Die Erforschung der g.n Sp. im deutschen Sprachraum teilen sich Germanistik, Musik- und Theaterwissenschaft, während die Theologie eher abseits steht. Die Forschungslage erscheint disparat, so dass Rolf Bergmann (1984) feststellt: „Daher müssen bis heute eine erschöpfende Bibliographie und ein verlässliches Handbuch, ja auch nur zuverlässige Lexikonartikel als Desiderate bezeichnet werden. Die Editionen stammen aus ganz verschiedenen Zeiten und entsprechen nicht alle den heutigen Anforderungen. Eine Reihe von Texten ist noch unediert.“ „Eine gattungsgeschichtliche Gesamtdarstellung fehlt.“ Noch deutlicher gilt dies für die Musikwissenschaft, die sich kaum an die Transkription älterer Musiknoten oder neuerer Tondokumente gewagt hat, – z. T. mit dem Hinweis darauf, dass es sich um „ziemlich flüchtige, fehlerhafte und unvollendet gebliebene Notenschrift[en]“ (Osthoff 1970; dazu Suppan 1990) handle. Auch wenn nicht alle Texte Musiknoten oder Hinweise auf Gesang oder rhythmische Rezitation sowie auf Musikinstrumente enthalten, so gilt doch die gesangliche Darstellung mit guten Gründen als Regel. Der Umfang des Gesungenen war größer, als dies Hinweise in den Quellen bezeugen. Von den Darstellern und von den Chören gesungen/rezitiert wurden sowohl lateinisch-liturgische Texte (Responsorien, Antiphonen, Hymnen, Sequenzen) wie deren deutsche Übersetzungen, aber auch volkssprachige Neudichtungen profanen Inhalts (etwa bei den Grabwächter- und Salbenkrämerszenen). Die weltlichen Volksschauspiele jüngeren Datums beziehen vielfach Mundarten mit ein.
Die überwiegend in Papierhandschriften überlieferten g.n Sp. des Mittelalters verteilen sich auf den gesamten deutschen Sprachraum. Österreich hat daran seit dem 14. Jh. Anteil, u. zw. mit dem Wiener Passionsspielfragment, dem Lienzer Osterspielfragment, dem Kremsmünsterer schlesischen Dorotheenspielfragment, dem Innsbrucker thüringischen Osterspiel, Fronleichnamsspiel, Spiel von Mariae Himmelfahrt, Spiel von der Zerstörung Jerusalems (1391). Im 15. Jh. sind entstanden: die Erlauer Spielhandschrift, mit guten Gründen dem Raum zwischen Gmünd/K und St. Lambrecht zugeordnet; der Codex des Benedikt Debs, Sterzing, Stadtarchiv Nr. IV; das Göttweiger Osterspielfragment; die Wiener elsässische Verachtung der Welt (1437); die Wiener Rubinusrolle; das Wiener Weltgericht; das Wiener schlesische Weltgerichtsspiel (1472); das Sterzinger Passionsspiel (Pfarrkirchers Passion) (1486); das Sterzinger Rollenverzeichnis (1489); das Bozner Passionsspiel A und B (1495); das Sterzinger Rollenverzeichnis, Sterzinger Passionsspiel von 1496 und 1503; das Wiener (Kärntner) Passionsspielfragment; das Welser Passionsspiel; das Wiener Susannaspiel. Für das 16. Jh. sind namhaft zu machen: das Tiroler Passionsspiel. Erster Teil, Tiroler Dramatisierung des Johannes-Evangeliums II, das Feldkircher Osterspiel; das Tiroler Weihnachtsspiel und die Tiroler Marienklage (beide 1511); das Haller Passionsspiel und das Bozner Passionsspiel mit dem Rollenverzeichnis (jeweils 1514); das Bozner Palmsonntagsspiel; das Tiroler Verkündigungsspiel; das Tiroler David- und Goliathspiel (1515); das Tiroler Himmelfahrtsspiel aus Cafless (Cavalese) (1517); das Tiroler Osterspiel (1520); die Steinacher Salvatorrolle, der Jesusknabe in der Schule (1520); das Tiroler Pfingstspiel (1522); das Brixener Emausspiel (1523); die Tiroler Dramatisierung des Johannes-Evangeliums I (1526); das Tiroler recht dass Christus stirbt (1529); das Sterzinger Passionsspiel der Mischhandschrift (1539/50); die Tiroler Entwürfe zu einem Passionsspiel, Tiroler Rollen aus Marienklagen (1535); das Tiroler Spiel vom reichen Mann und armen Lazarus (1539); das Bozner Fronleichnamsspiel (1543); das Admonter Passionsspiel (2. Hälfte des 16. Jh.s); das Brixener Passionsspiel (1551). – Mit dem St. Lambrechter Passionsspiel von 1601 ist bereits das folgende Jh. erreicht, das Wiener Passionsspiel von St. Stephan (1685) bezeugt die weiterhin intakte Spieltradition im ausgehenden 17. Jh.
