(I) Nicht nur aufgrund der Tatsache, dass die Anfänge von Österreich im Herzogtum B. gelegen waren, bzw. wegen der geographischen Nachbarschaft und wechselnden Zugehörigkeit bestimmter grenznaher Gebiete (z. B. des Innviertels) weisen Österreich und B. Gemeinsamkeiten in der Musikgeschichte auf. Weitere Gründe liegen in den länderübergreifenden Territorien des Erzbistums Salzburg (gehörte zum bayerischen Reichskreis) sowie des Salzburg unterstellten Bistums Passau, was überregionale Choraltraditionen (Choral) zur Folge hat (vgl. etwa den Geltungsbereich des Graduale bzw. Antiphonale Pataviense, gedruckt in Wien 1511 bzw. 1519), oder in Verbindungen der Klöster untereinander (so hatte Kremsmünster enge Kontakte zu St. Emmeram in Regensburg/D). Des weiteren bewirkt im Mittelalter auch der insbesonders nach Westen abgegrenzte zentraleuropäische Kulturraum musikalische Gemeinsamkeit. Minnesänger wie Walther v. der Vogelweide oder Neidhart v. Reuenthal sind sowohl in bayerischen wie in österreichischen Gebieten anzutreffen. Nachdem noch im späten 14. Jh. einfache organale Praktiken schriftlich belegt sind, entwickelte sich die Mehrstimmigkeit ab dem frühen 15. Jh. Der Hauptschreiber und Besitzer des St. Emmeramer Mensural-Codex H. Poetzlinger ist 1436–1438/39 in Wien nachweisbar, sein Codex ist die Hauptquelle für den Wiener Kantor H. Edlerawer. J. Wiser aus München, Hauptschreiber der jüngeren Gruppe der Trienter Codices, bringt im Bereich des deutschen Liedes und der Lektion fränkisch-bayerische Traditionen ein. Aus Kaiser Maximilians I. Hofkapelle (1520 aufgelöst) kam 1523 L. Senfl als Hofkomponist in die Münchner Hofkapelle, der im Jahr 1508 eventuell auch P. Hofhaimer angehört hat. Hofhaimer, ab 1480 Hoforganist in Innsbruck, ist 1502–06 und 1519–21 in Passau, 1508–18 in Augsburg und spätestens ab 1524 als Domorganist in Salzburg tätig. Weitere beiderseits der Landesgrenzen nachweisbare Musiker des 16. Jh.s sind L. Paminger, W. Schmeltzl (aus Kemnath/Oberpfalz), die Brüder M., H. und C. Newsidler (zwischen 1507 und nach 1508 in Pressburg geboren, sind später in den Reichsstädten Nürnberg und Augsburg ansässig), schließlich der Organist Wilhelm Hurlacher (* München, 1553–57 als Organist in Neustift bei Brixen, † 1581 in Innsbruck ). Ebenso lassen viele Musiker jenseits der Grenzen drucken (z. B. der Tiroler B. Amon in München, Schmeltzls Quodlibetsammlung 1544 in Nürnberg, O. di Lassos letzter Motettendruck 1594 bei Widmannstetter in Graz, Widmanstetter hatte seit 1564 bei Adam Berg in München gelernt). Die engen Kontakte rissen auch in der 1. Hälfte des 17. Jh.s nicht ab, obwohl das Musikleben durch den Dreißigjährigen Krieg Einschränkungen unterworfen war. So war Chr. Erbach jun. aus Augsburg 1633/34 Organist im Praemonstratenserstift Schlägl. Insbesondere der Instrumentenbau stagnierte nicht: Passauer Meister waren in Österreich als Orgelbauer tätig (J. G. Freundt 1636–42 in Klosterneuburg, das Stift Reichersberg bestellte 1637 bei dem ebenfalls in Passau ansässigen A. Putz ein Instrument). Schon vorher hatte der bis 1605 in Füssen tätige Hans Schwarzenbach v. a. den Tiroler Raum mit Orgeln beliefert. V. a. die Füssener Streichinstrumentenbauer breiteten sich in ganz Europa aus: in Vils/T (ab ca. 1700) sind Meister aus Füssener Familien tätig, die Wiener Geigenbauer J. G. Thier und F. Geißenhof stammen aus Füssen.
