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Eisenstadt
Ort am Südhang des Leithagebirges im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet; 1264 erstmals urkundlich erwähnt, seit 1373 Stadtrecht, heute Hauptstadt des Burgenlandes.

Der Name bezieht sich metaphorisch auf den (um 1371 zusammen mit der Burg errichteten) „eisernen“ Befestigungswall; der ungarische Name „Kismarton“ leitet sich von dem älteren deutschen „Klein-Martinsdorf“ ab. Zunächst unter der Herrschaft der Grafen von Hornstein, war die Stadt in den nächsten Jh.en starken Herrschaftswechseln ausgesetzt, bis sie von Kaiser Ferdinand II. 1622 an den aufstrebenden ungarischen Magnaten Nikolaus Esterházy verpfändet wurde. Der entscheidende Schritt wurde jedoch 1648 gesetzt, als sich die Stadt (um 16.000 fl Bargeld und 3000 Eimer Wein) aus der Pfandherrschaft loskaufen konnte und zur Königlichen Freistadt erhoben wurde. Das heutige Stadtgebiet setzt sich demzufolge aus zwei verschiedenen historischen Territorien zusammen: der „eigentlichen“, seit 1648 selbstverwalteten Stadt und der Residenz, die aus dem Schloss samt Domänenverwaltung (E. bildete seit ca. 1670 das Verwaltungszentrum der weitverzweigten Esterházyschen Güter) und den westlich des Schlosses gelegenen ehemaligen (bis 1848) Esterházyschen Grundherrschaften Oberberg und Unterberg bestand, die erst 1938 – gemeinsam mit den Vororten St. Georgen und Kleinhöflein – in die Freistadt eingemeindet wurden. Nach dem Ersten Weltkrieg gelangte E., bis dahin im ungarischen Komitat Sopron (Ödenburg) gelegen, zur Republik Österreich, wo es seit 1925 Sitz von Landtag und Regierung, seit 1965 „offiziell“ Landeshauptstadt des Burgenlandes ist. E., aufgrund seiner Geschichte trotz der geringen Einwohnerzahl eine sog. Statutarstadt, ist seit 1960 Sitz einer Diözese, hat seit 1982 ein Landesstudio des ORF und seit 1995 eine Fachhsch. für internationale Wirtschaftsbeziehungen.

Die musikgeschichtliche Bedeutung E.s hängt hauptsächlich mit der Esterházyschen Hofmusik (Adelskapellen) zusammen, wobei zwischen dieser, der Kirchenmusik an der Stadtpfarrkirche St. Martin und der Mitte des 18. Jh.s gegründeten „Thurnerei“ (städtische Bläserkapelle) rege personelle und künstlerische Wechselbeziehungen bestanden. Der aus Wien gebürtige Viola da Gamba-Spieler und Organist Franz Schmidtbaur (1649–1701) z. B. war gleichzeitig Schulmeister der Stadt und Chorregent des Fürsten Paul I. Mit den Musikern G. J. Werner, L. Tomasini und J. Haydn stieg die Esterházysche Hofkapelle, und damit auch E., zu europäischer Bedeutung auf, von der auch noch die Ära J. N. Hummels (1804–11 in E.) zehrte. E. hatte 1715–60 eine Karfreitagsoratorien-Tradition, war 1762–66 und 1804–10 Schauplatz von Opernaufführungen und 1807 UA.sort von L. v. Beethovens Messe C-Dur op. 86. Die Biographien der Tänzerin F. Elßler und F. Liszts wurzeln in Eisenstädtisch-Esterházyschem Milieu.