Gattungszuordnungen können sich überschneiden. So bezeichnen „Legendenspiel“ oder „Weltgerichtsspiel“ den dargestellten Stoff, während das „Fronleichnamsspiel“ auf den Aufführungszusammenhang und den Prozessionscharakter hinweist. Beim „Weihnachts-“ oder „Osterspiel“ verbinden sich Stoff und Zeitpunkt der Aufführung. Auf einer anderen begrifflichen Ebene liegt die Bezeichnung „Passionsspiele“, in denen über die Darstellung der Passion hinaus Szenen aus dem Leben Jesu, manchmal sogar Themen des Weihnachts- oder Osterfestkreises der Passion vorangestellt werden. Damit wird die Passion Jesu als Erlösungstat herausgearbeitet und in den heilsgeschichtlichen Zusammenhang von Sündenfall und Erlösung gestellt.
Das älteste Zeugnis der Gattung der Passionsspiele liegt mit dem Benediktbeurer Passionsspiel aus der 1. Hälfte des 13. Jh.s vor, in dem die deutsche Sprache neben der lateinischen verwendet wird. Überliefert wird dieses Spiel in der Carmina Burana-Handschrift. Es enthält Szenen aus dem öffentlichen Leben Jesu und aus der Passion einschließlich der Kreuzigung, – jedoch ist der Schluss unvollständig. Die Texte zeigen unterschiedliche Reim- und Strophengestaltungen. Zu beachten ist, dass die z. T. in der Vagantenzeile geschriebenen lateinischen Texte der Magdalenenszene wörtlich in dem Wiener Passionsspiel (ÖNB, cod. 12887) der 1. Hälfte des 14. Jh.s wiederkehren. Das ebenfalls im Schlussteil unvollständige Spiel setzt mit Luzifers Sturz und dem Sündenfall ein und führt über eine Höllenszene und die Magdalenenszenen bis zum Abendmahl.
