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Eisler, Eisler, true Hanns
* 1898-07-066.7.1898 Leipzig /D, † 1962-09-066.9.1962 Berlin (Ost). Komponist. Sohn des Wiener Philosophen Rudolf E. Nach autodidaktischen Studien erste Kompositionen in der Gymnasialzeit, nach dem Ersten Weltkrieg, bei dem er in einem Ungarischen Regiment diente, kurze Zeit Unterricht bei K. Weigl am Neuen Wiener Conservatorium, dann 1919–23 Unterricht bei A. Schönberg und A. Webern in Wien und Tätigkeit als Lektor der Universal Edition. Er schrieb zunächst Kammermusik. Die Sonate für Klavier op. 1 wurde 1923 von Schönberg der Universal Edition empfohlen und erhielt im folgenden Jahr den Kompositionspreis der Stadt Wien. E. engagierte sich wie viele Schüler Schönbergs in der Arbeitermusikbewegung (was auch ökonomische Aspekte hatte), übernahm bereits während seines ersten Studienjahres bei Schönberg die Leitung des Chores Stahlklang der Siemens-Schuckert-Werke in Wien-Floridsdorf und bald auch den wesentlich größeren Karl-Liebknecht-Chor sowie den Arbeitersängerbund Elektra. Außerdem engagierte er sich im 1919 gegründeten Verein für volkstümliche Musikpflege, der die erste Arbeitern zugängliche MSch. betrieb. Das Stück für Sprechgesang und Ensemble Palmström op. 5 nach einem Text von Christian Morgenstern, entstanden 1924 auf Anregung Schönbergs, ist ein satirisches Gegenstück zu dessen Pierrot Lunaire.

1925 übersiedelte E. nach Berlin und lehrte dort 1925–33 am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium. Er schloss sich einer Gruppe von proletarischen Musikern an, trat der Deutschen Kommunistischen Partei bei und geriet 1926 schließlich in Konflikt mit dem künstlerischen Selbstverständnis von Schönberg und dessen Kreis, als er in Folge seiner marxistischen Überzeugung die Forderung nach gesellschaftsbezogener Kunst erhob. 1927 folgte seine Arbeit für die Agitprop-Gruppe Das rote Sprachrohr und 1930 begann seine Zusammenarbeit mit Bert Brecht. In diesen Jahren entstand vorwiegend Vokalmusik, Bühnenmusik und v. a. Lieder und Chöre für die Arbeiterbewegung, die Kunstanspruch und Gebrauchswert zu verbinden trachten.

