In Berlin hatte Friedrich der Große nach dem Siebenjährigen Krieg mit der Ansiedlung Schweizer Uhrmacher eine Flötenwerkmanufaktur begründet, in Wien sucht man nach derart signifikanten Umständen für den Beginn der Herstellung von F.en vergeblich. Zwar hat Joseph II., ein Förderer des Gewerbewesens, im Jahr 1789 Genfer Uhrmacher nach Wien geholt und bei der Einrichtung einer eigenen Firma großzügigst unterstützt, jedoch hatte die Genfer Kolonie mit F.en nichts zu tun. Auch vonseiten des Kaiserhauses gab es keine Nachfrage nach derartigen Luxusartikeln.
Die ersten F.en – wahrscheinlich deutscher Provenienz – dürfte das Wiener Publikum im Müllerschen Kunstkabinett zu sehen und zu hören bekommen haben, das in den 1780er Jahren eröffnet wurde. Für das Flötenwerk des 1791 hinzugekommenen Schaubildes Laudons Grab komponierte W. A. Mozart mindestens eines seiner Werke. Das zugehörige Orgelwerk soll von P. Primitivus Niemecz, Esterhazyscher Bibliothekar, Hofkaplan und Schüler J. Haydns, gebaut worden sein. Von Niemecz sind zwei Flötenwerke aus den Jahren 1792 resp. 1793 erhalten, zwei weitere unsignierte Instrumente dürften ebenfalls von ihm und aus dieser Zeit stammen. Alle vier spielen etliche Stücke, die J. Haydn „für das Laufwerk“ komponierte. Mit dem 1792 nach Wien zugezogenen J. N. Mälzel erhielt die neue Zunft der „Musikmaschinisten“ einen überaus prominenten Vertreter. Auch andere F.macher aus Deutschland wurden in Wien ansässig. Für die Zeit bis 1850 sind in Wien dann mehr als 40 Hersteller nachweisbar, als wichtigste sind zu nennen: Franz Egidius Arzt, Anton Bayer, Ludwig Bolzmann, Franz Erbs, Jacob Gruber, Johann Christian Heinrich, Thomas Höß, Johann Adam Hoyer, Josef Janisch, J. N. Mälzel, Leonhard Mälzel, Georg Anton Reinlein, Johann Christian Seyffert, Friedrich Wichmann, Johann Joseph Wiest. In etlichen Fällen führten die Söhne den Betrieb des Vaters bis in die 2. Hälfte des 19. Jh.s weiter.
Kleinere Flötenwerke mit ca. 20 bis 30 Pfeifen wurden in Uhrgehäuse oder in Unterkästen von Uhren eingebaut. Größere Instrumente, die über hundert Pfeifen haben konnten, fanden in Möbeln aller Art Platz. Beliebt waren Schreibsekretärs und Kästen, die oft auch noch eine Uhr im Giebel hatten, und Kanapees. Die monumentalen Formen der norddeutschen Standuhren (Säulen, Pyramiden etc.) wurden in Wien nicht aufgegriffen. Die kleinen F.en besitzen ein Federwerk mit Seil und Schnecke, größere Instrumente einen Gewichtsantrieb. Die wesentliche Neuerung der Wiener Hersteller bestand in der Konstruktion der „Wiener Flöte“, einer offenen Labialpfeife aus Holz mit rundem Aufschnitt. Dieser Pfeifentyp dürfte bereits vor 1810 entwickelt worden sein und löste ab etwa 1820 die früher gebräuchlichen Pfeifen mit geradem Aufschnitt und die (ebenfalls hölzernen) Rohrflöten ab. Größere Instrumente verfügten außerdem über 2 oder 3 Register, „Mutationen“ genannt, mit denen ein dynamisch abgestuftes Spiel (f, p, pp) möglich war. Einer genauen Temporegulierung wurde mit skalierter Einstellung der Windflügel und zuweilen mit Tempoangaben auf den Walzen besondere Beachtung geschenkt. Neben einigen parallel bestifteten Walzen kleinerer Instrumente wurden die Walzen generell spiralig bestiftet. Mit 6 oder 7 Umdrehungen spielen manche Walzen fast 5 Minuten lang.