Eine besondere regionale Ausformung liegt in der sog. „Tiroler Spielgruppe“ vor. Die nördlich und südlich des Brenners bewahrten Texte und Aufführungsnachrichten übertreffen durch ihren Umfang die übrigen landschaftlichen Textgruppen und sind zudem als komplexer Traditionsbereich deutlich erkennbar. Stärker als die Spiele anderer Landschaften haben sie auf die Volkstradition eingewirkt und sind damit bis in das beginnende 20. Jh. herein in zahlreichen Varianten lebendig geblieben. Im Unterschied zu anderen Spiellandschaften zeigen die Tiroler Passionsspiele inhaltlich eine strenge Konzentration auf die Vergegenwärtigung des Geschehens am Gründonnerstag (1. Spiel: Von der Beratung der Juden über das Abendmahl bis zur Gefangennahme Jesu), am Karfreitag (2. Spiel: Die Verhöre mit der Dornenkrönung, die Kreuzigung) und am Ostersonntag (3. Spiel: Auferstehung und Höllenfahrt). Neue germanistische Forschung weist ältere Theorien über die Abhängigkeit der Tiroler Passionsspiele von dem thüringischen Osterspiel (Innsbruck, UB. Cod. 960, aus Neustift bei Brixen) zurück und spricht von einer eigenständigen, „wohl Sterzinger Leistung“ (Bergmann 1984, 83). Doch sind längst nicht alle Tiroler Texte ediert und in die vergleichende Textforschung eingebunden. Ebenfalls starke Eigenständigkeit weist das Admonter Passionsspiel auf, das trotz der späten Datierung, nämlich 2. Hälfte des 16. Jh.s, in vielem noch mittelalterlich geprägt erscheint. Dagegen sind nur lose dem Mittelalter zuzurechnen: das St. Lambrechter Passionsspiel von 1601, mehrere Wiener Spiele (Hadamowsky 1981), darunter das Wiener Passionsspiel von St. Stephan (1685, ÖNB, Cod. 8227), Fragmente eines Welser (Wels, Stadtarchiv) und eines Kärntner Passionsspiels (ÖNB, Cod. 13022). Zählt man die selbständigen Magdalenenspiele in den Umkreis der Passionsdarstellungen, so ist zudem die oben schon genannte Erlauer Spielhandschrift (Erlau [Eger/H], Erzbischöfliche Bibliothek, Cod. B. V. 6) anzuführen.
Nicht nur innerhalb der Passion, auch als selbständiges „Spiel“ tritt uns die in den lateinischen Sequenzen des 12. Jh.s (Planctus ante nescia, Flete fideles animae) wurzelnde und erstmals um das Jahr 1200 ins Deutsche übersetzte Klage der Mutter Maria (Marienklagen) entgegen. Zu nennen sind in unserem Zusammenhang die zwar nicht aus dem heutigen Österreich, sondern vermutlich aus Prag stammende und in Österreich aufbewahrte (ÖNB, Cod. ser. noc. 3867) Aggsbacher Marienklage (um 1416); die in der schon mehrfach genannten Erlauer Spielhandschrift enthaltene szenische Marienklage, mit den Rollen der Maria (mater domini), der Maria Cleophae und der Maria Magdalena sowie des Johannes und Jesus, wobei der besonders reich überlieferte Musikanteil zu beachten ist (Suppan 1990); schließlich mehrere Marienklagen aus der Tiroler Spielgruppe.
Am Fronleichnamstag aufgeführte Spiele konnten durchaus unterschiedliche Themen ausbreiten. Der Zusammenhang mit der Prozession führte auch zur Bezeichnung „Prozessionsspiele“. Das von Papst Urban IV. im Jahr 1264 eingeführte Fronleichnamsfest erhielt in der 1. Hälfte des 14. Jh.s seine Form mit der öffentlichen Prozession. Mit Ausnahme des Innsbrucker Fronleichnamsspiels aus dem Jahr 1391 (Innsbruck, UB, Cod. 960) liegt der Schwerpunkt der dazu überlieferten Quellen zwischen der 2. Hälfte des 15. und – mit einigen Nachzüglern – der 1. Hälfte des 16. Jh.s. Während die älteste Innsbrucker Überlieferung sich auf kurze und dogmatisch-lehrhafte Reden der Apostel, der Propheten und des Papstes sowie auf die Erläuterung des Glaubensbekenntnisses beschränkt, umfassen die späteren Spiele in zahlreichen Varianten die gesamte Heilsgeschichte bis zum Jüngsten Gericht. Dies gilt für das Bozner des Jahres 1543 (Hs. Meran-Zenoburg, Privatbesitz Braitenberg) ebenso wie für das davon abhängige Freiburger Fronleichnamsspiel, dessen Entstehung in die Jahre zwischen 1498 und 1515 fällt (Stadtarchiv Freiburg i. Br./D, H 12 und 13), – und auch für die Wiener einschlägigen Zeugnisse.
