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Big Band
Große Jazzband mit mehrfach besetzten Bläserstimmen, die während der Swing-Ära aufkam. Swing als Musikstil begann sich in den USA und hier speziell in New York und Kansas City am Anfang der 1920er Jahre zu entwickeln. Wichtige Orchester waren die von Fletcher Henderson, Duke Ellington, Benny Goodman sowie Bennie Moten und Count Basie. In Österreich kann erst nach dem Zweiten Weltkrieg von einer Swingrezeption gesprochen werden, Vorläufer dieser Musik waren aber bereits ab den frühen 1920er Jahren in Wien zu hören. Im Frühjahr 1922 spielte etwa das Syncopated Orchestra unter der Leitung von Will Marion Cook im Metropoltheater des Wiener Praters. Dieses Orchester bestand bereits aus 30–40 Personen, darunter Sänger und Tänzer. Eines der ersten lokalen Ensembles, das jazzähnliche Musik gespielt hat, gründete der 1897 in Budapest geborene Violinvirtuose Edi v. Csoka. Weitere Ensembles waren u. a. die Formationen von Sami Stern und D. Dauber, die Florida Band des Trompeters Festl-Hohenfels und die Orchester von B. Sax, Ch. Gaudriot, L. Jaritz und D. Mathe. Außer bei B. Sax, bei dem einige der fähigsten Jazzmusiker Wiens spielten (J. Wimmer [tp], Fred Küssling [tp], Friedrich Meisinger [tb], Heinrich Blaser [sax], E. Landl [p]), hatte die Musik, die diese Bands gespielt haben, oft wenig mit Jazz tun. Im Vordergrund standen Tanzmusik, Schlager, Volkslieder bis hin zu Bearbeitungen von Sergej Rachmaninow und R. Stolz. Die erste B. B. im Swingstil trat im Herbst 1938 unter der Leitung des Geigers F. Höndl im Wiener Kursalon auf. Mitglieder waren u. a. Franz Cadek (dr), Georg Schauhacker (p), O. Serhak (tp) und der damals 17-jährige Saxophonist H. Koller. Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland im März 1938 war vom Reichssendeleiter Eugen Hadamowski ein Jazzverbot erlassen worden, was zu einem intensiven Jazzleben im „Untergrund“ führte. Viele Tanzkapellen und Orchester spielten weiterhin Swing, zur besseren Tarnung wurden jedoch die Titel der Musikstücke abgeändert. Wichtige Ensembles Anfang der 1940er Jahre waren die Formationen von H. Mytteis (viol) und E. Landl (p). 1943 wurde am Reichssender Wien (Außenstelle der Deutschen Europasender) zu Propagandazwecken ein Tanzorchester ins Leben gerufen, das den offiziellen Auftrag erhielt, amerikanisch klingende (Jazz-) Musik zu produzieren. Nach Kriegsende formierte sich daraus eine neue B. B. unter der Leitung von L. Babinski. Mit Hilfe der sowjetischen Militäradministration wurde mit diesem Orchester die Konzertreihe Hallo! Swing, Swing organisiert, die Leitung übernahmen E. Landl und L. Babinski. Wichtige Spielstätten für österreichische Jazzmusiker wurden aber nach und nach die Offiziers- und Soldatenclubs der westlichen Besatzer in Wien, Linz und Salzburg. Populäre Ensembles waren jene von Joe Ribari, R. Heidenkommer, O. Serhak, B. Bahr, R. de Conti, H. Neroth, Rudi Regen, Ch. Kaufmann, G. Last, F. Fox, V. Ducchini, Fred Clement und H. Winter. Winter kam Ende 1945 nach Wien und gründete mit E. Landl als Co-Leader eine B. B. Das Wiener Tanz Orchester (WTO) wurde schließlich auf 11 Musiker reduziert und startete mit einer Mischung aus sentimentalen Schlagern und Jazz-Originals eine für damalige Begriffe einzigartige Erfolgsserie. Dazu kamen unzählige Plattenaufnahmen für Elite Special und eine Reihe von Konzerten im Wiener Konzerthaus. Nach Unstimmigkeiten zwischen dem Elite Special-Produzenten H. G. Mendelsohn und H. Winter übernahm 1949 E. Halletz die Leitung des WTO. H. Winter gründete Anfang 1950 eine eigene Formation, das Horst Winter Tanzorchester (HWT). Mitmusiker waren u. a. H. Koller, R. Priessnitz, V. Plasil, K. Kowarik, K. Drewo, R. Hansen und J. Zawinul. Im August 1949 gründete J. Fehring, der zuvor im Tanzorchester von W. Heidrich gespielt hatte, zusammen mit T. Windholz ein eigenes Ensemble, bestehend aus Musikern des Orchesters P. Kreuder, erste Auftritte erfolgten im Wiener Volksgarten. 