Die wichtigsten Darstellungstechniken des G. D.s sind die Typologie und die Allegorie (im theologischen, nicht literaturwissenschaftlichen Sinn verstanden). Die Typologie, eine auf das Judentum zurückgehende Denkfigur, die seit dem Siegeszug der wissenschaftlichen Theologie nur in Liturgie und Dichtung überlebt, parallelisiert die vorgestellte Handlung und die Personen mit transzendenten Vorgängen und Wesenheiten. Die Realität des Theaters steht dabei zum Religiösen im Verhältnis von Bild und Vorbild (andere Begriffspaare: Schatten und Wirklichkeit, Abbild [Figura, Typos] und Urbild). Die figürliche Darstellungsweise ist notwendig, weil die religiöse Wirklichkeit im Letzten nicht aussagbar ist. In der Stoffwahl besteht für die Typologie keine Einschränkung. Zwar verbindet man den Begriff Typos am ehesten mit alttestamentlichen Geschehnissen, doch können genauso auch neutestamentliche, ja auch profangeschichtliche und alltägliche Ereignisse typologisch mit einer religiösen Aussage in Beziehung gesetzt werden.
Allegorie liegt vor, wenn zwischen Bild und gemeinter Wirklichkeit die philosophische Reflexion tritt. Gemeinhin werden philosophische oder religiöse Abstraktbegriffe durch allegorische Gestalten oder ganze Gedankensysteme durch dramatische Handlungen (z. B. in der Gnosis) versinnbildlicht.
Die mittelalterliche Geschichte des G.D.s ist identisch mit der des Geistlichen. Einschlägige Gattungen sind Osterfeier, Osterspiel, Passionsspiel, Marienklage, Weihnachtsspiel, Fronleichnamspiel, Kreuzabnahmespiel (nur in Österreich belegt, oft nicht als eigene Gattung anerkannt), Mirakelspiel. Die Stoffe sind der Bibel, besonders dem Leben Jesu (Mysterienspiel) und den Heiligenviten (Mirakelspiel) entnommen. Von der Literaturgeschichte nicht den Geistlichen Spielen zugezählt (anders obige Definition) werden die Moralitäten. Die Integration der Musik in die Geistlichen Spiele resultiert aus ihrer Verwurzelung in der Liturgie und bleibt bis ins 20. Jh. typisch für die Gattungen des G. D.s.
Knapp hält den Ostalpenraum für „die wichtigste hochmittelalterliche Pflegestätte des lateinischen G. D.s im deutschen Sprachraum, vergleichbar nur mit westeuropäischen Gebieten“. Die frühen Träger sind die Kathedralklöster (Passau, Salzburg, Chiemsee, Seckau, Brixen, Carmina Burana) und die übrigen Klöster (Klosterneuburg, St. Florian, Herzogenburg, Suben/OÖ, Vorau, Mondsee, Lambach, Göttweig, Neustift, St. Lambrecht, Admont, Ossiach). Das Klosterneuburger Osterspiel (frühes 13. Jh., fast durchgehend neumiert) ist das älteste auf deutschem Boden und gehört zu den vier ältesten geistlichen Spielen überhaupt. Es bietet einige Neuerungen zum ersten Mal (Wächter-, Krämerspiel, Darstellung der Auferstehung und des Descensus). In der Ausformung des Typus Visitatio sepulchri II dürfte Salzburg oder Passau führend gewesen sein (um die Mitte des 11. Jh.s, schriftliche Überlieferung in Salzburg vor 1146 mit dem frühesten Beleg von Christ ist erstanden). Bürgerliche Kreise treten im Spätmittelalter als Träger von G. D.en auf. In das westliche Mittelkärnten sind die Erlauer Spiele (5 Spiele, darunter das älteste vollständige deutsche Dreikönigsspiel, 1400–40) und die Erlauer Marienklage zu lokalisieren. Für das wohl tirolerische Augsburger Heiligkreuzspiel (kurz vor 1494) ist die Mitwirkung von Instrumentalmusik belegt. Tirol gehört zu den zentralen Landschaften der städtischen Spielkultur (Sterzinger Spielarchiv, Bozner Passionsspiele 1495–1514, Haller Passionsspiel 1514, Bozner Fronleichnamsspiel, Brixner Passionsspiel 1551). Bemerkenswert ist die Aufführung des Feldkircher Osterspiels 1380, die von Graf Rudolf von Montfort in Auftrag gegeben und bezahlt wurde.
Das Geistliche Spiel erlebt im 16. Jh. eine Krise und lebt lediglich in den Fronleichnams-, Weihnachtsspielen (Hirtenspielen), den Katechismusspielen und der Sonderform der Ölbergsandacht fort (in letzterer wird die Handlung durch eine Puppe dargestellt). Einen neuen Weg beschreiten die volkssprachlichen Fastenspiele des Andreas Brunner SJ, die 1644–52 in der Innsbrucker Jesuitenkirche aufgeführt wurden.