Originale Musik für Flötenwerke schrieben W. A. Mozart (KV 594, 608, 616, zwei Fragmente KV 593a und 615a), J. Haydn (Hob. XIX, von den 32 Stücken sind 19 in einer Abschrift oder als Autograph erhalten, als Urheber der übrigen Kompositionen und Arrangements könnte P. Primitivus Niemecz in Frage kommen), L. v. Beethoven (WoO 33/1–5, Grenadiermarsch F-Dur), L. Cherubini (Sonate für ein Flötenwerk von J. N. Mälzel im Tempel der Nacht in Schönau an der Triesting/NÖ), A. Salieri (Fantasie, ebenfalls für das Flötenwerk in Schönau) und M. Pamer (Neueste Linzer Tänze, für die Spieluhr des Gasthauses im Seitzerhof, Wien I). Auf den automatengerechten Charakter einiger dieser Kompositionen wurde in der Literatur mehrfach hingewiesen. Auch bei den nicht auf Haydn zurückführbaren Stücken der erst seit 1997 bekannten „vierten“ Niemecz-Uhr (in Schweizer Privatbesitz) und bei sechs Stücken auf der unbezeichneten F. im Geymüllerschlössel in Wien (Museum für angewandte Kunst, s. Abb.) handelt es sich wahrscheinlich um Originalkompositionen. Die Autorschaft dieser Stücke wurde bis jetzt nicht geklärt. Den überwiegenden Anteil des Repertoires machen aber Transkriptionen von Opernmelodien, Ballettstücken und der gängigen Tanzmusik der Zeit aus. Zur Standardausstattung eines Flötenwerks gehörten für gewöhnlich 6 Walzen, doch wurden von den Kunden oft mehr und auch später noch Walzen, dem neuesten musikalischen Geschmack entsprechend, erworben, sodass zu den einzelnen Instrumenten mitunter recht umfangreiche Repertoires angesammelt wurden.
F.en waren teure Luxusgegenstände und bildeten auch hinsichtlich ihrer äußeren Erscheinung einen Glanzpunkt biedermeierlicher Wohnkultur. Die Instrumente dienten auch in einigen Wiener Restaurants und Bierhäusern der Unterhaltung der Gäste und waren überdies hervorragende Exportartikel, die in alle mittel- und osteuropäischen Länder und in die Türkei verkauft wurden. Bis in die 2. Hälfte des 19. Jh.s wurden noch neue Instrumente gebaut, meist große Schränke. Um 1870 dürfte die Erzeugung zu Ende gegangen sein. Eine Ausweitung in Richtung Orchestrionbau unter Hinzunahme von anderen Instrumenten fand nicht statt. Nachbestellte Walzen mit Opernmelodien und Walzern aus den 1880er und 1890er Jahren machen aber deutlich, dass auch frühe Instrumente noch lange in Verwendung standen.
S. Gerlach/G. R. Hill in Joseph Haydn Werke 21 (1984); W. Hess in Beethoven, Supplement zur Gesamtausgabe 7 (1963); St. v. Keeß, Darstellung des Fabriks- und Gewerbewesens im österreichischen Kaiserstaate 2 (1823), 175–179; H. Kowar, Spielwerke. Musikautomaten des Biedermeier aus der Slg. Sobek und dem MAK 1999; H. Kowar, Sie spielt besser als das Orchester im Kärntnertor. Die Wiener F. 2001; H. Kowar in Das mechanische Musikinstrument 38/115 (2012); A. W. J. G. Ord-Hume, J. Haydn and the mechanical organ 1982; J. A. Rice, The Temple of Night at Schönau 2006; E. F. Schmid in ZfMw 14 (1932); E. F. Schmid in Haydn-Studien 2 (1970); E. Simon, Mechanische Musikinstrumente früherer Zeiten und ihre Musik 1960.