(II) Klösterliche Musikpflege nahm mit dem Eingang der Figuralmusik im 16. Jh. einen besonderen Aufschwung. Das schwäbische Reichsstift Wettenhausen verfügte früh über einen großen Musikalienbestand, mit Werken u. a. von J. Stadlmayr. Die Residenzstädte Günzburg/D und Burgau/D (vorderösterreichische Besitzungen in Schwaben) unterhielten Hofkapellen, später waren sie theatergeschichtlich von Bedeutung. In den Klöstern wurden neben den Werken der ansässigen Klosterkomponisten auch Werke Wiener und Salzburger Provenienz gepflegt. Meinrad Spiess bezeugt in seinem Traktat (1745), dass man in Irsee an Wiener Kompositionen „einen ziemlich großen Vorrath“ besaß. Der Salzburger Einfluss begründet sich auch in der Diözesanstruktur, die im Norden den Streifen an der Salzach entlang sowie im Westen bis an den Chiemsee reichte. In den Kollegiatstiften Laufen und Tittmoning waren besonders die Werke M. Haydns verbreitet. Enge Beziehungen zu Salzburg unterhielt auch die Benediktinerabtei Seeon, neben M. Haydn v. a. zu dem aus Inzell stammenden Salzburger Hoforganisten A. C. Adlgasser; W. A. Mozart schrieb für Seeon zwei Offertorien (KV 34 und 72/74f). Die Diözesanstruktur des Passauer Bistums umfasste bis 1783 fast ganz Ober- und Niederösterreich. Georg Muffat kam über Wien 1678 als Hoforganist an die Bischöfliche Kapelle in Salzburg, bevor er 1690 Hofkapellmeister in Passau wurde. Sein Nachfolger wurde 1705 der in Kitzbühel/T gebürtige B. Aufschneiter.
V. a. Augustiner-Chorherren-Klöster (u. a. Ranshofen, Reichersberg, Polling, Diessen) sowie die Zisterzienser spielten eine besondere Rolle im Austausch von Musikalien und Musikern über die bayrisch-österreichischen Landesgrenzen hinweg, hier insbesonders das Zisterzienserkloster Stams in Tirol. Bayerische Klösterbestände lassen sich durch Stamser Quellen ergänzen; es finden sich z. B. Werke des aus Meran stammenden Andechser Benediktiners N. Madlseder, der beiden Füssener Magnus Schnitzer (1755–1827) und Gallus Zeiler (1705–55), F. S. Haindl sowie Kompositionen aus dem Fürststift Kempten (F. X. Richter, Josef Ignaz Bieling). Austausch brachten auch politische Ereignisse: der in Folge des bayerischen Erbfolgekrieges geschlossene Friede von Teschen (1779) brachte das bis dahin bayerische Innviertel und Hausruckviertel zu Österreich. Zu erwähnen ist ferner das Stift Heilig Kreuz in Augsburg, dem W. A. Mozart mehrere Werke zur Abschrift überließ (KV 192 [186f], 220 [220b], 222 [205a], 125, 243), wodurch Augsburg ein Zentrum der Mozart-Rezeption wurde.
Der Beginn einer dauerhaften Opernpflege in München lässt sich mit der ersten Oper L’arpa festante des Hofkaplans und Hofharfenisten Giovanni Battista Maccioni (1653) ansetzen. 1654 wurde das neue Opernhaus am Salvatorplatz mit La ninfa ritrosa eröffnet. Der an der Wiener Hofmusikkapelle ausgebildete J. K. Kerll erweiterte die Hofmusik, führte die italienische Oper in München zur Blüte. Die Musik von Kerlls zehn Münchener Opern ist verloren. Kerlls Nachfolger waren Agostino Steffani (1681–88 Kammermusikdirektor) sowie G. A. Bernabei (1688–1732 Hofkapellmeister). Mit der 1692 von Kurfürst Max Emanuel (1679–1726) in Brüssel angetretenen Statthalterschaft der Spanischen Niederlande sowie der späteren Besetzung Münchens durch österreichische Truppen nach der französisch-bayerischen Allianz und das anschließende Exil des Kurfürsten reduzierte sich die Hofmusik in München bis zur Rückkehr 1715 fast gänzlich auf Kirchenmusik.