Während das 19. Jh. vorwiegend im Zeichen privater bürgerlicher Musikausübung (Bürgerliche Musikkultur) stand, setzten 1898 die lokalen Traditionen der Haydnverehrung ein (die Anbringung einer Gedenktafel an Haydns Wohnhaus, die regelmäßigen Karfreitagsaufführungen der Sieben Worte in der Bergkirche), die in der Ersten Republik fortgesetzt wurden (Gründung des Männergesangsvereins Haydn, Gründung eines Haydn-Museums 1935 usw.). Auch nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Haydnpflege zunächst vorwiegend in der Hand bürgerlicher Vereine (Orchesterverein Joseph Haydn). Die seit den 1950er Jahren immer wieder unternommenen Anläufe zur Etablierung eines Haydn-Festivals in E. führten 1987 zur Gründung eines (vom Land Burgenland und der Stadt E. gebildeten) Vereines Burgenländische Haydnfestspiele, der seit 1989 jeweils im September im Schloss Esterházy seine bereits renommierten Internationalen Haydntage (mit der Neuen Österreichisch-Ungarischen Haydnphilharmonie als Orchester „in residence“) veranstaltet.

E. hat seit 1971 ein Landes-(„Joseph Haydn“-)Konservatorium, war mehrmals Schauplatz repräsentativer Musikergedenkausstellungen (Haydn 1982, Liszt 1986, Hummel 1978, 1987, K. Goldmark 1996; Ausstellungen). Zu erwähnen sind auch die 1975, 1978 und 1983 vom European Liszt Centre in E. veranstalteten Liszt-Symposien, die über das Land hinaus den Beginn einer internationalen Liszt-Renaissance markierten. Kurzzeitig (1994–98) hat man in E. auch jeweils zu Pfingsten die Veranstaltung von Eisenstädter Liszt-Tagen gewagt.

Die wichtigsten musikhistorisch relevanten Bauten und Denkmäler E.s sind:

Schloss Esterházy (unter Paul I. 1663–1772 Umbau zum Barockschloss; unter Nikolaus II., 1803–05, heutige Fassade, Säulenportikus und Rampe der Gartenfront): sog. „Haydnsaal“, „Empiresaal“, Schlosskapelle, ehemaliges fürstliches Kirchenmusikarchiv; Bergkirche („Maria Heimsuchung“) auf dem Kalvarienberg (erbaut 1707–72 unter Paul I., unvollendet): UA.sort der sechs späten Messen J. Haydns (Hob. XXII:9–14), 1796–1802, jeweils zum Namenstag der Fürstin Marie Hermenegild, UA der Messe op. 86 Beethovens, 1807; G. J. Werners Grabstein (mit Epitaph); Haydns Grabmal: der Grabstein von 1820 und die Gruft von 1932, in der Haydns Leichnam seit 1954 beigesetzt ist; Kirche des Ordensspitals der Barmherzigen Brüder: UA von Haydns sog. Kleiner Orgelsolomesse, Hob. XXII:7; in der historischen Freistadt: Wohnhaus Joseph Haydns, 1766–78 (seit 1935 Haydn-Museum, heute: Haydn-Zentrum, dazu: Gartenhaus in der Bürgerspitalgasse); die fünf historischen „Haydnorgeln“: Franziskanerkirche, Kirche der Barmherzigen Brüder, Dom (Stadtpfarrkirche) St. Martin, Bergkirche (bzw. Haydn-Museum) und Burgenländisches Landesmuseum.


Literatur
O. Aull, E. 1931; Beiträge v. K. Benyovsky u. J. Harich in Burgenländische Heimatbll. 21 (1961); Burgenländische Heimatblätter 1/1 (1932) [mehrere Aufsätze zu Haydn und E.]; H. Dreo in [Kat.] Joseph Haydn in seiner Zeit E. 1982, 1982; H. Prickler/J. Seedoch, E. 1998; G. Feder in ÖMZ 25 (1970); [Kat.] F. Liszt E. 1986, 1986; [Kat.] J. N. Hummel E. 1978, 1978; G. Schlag in [Fs.] K. Semmelweis 1981; Ch. Stadtländer, Joseph Haydns Sinfonia domestica 1963.

Autor*innen
Gerhard J. Winkler
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Gerhard J. Winkler, Art. „Eisenstadt“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001cc8b
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001cc8b
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