Der Weihnachtsfestkreis, vom Advent bis Dreikönig, bildet die Grundlage der in den Weihnachtsspielen verarbeiteten und den Gläubigen didaktisch klug erläuterten Themen. Die Auftritte der Propheten und später der Hirten, die Verkündigung, das Wiegen des Jesuskindes, der Kindermord mit der Klage der Rachel, die Flucht nach und die Rückkehr von Ägypten, die Tempelszene und schließlich der Auftritt der Drei Könige bieten reichlich Stoff. Sehen wir von vereinzelten lateinischen Hirten- und Dreikönigsliedern und Szenen im Umfeld der Liturgie ab, so sind eigentliche Weihnachtsspiele, wie sie aus den lateinischen Prophetenspielen und der pseudo-augustinischen Predigt Contra Judaeos, Paganos et Arianos sich entwickelt haben, in Österreich erst spät, nämlich ab dem 15. Jh. nachweisbar. Früheste Quelle dafür ist die Erlauer Spielhandschrift mit zwei derartigen Texten: dem Ludus cunabilis christi und dem Ludus trium magorum, das erstgenannte ein kurzes Krippenspiel mit der Kindelwiegenszene (und emotional wirkungsvoller „Hintergrundmusik“), das zweite ein ausführliches Dreikönigsspiel, das das Geschehen von der Verkündigung an die Hirten bis zur Flucht nach Ägypten und den Kindermord dramatisch schildert. Die Tiroler Spieltradition ist mit mehreren Handschriften vertreten: Darunter besonders eindrucksvoll der Sterzinger Text (Stadtarchiv, unsigniert) aus dem Jahr 1511, in dem eine breite Vermählungsszene Marias, Prophetenauftritte, die Verkündigung, die Herbergssuche, die Hirtenszenen und die Versorgung des Kindes in durchaus „volkstümlicher“ Art vorgesungen, vorgespielt und vielfach zudem durch rhythmisches Abschreiten der Verse „vorgetanzt“ werden, – sowie die ebenfalls in Sterzing einmal im Debs-Codex (Stadtarchiv, Hs. IV), zum andern in dem bislang unedierten Codex aus dem Jahr 1514 (Stadtarchiv, unsigniert) überlieferten Weihnachtsspiele.
In den Osterspielen werden die Auftritte der Marien und der Jünger am leeren Grab, die Auferstehung und die Höllenfahrt, die Teufelsszenen mit dem erneuten Seelenfang sowie die Erscheinungen Jesu dem gläubig-staunenden Publikum vermittelt. Umrahmt können diese zentralen Themen von Auftritten der Grabwächter, vom Gang der Marien zum Grab sowie von der zumeist breit ausgespielten Salbenkrämerszene werden. Auch hier liegen die älteren österreichischen Quellen in der Tiroler Regionaltradition vor, nämlich im Lienzer Fragment (Innsbruck, Landesregierungsarchiv, Cod. 120) und im Innsbrucker thüringischen Osterspiel (Innsbruck, UB, Cod. 960), beide aus dem 14. Jh. Im 15. Jh. folgen das Wiener schlesische Osterspiel mit der derb ausgespielten Salbenkrämerszene (ÖNB, Cod. 3007) und das aus Augsburg stammende Feldkircher Osterspiel (Feldkirch, Klosterbibliothek, Liturg. 1 retr. m.), v. a. aber erneut die Erlauer Spielhandschrift mit zwei vollständigen Osterspielen, nämlich Visitacio sepulchri in nocte resurrectionis und dem Ludus Iudeorum circa sepulchrum Domini, wobei einmal die Salbenkrämerszene, zum andern die Grabwächterszene besonders ausgebreitet wird. Weitere österreichische Belege konzentrieren sich auf Tirol: Im Spielcodex des Benedict Debs (Sterzing, Stadtarchiv, Hs. IV) sind drei Bozner Osterspiele verzeichnet, eines davon vollständig mit starker Betonung der Gärtnerrolle des Auferstandenen, zwei davon in Ausschnitten; bisher unediert ist ein Tiroler Osterspiel aus dem Jahr 1520 (Sterzing, Stadtarchiv, Hs. VII), ebenfalls um 1520 ist die Steinacher Salvatorrolle zu datieren, die zum Passionsspielkreis gezählt werden sollte, jedoch nur Szenen des Ostergeschehens enthält. Im Osten Österreichs werden die Wiener Rubinrolle (2. Hälfte des 15. Jh.s, ÖNB, cod. ser. nov. 3980) und das Göttweiger Osterspielfragment verwahrt. Zum weiteren Umkreis der Osterspiele zählen die Bozner Emausspiele I und II (beide Codex Debs), die mit der Wanderung des Lucas und Cleophas einsetzen, denen der Auferstandene sich unerkannt anschließt. Der Einkehr in Emaus geht ein Streit der Wirte um die Gäste voraus. Dann gibt Jesus sich zu erkennen, wonach Lucas und Cleophas sich mit dem um seine Zeche geprellten Wirt recht deftig prügeln. Das Brixener Emausspiel von Vigil Raber (1523) entspricht etwa dem Inhalt und der Gestaltung der beiden Bozner Spiele.
