Logo ACDH-CH
OeML Schriftzug
Logo OeML
Logo Verlag

Brigittakirtag
Volksfest am 4. Sonntag nach Pfingsten, besonders im Wiener Vormärz beliebt. Schon bald nach der Erbauung der Brigittakapelle (1645–51) wurde das zu Ehren der Kapellenpatronin, der Hl. Brigitta, abgehaltene Kirchweihfest (Wien XX, Brigittawaldl) zu einem der größten Volksfeste Wiens. Literatur, Theater und Malerei nahmen sich des beliebten Sujets an, und auch Reisende waren fasziniert vom bunten Treiben, das alljährlich zigtausende Besucher anlockte und im Vormärz seinen Höhepunkt erreichen sollte. In den Auen wurden Schänken und Zelte aufgebaut, Seiltänzer und Gaukler errichteten ihre Gerüste, Feuerwerke, Vogelschießen und Ringelspiele sorgten für Aufregung. Auf den Wiesen und – wie aus der komischen Oper Der Brigitta-Kirchtag von Joseph Richter hervorgeht – auch auf gezimmerten Tanzböden, in Tanzlauben und Tanzhütten wurde getanzt. Am Sonntag fanden sich eher die unteren Schichten ein, am Montag die vornehmere Gesellschaft. Und während in den eleganten Tanzzelten bei teurem Essen relativ gute Orchester spielten, genügte sonst eine Drehorgel, ein Dudelsack, ein Klarinettist und ein Trompeter oder ein Harfenist mit einem Violinspieler. Der oberösterreichische Wunderarzt Carl Rabl (1787–1850) berichtete 1807, dass „bei Pfeifen, Geigen, Leyer, Schallmeyen und Dudelsack landlerisch, deutsch, hungarisch und böhmisch getanzt“ wurde. Des Weiteren wurden nicht nur Bettelmusikanten gesichtet, sondern auch Zitherspieler und nach A. Bäuerle’s Memoiren einige Dutzend [!] Gruppen steirischer und Tiroler Alpensänger. Das Revolutionsjahr 1848 setzte dem ausgelassenen Treiben ein Ende. 1980 gab es allerdings Versuche, den B. wieder neu zu beleben.
Literatur
Czeike 1 (1992); G. Roth, Vom Baderlehrling zum Wunderarzt, Carl Rabl, ein Mediziner im Biedermeier 1971; R. Witzmann in R. Wolfram (Hg.), Veröff. der Kommission für den Volkskundeatlas in Österreich 4 (1976); Wien aktuell 3 (1975), 27f.; J. Bindter (Hg.), Alt-Wiener Kulturbilder. Aus Adolf Bäuerle’s Memoiren 1926; F. Reischl, Wien zur Biedermeierzeit 1921; E. Boas, Reiseblüthen aus der Oberwelt 1928 (NA).

Autor*innen
Gertraud Pressler
Letzte inhaltliche Änderung
22.3.2022
Empfohlene Zitierweise
Gertraud Pressler, Art. „Brigittakirtag‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 22.3.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001f956
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Hermine Aichenegg, Brigitta-Kirtag. Gemeindebau Friedrich-Engels-Platz 17 (Wien XX). Das Sgraffito-Wandbild (1951) basiert auf Motiven aus Franz Grillparzers Novelle Der arme Spielmann (1848).© Björn R. Tammen
© Björn R. Tammen

DOI
10.1553/0x0001f956
ORTE
Orte
LINKS
ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft

Publikationen zur Musikwissenschaft im Verlag