1950 gewann Fehrings B. B. die Goldene Plakette als bestes Jazzorchester Österreichs beim RAVAG-Wettbewerb. 1955 Trennung von T. Windholz, woraufhin Fehring die B. B. umgestaltete. Das Kernstück des neuen Orchester Johannes Fehring bildete das Sextett der Austrian Allstars , was dazu führte, dass das Orchester trotz kommerzieller Tätigkeit für Film und Plattenindustrie europaweit Bekanntheit erlangte. Höhepunkt im Bestehen des Orchesters waren die vier Konzerte mit Ella Fitzgerald in der Wiener Stadthalle 1959. Ähnlich wie die Formationen von H. Winter galt das Orchester Johannes Fehring als gut fundierte Ausbildungsstätte für ambitionierte Musiker. Weitere Ensembles der Nachkriegszeit waren u. a. das 1949 gegründete Tanzorchester Rot Weiß Rot unter der Leitung von K. Loubé, das Unterhaltungs-Orchester von Radio Wien oder das Kleine Wiener Rundfunkorchester. 1952 hatte das von C. de Groof gegründete symphonische Jazzorchester der RAVAG, später Österreichisches Rundfunk Tanzorchester, Premiere im Wiener Funkhaus. Es folgten Film-, Rundfunk- und Plattenaufnahmen. Im Mai 1964 trat F. Gulda mit dem neu gegründeten Euro Jazz Orchester in Graz und Wien auf. Musiker waren u. a. Freddie Hubbard, Cannonball Adderley, Ron Carter, J. Zawinul und E. Kleinschuster. Zwei Jahre darauf formierte Kleinschuster das Erich Kleinschuster Sextett mit R. Politzer, H. Salomon, H. Neuwirth, R. Hansen und E. Bachträgl, welches mit wechselnder Besetzung zur führenden Jazzgruppe Österreichs der nächsten zwei Jahrzehnte wurde. Rund um das Sextett formierte Kleinschuster 1971 die ORF B. B. mit nationalen und internationalen Stars der Jazzszene. Als weitere bedeutende B. B. Österreichs ist das 1977 von M. Rüegg gegründete Vienna Art Orchestra zu nennen. Als Sammelbecken für junge Talente gingen aus dem Orchester in den letzten drei Jahrzehnten (2008) die wesentlichsten Protagonisten der Szene hervor. Musiker waren u. a. W. Puschnig, H. Sokal, M. Koller, A. Corrêa, J. Sass, K. „Bumi“ Fian, Th. Gansch, Matthieu Michel, Ch. Muthspiel, G. Breinschmid und J. Dudli. Seit 1970 kam und kommt es zur Gründung von zahlreichen weiteren B. B.s mit unterschiedlichen musikalischen Schwerpunkten angefangen bei traditionellem Swing bis hin zur Fusion von zeitgenössischem Jazz, Neuer Musik und Visual Arts, darunter: Stanton B. B. 1970, Teddy Ehrenreich B. B. 1975, B. B. Süd gegründet 1979 von Sigi Feigl, die Original Swingtime B. B. in den 1980er Jahren, Richard Österreicher B. B. 1981, Lungau B. B. gegründet 1983 von Horst Hofer, Albert Kreuzer B. B. und Vienna B. B. Machine 1984, B. B. der Vereinigten Bühnen Wien 1987, Günter Hagauer / The New Austrian B. B. 1989, The Austrian Jazz Orchestra von E. Kleinschuster 1990, Upper Austrian Jazz Orchestra 1991, Nouvelle Cuisine 1996, B. B. Franz Schober 1998 und Jazz B. B. Graz 1999.
Literatur
K. Schulz, Jazz in Österreich 1920–1960, 2003; E. Barta/R. Westphal, Hallo! Swing-Swing! 2004; www.johannesfehring.at (9/2008); www.wikipedia.at (8/2008); eigene Recherchen.

Autor*innen
Georg Demcisin
Letzte inhaltliche Änderung
16.12.2008
Empfohlene Zitierweise
Georg Demcisin, Art. „Big Band‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 16.12.2008, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x001c3259
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x001c3259
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