Weitere Themen: Während „Himmelfahrtsspiele“ sich mit Ausnahme eines alemannischen Spiels, das im schweizerischen St. Gallen überliefert wird (St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 1006), auf den Tiroler Raum und da auf Sterzinger Quellen beschränken (Stadtarchiv, Hss. IV und VI = Cafless/Cavalese), liegen die Schwerpunkte der Eschatologischen Spiele, der Weltgerichts- und Antichristspiele, der Zehnjungfrauenspiele, der Legenden- und Marienspiele, der Alttestamentlichen Spiele, der Moralitäten und anderer singulär behandelter Themen eher außerhalb Österreichs. Eine Ausnahme bildet bei den Legenden das Fragment des Kremsmünsterer schlesischen Dorotheenspiels (Kremsmünster, Stiftsbibliothek, CC 81), ein Märtyrerspiel aus der Mitte des 14. Jh.s. In einer bayerischen Sammelhandschrift vom Ende des 15. Jh.s ist das Wiener Susannaspiel notiert (ÖNB, 3027), in dem die Verleumdung und Rehabilitierung Susannas dramatisiert wird. Unediert ist bislang ein Tiroler David- und Goliath-Spiel aus dem Jahr 1515 (Sterzing, Stadtarchiv, unsigniert). Unter den wenigen uns überkommenen Moralitäten findet sich das elsässische Spiel von der Verachtung der Welt (ÖNB, 3009), 1437, sowie das in Tirol überlieferte Spiel vom reichen Mann und armen Lazarus aus dem Jahr 1539 (Sterzing, Stadtarchiv, unsigniert). Das mit 1391 datierte Innsbrucker thüringische Spiel von der Zerstörung Jerusalems (Innsbruck, UB, 960) handelt von der Bekehrung und Taufe eines Heidenkönigs durch die Apostel sowie die Vorbereitung des Krieges gegen die Juden; es bricht bei der Belagerung Jerusalems ab. Zuletzt ist das Tiroler Pfingstspiel Vigil Rabers zu nennen (Sterzing, Stadtarchiv, unsigniert).
Das Nachleben mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Spiele in der jüngeren Volksschauspieltradition: Ebenso wie die Volksmusik- und Volkslied-, die Volksmärchen- und die Volkssagenbegriffe, so ist auch der Volksschauspielbegriff in der Zeit der Aufklärung, im ausgehenden 18. Jh., aufgekommen. Dabei meint „Begriff“ nicht, dass die Begriffsbestimmungen der Wort-Verbindungen mit „Volk“ eindeutig oder unwidersprochen geblieben seien. Doch durchzieht alle wissenschaftlichen Definitionen die Feststellung (a) der Mündlichkeit, wobei Schrift als Gedächtnisstütze fungieren kann, (b) der Variabilität, (c) der Funktionsgebundenheit, das meint, des brauchtümlichen Vollzuges. Der regen Sammeltätigkeit im 19. Jh. folgten im 20. Jh. die fachwissenschaftliche (sprachwissenschaftliche, volkskundliche, theaterwissenschaftliche, musikologische) Systematisierung, die historisch-genetische und historisch-typologische vergleichende Analyse, schließlich die Editionen der Texte, Melodien und Spielanweisungen. Wesentliche Impulse gingen dabei von der deutschen Sprachinselforschung aus (Gottschee), zumal zeitlich ältere Sprach- und Musikformen v. a. in den interethnischen Rand- und Kontaktzonen im Osten und Südosten Europas, bei den „Donauschwaben“, in der Slowakei, im Banat, in der Batschka, in Siebenbürgen, in der Dobrudscha und in Bessarabien, bei den Wolga- und anderen Russlanddeutschen, sich erhalten haben.
