell der Isis zukommendes Rhythmusinstrument. – Glocken und Glöckchen: dienen nicht nur den Herden, sondern auch als apotropäische, Übel abwehrende Schallinstrumente.
Die Wirkung der römischen Musik muss sinnlich, anregend und aufreizend gewesen sein, da die christlichen Kirchenväter allenthalben gegen die„cantica diabolica, turpia et amatoria" [die diabolischen, schändlichen und erotischen Gesänge] wetterten.
MGÖ 1 (1995); F. Behn, Musikleben im Altertum und frühen Mittelalter 1954; G. Ciurletti in R. Dalmonte (Hg.), Musica e società nella storia trentina 1994; K. Póczy in [Fs.] Thuri Lorenz 1997.