Hauer, Hauer, Josef Matthias:
Familie
Josef Matthias:
*
1883-03-1919.3.1883
Wiener
Neustadt/NÖ,
†
1959-09-2222.9.1959
Wien.
Komponist.
Als Kind das Zitherspiel erlernt, besuchte 1897–1902 die Lehrerbildungsanstalt
in
Wiener Neustadt, zunächst
Unterlehrer in Krumbach/NÖ, dann in
St. Pölten und
Wiener Neustadt, Cello- und Klavierunterricht, daneben autodidaktisch Theorie- und
Kompositionsstudium (aber auch bei
J.
Kaindl), auch als Organist, Chordirigent und Cellist (aber Ablehnung eines
Angebots der
Wiener Philharmoniker) tätig; Einfluss seines Freundes und Studienkollegen, des Philosophen
Ferdinand Ebner; in
Wien Staatsprüfung
(Lehrbefähigung für Musik an Mittelschulen und Lehrerbildungsanstalten), während des
Ersten Weltkriegs Schreiber im Wiener Hauptquartier. Die Familie übersiedelte 1915 nach
Wien (Kontakt mit Peter Altenberg,
H.
Bahr,
K. Kraus, der
Freien Bewegung um den Architekten Adolf Loos und dem Maler
Johannes Itten, dem
Gralsbund um
R. v. Kralik, dem
Institut
für Kulturforschung um Erwin Hanslick). 1919 frühzeitig pensioniert,
entwickelte er in diesem Jahr und noch vor
A. Schönberg eine eigenständige
Zwölftontechnik (zuerst in
Nomos op. 19 für Klavier, erstmals in
Vom Wesen des
Musikalischen 1920 theoretisch ausgeführt), bestehend aus je zwei
Sechston-Kombinationen, die die bisherigen Tonarten ersetzen sollten und die er 1921 in
ein System von 44 „Tropen“ brachte. Erste Aufführungserfolge in den 1920er Jahren
(Donaueschingen/D 1924,
Musik- und Theaterfest der Stadt Wien 1924, IGNM-Festival
Frankfurt am Main 1927,
Baden-Badener Kammermusikfest 1928)
endeten mit einer Verdammung seines Werks durch die Nationalsozialisten. 1939 schrieb er
sein letztes Werk mit Opuszahl, danach nur mehr nummerierte bzw. datierte
„Zwölftonspiele“. H. faszinierte als Mensch und Künstler auch Literaten wie Bahr, Otto
Stoessl
(Sonnenmelodie), Hermann Hesse
(Glasperlenspiel) und Franz Werfel (Musiker Fischböck in
Verdi). Zu seinen Schülern zählten
H. Heiß und
V. Sokolowski. Einen großen
Einfluss übte er auch auf
O.
Steinbauer und dessen
Klangreihenlehre aus.
Seine im Vergleich zu Schönberg spannungslos wirkende, statische, trotz Preisgabe
der Tonalität „wohlklingende“
Zwölftonmusik verband H. mit einer mystisch-esoterischen Weltanschauung (u. a. Berufung
auf A. Schopenhauer, die
Farbenlehre Goethes und Ittens [Farbe-Ton-Beziehung], auf die Musik der Chinesen und Griechen). Zu seinen
Zentralbegriffen gehören Melos (verstanden als atonale Musik) und Rhythmus (verstanden
als tonale Musik). Ziel ist, zumal in den Zwölftonspielen, eine gesetzmäßige,
objektivierte, entpersönlichte Kunst.
Gedenktafel Josefstädter Straße 74 (Wien VIII); J.-M.-H.-Platz (Wien
VIII); ehrenhalber gewidmetes Grab am Dornbacher Friedhof (Wien XVII).
Preis der Stadt Wien (Kategorie Musik) 1927 u. 1954; Ehrenmitglied der
Wiener
Konzerthausgesellschaft 1953; Prof.-Titel 1954; Großer
Österr. Staatspreis 1955.
Orchesterwerke (Apokalyptische Phantasie, Suiten,
Langsamer Walzer, Romantische Phantasie), Violin- und
Klavierkonzert, Klavierwerke (Labyrinthischer Tanz für Kl.