1753 wurde das von François Cuvilliés erbaute Residenztheater mit Giovanni Ferrandinis Catone in Utica eröffnet. W. A. Mozart brachte 1775 die Faschingsoper La Finta giardiniera im Salvatortheater (nicht im Redoutensaal) zur UA, 1781 erklang im Residenztheater erstmals sein Idomeneo. Seine Entführung und Zauberflöte hatten jeweils bald nach den UA.en ihre Münchener EA: 1785 bzw. 1793. Das Vorhaben des Weinwirts Albert, Mozart durch Spenden wohlhabender Bürger, also unabhängig vom Hof, an München zu binden, wurde von L. Mozart jedoch vereitelt. 1778 übersiedelte mit dem Mannheimer Hof ein Großteil der berühmten Hofkapelle nach München.
Der Beginn des 19. Jh.s brachte mit der Säkularisation und Mediatisierung einschneidende Veränderungen in der Musikausübung. Nicht nur wurde die Jh.e lange Tradition der Musikausübung in den Klöstern abgeschnitten, auch die verbleibenden Hofkapellen der geistlichen und weltlichen Territorien wurden endgültig aufgelöst. Das bürgerliche Musikleben konnte das entstehende Vakuum nur selten ausgleichen. München wurde nicht nur politisches, sondern auch künstlerisches Zentrum B.s. Im 1818 eingeweihten National- und Hoftheater herrschte das italienische Repertoire vor. Das dem Hof angegliederte, unter der musikalischen Leitung von P. v. Lindpaintner stehende Theater am Isartor spielte Volksstücke, Possen und Singspiele; Direktor war C. Carl, der spätere Leiter des k. k. Carltheaters an der Wien. 1831–35 trat F. Raimund in München auf. Dem Qualitätsverfall im Nationaltheater wurde erst durch die Berufung des dem Wiener Schubertkreise angehörenden F. Lachner Einhalt geboten (1852 Generalmusikdirektor). Mit Lachner wurde das Repertoire v. a. um die zeitgenössische deutsche romantische Oper erweitert; aber auch G. Verdi und die frühen Werke Rich. Wagners brachte er zur Aufführung, der ihn gleichwohl mit seinem Erscheinen in München 1864 in den Hintergrund drängte. Tristan und Isolde (1865) sowie Die Meistersinger von Nürnberg (1868) wurden hier durch H. v. Bülow uraufgeführt. 1876 wurden die ausschließlich Wagner gewidmeten Bayreuther Festspiele, 1901 die Münchner Festspiele initiiert, bei denen außer Mozart und Wagner im Jahr 1910 das Opernschaffen von R. Strauss vorgestellt wurde. Strauss war 1919–24 Leiter der Wiener Staatsoper, gehörte ferner zum Gründungskomitee der Salzburger Festspiele. Zu erwähnen sind von den zahlreichen UA.en in München die der Vierten (1901) und Achten Symphonie (1910) von G. Mahler unter Leitung des Komponisten sowie des Liedes von der Erde (1911) unter B. Walter, jeweils mit dem Kaim-Orchester (den nachmaligen Münchner Philharmonikern). Eine genuin Münchner Erscheinung war die sich ca. 1900 um den aus Bozen stammenden L. Thuille bildende Komponistenschule, die als Münchner Schule bekannt geworden ist – diese Komponisten suchten die Errungenschaften der Neudeutschen Schule mit einer eher klassizistischen Haltung in Einklang zu bringen. C. Krauss wurde 1938 Intendant, 1943 Generalintendant an der Bayerischen Staatsoper. Schon vorher wirkte der Grazer K. Böhm hier als Kapellmeister (1921–27); der spätere Generalmusikdirektor und Intendant W. Sawallisch war bis 1970 Chefdirigent der Wiener Symphoniker.
MGG 1 (1949–51) u. 1 (1994); F. Lipowsky, Baierisches Musik-Lex. 1811; Denkmäler der Tonkunst in B., Einleitungen; Kat.e bayerischer Musikslgn., Einleitungen; F. Krautwurst in G. Pfeiffer (Hg.), Nürnberg, Geschichte einer europäischen Stadt 1971; R. Münster/H. Schmid (Hg.), Bayerische Musikgeschichte 1972; R. W. Schmidt in Musik in B. 23 (1981); H. Schmid in M. Spindler/A. Kraus, Hb. der Bayerischen Geschichte21981ff; F. Krautwurst/W. Zorn, Bibliographie des Schrifttums zur Musikgeschichte der Stadt Ausgburg 1989; MGÖ 1–3 (1995); H.-W. Schmitz, Passauer Musikgeschichte 1999; J. Focht/E. Heigl (Hg.), Musik in Mittelschwaben einst und jetzt 2000; H. Dopsch in ZHVSt 91/92 (2000/2001).
Stephan Hörner