Stärker als beim mittelalterlich-frühneuzeitlichen g.n Sp. hat das Volksschauspiel alles das verarbeitet, was der Katechese biblischer Stoffe und des Lebens der Heiligen in den Grundschichten der Bevölkerung dienlich erschien. Das „abgesunkene“ Jesuiten-Schulspiel ist da ebenso vertreten wie das Nachleben der Hans Sachs-Spiele (H. Sachs), die trotz der primär evangelischen Bindung auch von den katholischen Spielgemeinschaften in den Alpenländern, in Schlesien, in den oberungarischen Bergstädten in der heutigen Slowakei sowie in Ungarn in vielen Varianten weitergetragen wurden, – oder die der bäuerlichen Bevölkerung zugedachten Spiele der italienischen und spanischen Missionsorden, der Benediktiner und Kapuziner. Für die Aufzeichnung, Forschung und Pflege anregend wirkten v. a. die von Karl Weinhold edierten Weihnachtsspiele aus Süddeutschland und Schlesien (1853), die von Karl J. Schröer bekannt gemachten Oberuferer Spiele (1854, 1858), dann – auch für den österreichischen Raum – das Passionsspiel im bayerischen Oberammergau; schließlich die bis in die Mitte des 20. Jh.s herein lebendige „Hans Sachs“-Spieltradition im burgenländischen Seewinkel um Apetlon. Eher selten wurden Volksschauspiele in eigens dafür errichteten Spielstätten oder Gebäuden dargeboten. In bäuerlich-ländlichen Bereichen wanderten die Darsteller von einem Haus zum anderen, so dass man von „Umzugsspielen“ und/oder „Stubenspielen“ spricht, oder das Geschehen spielte sich im Freien ab, wie bei den Nikolausspielen am 6. Dezember im steirischen Salzkammergut (Bad Mitterndorf, Klachau, Tauplitz und Pürgg-Unterburg) und im Südtiroler Ahrntal, im Brixen- und im Unterinntal.
Überblickt man die Fülle indirekter historischer Zeugnisse (Berichte über Volksschauspiele und deren Aufführung) und die zahlreich vorliegenden (Tonband-/Film-)Aufzeichnungen sowie Editionen von Volksschauspielen auf dem Gebiet des heutigen Österreich, so scheinen sich Schwerpunkte in Tirol, in Steiermark , Kärnten , Krain (wobei Leopold Kretzenbacher von einer „innerösterreichischen Volksschauspiellandschaft“ spricht) und im Burgenland (im ehemals gemischt deutsch-ungarisch-sprachigen Westungarn mit dem Zentrum der Benediktiner-Erzabtei Martinsberg/Pannonhalma/H) einzustellen. Doch spiegelt diese Einschätzung weniger die Realität als vielmehr die Forschungssituation wider. Neben L. Schmidt, K. Horak, Hermann Wopfner, Hanns Koren, Oskar Moser, Egon Kühebacher hat v. a. Leopold Kretzenbacher einen großen Teil seines Forscherlebens der Erfassung und Deutung der Volksschauspiele gewidmet.
Seit dem ausgehenden 19. Jh. lässt sich eine Volksschauspiel-Pflege in „Laienspielgruppen“, in Theatervereinen und durch Wanderbühnen feststellen.
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