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Gottschee (deutsch für slowenisch Kocevje)
Gebiet einer ehemaligen deutschen Sprachinsel (ca. 860 km², 177 Ortschaften) im heutigen Slowenien, im südlichsten Teil des Erzherzogtums Innerösterreich (Steiermark, Kärnten, Krain) gelegen; um 1325 durch die Grafen von Ortenburg mit Bauern aus Osttirol und Kärnten besiedelt. Sprach- und Musikforschung wurden im Verlauf des 19. Jh.s auf die G. aufmerksam, als – beginnend mit Josef von Rudesh – erste Mundartproben sowie Texte und Melodien von Liedern in Fachzeitschriften abgedruckt wurden (Sprache, Musik und Sprachinselforschung). An den Aufzeichnungen mittelalterlicher (Kudrun-)Epik (Epos) entwickelte sich ein neues Teilfach, die „Sprachinselvolkskunde“. Das Buch des Prager Philologen Adolf Hauffen (Die deutsche Sprachinsel G. 1895) regte weitere intensive Sammeltätigkeit an. Hans Tschinkel, 1872 in Lichtenbach in der G. geboren, ein Schüler Hauffens in Prag, gründete zusammen mit Wilhelm Tschinkel, Oberlehrer in Morobitz, und Josef Perz, Oberlehrer in Nesselthal, im Jahr 1906 den G.r Arbeitsausschuss. Dieser sollte im Rahmen eines vom k. u. k. Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien in Auftrag gegebenen Sammelwerkes Das Volkslied in Österreich (Volksliedsammlung) die einschlägigen G.r Überlieferungen für eine Veröffentlichung vorbereiten. Der Beginn des Ersten Weltkrieges verhinderte die Fertigstellung und Drucklegung dieses Bandes, das Manuskript gelangte nach dem Tod Hans Tschinkels im Jahr 1928 durch Kauf an das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg im Breisgau/D. Dort haben sich zunächst Erich Seemann und Walter Wiora im Rahmen vergleichender Studien Verdienste um die Erschließung der Sammlung erworben. Doch erst Rolf W. Brednich und W. Suppan haben seit 1963 den Plan einer Gesamtausgabe der G.r Volkslieder entwickelt, der über Tschinkels Sammlung hinaus alle älteren und zudem alle neueren Feldforschungen sowohl (bis 1945) in der G. und in der historischen Untersteiermark als auch bei den (seit 1945) Heimatvertriebenen in Österreich, in Deutschland, in verschiedenen Staaten Nord- und Südamerikas berücksichtigt. Inzwischen sind in den Jahren 1969, 1972 und 1984 alle greifbaren Aufzeichnungen in drei Bänden erschienen. Ehe die Musikforschung auf das G.r Liedgut aufmerksam geworden ist, hat die Sprachforschung die mittelalterliche Provenienz des „Dialektes“ erkannt. In der „Sprachinsel-Isolierung“ haben sich zudem Themen erhalten, die bereits in mittelhochdeutscher Sprache in Quellen des 13. Jh.s schriftlich fixiert erscheinen, wie das aus dem Ambraser Heldenbuch bekannte Kudrun-Epos.

Die stichisch-epische Vortragsart erhielt sich in der G. über sechs Jh.e, bis in das 20. Jh. herein, wobei sowohl in Bezug auf die Textmotivik wie auf die Vortragsart zwischen den G.rn und den sie umgebenden slawischen Völkern Kontakt bestand. Während der „ältere Stil“ durch den charakteristischen altartigen Dialekt bezeichnet wird (Bd. 1 und 2 der NA), zeigen Lieder und Tanzmelodien des „neueren Stils“ die Übernahme jeweils modischer Musik aus dem österreichisch-bayerischen Raum (Bd. 3 der NA). Belsazar Hacquet de Lamotte, ein Weltreisender des 18. Jh.s, der auch in die G. gekommen war, erkannte die Sprache damals nicht als „deutschen“ Dialekt, sondern sprach von „den Juden der Wenden“. Seit dem 18. Jh. wird bezeugt, dass die G.r („Gottschewer“) während der Wintermonate als Händler mit einem sog. „Bauchladen“ die Städte und Dörfer der Donaumonarchie durchstreiften. Von ihren weiten Wanderungen haben die G.r dieses neuere Modeliedgut in ihre Heimat mitgebracht.


Gedenkstätten
G.r Gedenkstätte in Graz-Mariatrost, nahe der Wallfahrtskirche.
Tondokumente
TD: J. Künzig/W. Werner, G.r Volkslieder. Aus mündlicher Überlieferung. Authentische Tonaufnahmen 1954–1966. Drei LPn mit Textheft 1967.
Literatur
R. W. Brednich in JbfVldf 11 (1966); R. W. Brednich/W. Suppan, G.r Volkslieder 1 (1969), 2 (1972) u. 3 (1984); H. Grothe, Die dt. Sprachinsel G. in Slowenien 1931; A. Hauffen, Die dt. Sprachinsel G. 1895; W. Hensel in Das Joanneum 3 (1940); M. Hornung, Mundartkunde Osttirols 1964; M. Hornung in JbÖVw 15 (1966); E. Kranzmayer, Historische Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraumes 1956; L. Kretzenbacher in JbÖVw 6 (1957); M. Kundegraber in Carinthia I,155 (1965); J. Herr v. Rudesh in J. M. Schottky (Hg.), Vorzeit und Gegenwart 1 (1823); W. Salmen, Das Erbe des ostdt. Volksgesanges 1956; W. Suppan in Stud. mus. 3 (1962); W. Suppan in NZfM 127 (1966); W. Tschinkel, G.r Volkstum 1931; W. Wiora in [Fs.] John Meier 1949; R. Wolfram in JbÖVw 6 (1957).

Autor*innen
Wolfgang Suppan
Letzte inhaltliche Änderung
25.4.2003
Empfohlene Zitierweise
Wolfgang Suppan, Art. „Gottschee (deutsch für slowenisch Kocevje)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 25.4.2003, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00020963
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
© Monika Kornberger
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DOI
10.1553/0x00020963
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