An die Stelle des Geistlichen Spiels tritt ab 1600 wenigstens im höfischen Bereich das Oratorium. Die Bezeichnung als Azione sacra oder Rappresentazione sacra weist deutlich auf die Bühnenmöglichkeiten des Oratoriums hin. Auch der Applausus ist bisweilen szenisch aufgeführt worden. Aus dem italienischen Oratorium entwickelte sich Ende des 18. Jh.s das Geistliche Singspiel, so ist z. B. Die Bekehrung Augustins [...], ein geistliches Singspiel (Innsbruck 1768) eine Übersetzung von J. A. Hasses La conversione di S. Agostino durch Ferdinand Reisner SJ. Die Herkunft der Gattung zeigt sich in der Beibehaltung der Rezitative. Prominente Beispiele stammen von W. A. Mozart (Die Schuldigkeit des ersten Gebots) und M. Haydn (Rebekka als Braut). In engem Zusammenhang mit dem Oratorium steht die Grabmusik.
Das Ordensdrama, dominiert von den Jesuiten, gefolgt von den Benediktinern und den Piaristen, ist nicht als Ganzes dem G. D. zuzurechnen. Dennoch ist eine theologische Intention in allen Dramen merkbar. Ältere Modelle werden in den Festspielen anlässlich von Kircheneinweihungen fortgeführt. Der bedeutendere Teil des Schultheaters war in der ersten Phase von der Konkurrenz zur humanistischen Schulkomödie geprägt („comoedia christiana“). In einer zweiten Phase entwickelte Hugo Grotius SJ, sich am humanistischen Heldendrama messend, mit dem Christus patiens 1609 die Sonderform der Tragoedia christiana (Tragoedia sacra, typisch dafür das Märtyrerdrama). Im Mittelpunkt stehen stoische Tugenden. Um 1640 tritt, besonders durch Jakob Bidermann und Jacobus Balde bewirkt, ein Umschwung ein, bei dem der Erregung der Affekte, besonders des höchsten Affektes, der Liebe, Priorität eingeräumt wird. Der Zweck ist die Erschütterung der Zuschauer, die zur Hinkehr zu Gott führen soll. Dieser folgenschwere Wandel hängt nicht zufällig mit der Augustinus-Renaissance des 17. Jh.s zusammen.
Direkt an das mittelalterliche Mysterienspiel, angeregt durch die ungebrochene Tradition in Oberammergau, knüpft in Österreich die Wiederbelebung des Passionsspiels im 20. Jh. an. Dabei ist zeitbedingt eine Funktionsverschiebung vom Erbaulichen zum Bekenntnishaften feststellbar. Diese Wiederbelebung hält bis in die Gegenwart an und erfuhr eine dichte geographische Verbreitung. Die Neuschöpfung des katholischen Volksspiels ist in Österreich mit den Namen Richard von Kralik, Josef August Lux und Rudolf Henz verbunden. Am folgenreichsten wurde diese Richtung durch die Salzburger Festspiele mit M. Reinhardt und H. v. Hofmannsthal (Jedermann, Großes Welttheater). Das religiöse, bekenntnishafte Musiktheater des 20. Jh.s bildet einen Repertoireschwerpunkt in Salzburg. Der Ersatz der tragenden christlichen Gemeinschaft durch den „Genius loci“ Salzburgs und den Verweis auf die Lokaltradition mag vorläufig dürftig erscheinen. Doch das solchermaßen umgewandelte G. D. sollte durch die Zeitumstände höchstes Interesse besonders bei den Komponisten erwecken. Hingewiesen sei auf E. Krenek (Karl V., Symeon Stylites), Carl Orff (Das kleine Welttheater, Oster- und Weihnachtsspiel), Olivier Messiaen (François d'Assise), Akaija Saariaho (Amour du loin) und auf die jüdische Paralle bei A. Schönberg (Moses und Aron, Jakobsleiter) und die gnostische Thematik bei R. Strauss (Die ägyptische Helena).
Art. Geistliche Spiele in Evangelisches Kirchenlexikon 2 (31989); Art. Geistliches Spiel in Lex. für Theologie und Kirche 4 (1995); Art. Geistliches Spiel (Geistliches Drama) in Lex. des Mittelalters 4 (1989); Art. Moralitäten in Lex. des Mittelalters 6 (1993); Art. Mysterienspiele in Lex. des Mittelalters 6 (1993); Einschlägige Einträge in Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlex., 5 Bände, 1933–55; F. P. Knapp, Die Literatur des Früh- und Hochmittelalters 1994, 90–95, 217–220, 424–443; U. Mehler, Dicere und cantare 1981; E. M. Prieler, Volksschauspiel in Laßnitz 1996; F. Hadamowsky, Mittelalterliches geistliches Spiel in Wien 1499–1718, 1981; J. Beniston, Welttheater. Hofmannsthal, Richard von Kralik, and the revival of Catholic drama in Austria, 1890–1934 , 1998.