1933 wurden seine Werke von den Nationalsozialisten verboten. Seine Flucht führte ihn über Österreich (wo er an Film-Partituren arbeitete), Dänemark und Spanien schließlich in die USA. Die umfangreichste Partitur der in dieser Zeit entstandenen anti-faschistischen Kompositionen ist die Deutsche Sinfonie, die erst 1959 mit einem neu geschriebenen Epilog an der Berliner Staatsoper uraufgeführt wurde. Er unterrichtete an der New School of Social Research in New York und musste für einige Monate als Gastprof. in Mexiko die Verlängerung seines Visums abwarten. Ein Stipendium zur Erforschung der Funktion von Filmmusik führte u. a. zu dem mit Th. W. Adorno abgefassten Buch Composing for the Film. 1942 übersiedelte er nach Hollywood, unterrichtete an der Univ. of Southern California in Los Angeles und setzte seine Zusammenarbeit mit Brecht fort. Er schrieb 1942–48 Musik für Hollywood-Filme, außerdem Kantaten, Klavierlieder und Kammermusik: die Variationen Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben op. 70 sind Schönberg zum 70. Geburtstag gewidmet und das bevorzugte Referenzstück für die kompositionsgeschichtliche Bewertung E.s. Nach Verhören durch das von Senator Joseph McCarthy eingerichtete „Komitee zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit“ wurde er trotz eines weltweiten, von Künstlern unterstützten Protestes ausgewiesen und kehrte 1948 vorübergehend nach Österreich zurück, fand aber aufgrund seiner politischen Überzeugung wenig Unterstützung und übersiedelte 1949 in die DDR, wo er ab 1950 eine Kompositionsklasse an der Deutschen Akademie der Künste leitete. Er vertonte die Nationalhymne der DDR und wollte mit den ebenfalls von Johannes Becher verfassten Neuen Deutschen Volksliedern den als Mittel des Protests entwickelten Typus musikalisch anspruchsvoller und zugleich verständlicher Vokalmusik auf affirmative Weise verwenden. Die Zusammenarbeit mit Brecht und seinem Berliner Ensemble resultierte in der Musik für 17 Theaterstücke, Filmmusik und Kabarett-Lieder. Sein 1952 veröffentlichtes Libretto für eine geplante komische Oper Johann Faustus brachte ihn aber in einen Konflikt mit der staatlichen Kunstanschauung, der ihn in den folgenden Jahren sehr belastete. 1953 verbrachte E. einige Zeit in Wien, wo er u. a. die für das Neue Theater in der Scala komponierte Bühnenmusik zu J. Nestroys Eulenspiegel, eine Aufführung von Brechts Mutter Courage ebendort sowie die UA der Kantate Die Mutter im Wiener Rundfunk (im Sonntag-Abend Konzert der Russischen Stunde) dirigierte und mit W. Felsenstein eine Verfilmung von L. v. Beethovens Fidelio vorbereitete. Schließlich kehrte er wieder nach Berlin zurück, hielt sich aber auch in den kommenden Jahren neben Reisen nach Frankreich, Italien und England immer wieder in Wien auf (1956, 1960). Obwohl er auch danach noch in der DDR offiziell geehrt wurde, scheinen Äußerungen und zahlreiche Klavierlieder dieser Jahre auf innere Emigration zu deuten. Nach seinem Tod wurde er in der DDR als Teil der musikalischen Tradition behandelt. Im Zuge der Studentenbewegung in der BRD wurde er als politisches Vorbild verwendet, während die institutionalisierte Musikwissenschaft v. a. seine Verbindung zur Avantgarde der Wiener Schule betont, aber seine politisch intendierte Musik kaum beachtete.


Gedenkstätten
Gedenktafel am Geburtshaus in Leipzig, Hofmeisterstraße 14 (seit 2017, s. Abb.).
Ehrungen
Kompositionspreis der Stadt Wien 1924; Nationalpreis I. Klasse der DDR 1950 und 1958.
Werke
Vokalmusik: Kantaten (neun Kammerkantaten 1937, Die Teppichweber von Kujan Baluk 1957), Chorwerke (Deutsche Sinfonie 1935–1939, Lenin-Requiem 1936/37) und Lieder. Bühnenwerke und Filmmusik v. a. gem. m. Bert Brecht, u. a. Die Mutter (nach Maxim Gorki, Berlin 1931), Furcht und Elend des Dritten Reichs (New York 1945). Kammermusik (Klaviersonate Nr. 1, 1923, Sonate für Violine und Klavier [Reisesonate] 1937, Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben für Fl., Klar., V., Va., Vc. u. Kl. 1940).
Schriften
gem. m. Th. W. Adorno, Composing for the Films 1947; Johann Faustus (Libretto der unvollendeten Oper) 1952; Reden und Aufsätze 1959; Materialien zu einer Dialektik der Musik 1973; im Rahmen der alten GA.en: G. Mayer (Hg.), Musik und Politik. Schriften 1–3 (1973–83); E. Klemm (Hg.), Theodor W. Adorno/H. E.: Komposition für den Film = Schriften 4 (1977); H. Bunge (Hg.), Fragen Sie mehr über Brecht. Gespräche mit Hans Bunge = Schriften 7 (1975).
Literatur
NGroveD 6 (1980); M. Grabs, H. E. 1984 [Bibliographie]; F. Hennenberg, H. E. 21998; J. Schebera, H. E. 1998; I. Schartner, H. E., Johann Faustus 1998; A. Dümling in H. E. Argument-Sonderbd. AS 4 (1975); A. Dümling in ÖMZ 43/12 (1988); www.leipzig.de (2/2021).

Autor*innen
Cornelia Szabó-Knotik
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Cornelia Szabó-Knotik, Art. „Eisler, Hanns‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001cc8d
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
© Universal Edition
© Universal Edition
Gedenktafel am Geburtshaus in Leipzig, Hofmeisterstraße 14© Hermann Zwanzger
© Hermann Zwanzger

DOI
10.1553/0x0001cc8d
GND
Eisler, Hanns: 118529692
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