4-händig, Nomos in sieben Teilen, Nomos in fünf Teilen),
Kammermusik (Streichquartette, darunter Chinesisches
Streichquartett), Hölderlin-Kantaten (Wandlungen, Der Menschen
Weg, Emilie vor ihrem Brauttag), Oper Salambo (nach
Gustave Flaubert), Singspiel Die schwarze Spinne (nach Jeremias
Gotthelf), Sophokles-Lieder für Männerchor und Orch., Prometheus
(Goethe) für Singst. und Orch., Lieder der Liebe (Hölderlin) für
Frauenchor, Kl. und Harmonium, Vom Leben (Hölderlin) für Sprecher,
4 Solost. und Kammerorch.; Messe für Chor, Org. und Kammerorch.; tausend
Zwölftonspiele.
Über die Klangfarbe, op. 13, 1918 (erweitert als
Vom Wesen des Musikalischen 1920, 31966);
Die abendländische Musik im
MannesalterJosef Matthias Hauer, Die abendländische Musik im Mannesalter, in Musikblätter des Anbruch 2/9 (1920), 335–337. in Musikbll. des Anbruch 2
(1920); SphärenmusikJosef Matthias Hauer, Sphärenmusik, in Melos 3/3 (1922), 132f. in
Melos 3 (1922); Deutung des Melos:
eine Frage an die Künstler und Denker unserer ZeitJosef Matthias Hauer, Deutung des Melos: eine Frage an die Künstler und Denker unserer Zeit. Leipzig–Wien–Türich 1923.
1923; Atonale MusikJosef Matthias Hauer, Atonale Musik, in Die Musik 16/1 (1923/24), 103–106. in Die
Musik 16 (1923/24); Musikalisches
DenkenJosef Matthias Hauer, Musikalisches Denken, in Musikblätter des Anbruch. Halbmonatsschrift für moderne Musik 5 (1923) in Musikbll. des Anbruch 5
(1923); Tonale und atonale
InstrumenteJosef Hauer, Tonale und atonale Instrumente, in Musikblätter des Anbruch 6/6 (1924), 246–248. in Musikbll. des Anbruch 6
(1924); Melische Tonkunst in Der Auftakt 5 (1925);
Vom Melos zur Pauke: eine Einführung in die
ZwölftonmusikJosef Matthias Hauer, Vom Melos zur Pauke: eine Einführung in die Zwölftonmusik. Wien 1925. 1925 (21967Josef Matthias Hauer, Vom Melos zur Pauke: eine Einführung in die Zwölftonmusik. 2. Aufl. Wien 1967.); Zwölftontechnik: die Lehre von
den TropenJosef Matthias Hauer, Zwölftontechnik: die Lehre von den Tropen (Joseph Matthias Hauer, Theoretische Schriften 2). Wien 1926.1953 1926, 21953; Säen und ErntenJosef Matthias Hauer, Säen und Ernten, in Musikblätter des Anbruch 8/1 (1926), 13–17. in Musikbll. des
Anbruch 8 (1926); Zwölftonspiel-ManifestHermann Pfrogner, Die Zwölfordnung der Töne. Wien 1953. in H. Pfrogner,
Die Zwölfordnung der Töne 1953.
NGroveD 11 (2001); MGG 5 (1956) u. 16
(1979); MGÖ 3 (1995); W. Szmolyan, J.
M. H.Walter Szmolyan, Josef Matthias Hauer. Eine Studie (Österreichische Komponisten des 20. Jahrhunderts 6). Wien 1965. 1965; R. Stephan in KdG [o. J.];
M. Lichtenfeld, Untersuchungen zur Theorie der
Zwölftontechnik bei J. M. H. Monika Lichtenfeld, Untersuchungen zur Theorie der Zwölftontechnik bei Josef Matthias Hauer (Kölner Beiträge zur Musikforschung 29). Regensburg 1964. 1964; R. M. Weiss (Hg.),
J. M. H.: 80 Jahre
ZwölftonmusikRobert Michael Weiss, Josef Matthias Hauer. 80 Jahre Zwölftonmusik. Wiener Neustadt 1999. 1999; H. Henck, Fürsprache für H.Herbert Henck, Fürsprache für Hauer. Deinstedt 1998. 1998; R. Stephan in
AfMwRudolf Stephan, Über Joseph Matthias Hauer, in Archiv für Musikwissenschaft 18 (1961), 265–293. 18 (1961); J.
Sengstschmidt, Zwischen Trope und Zwölftonspiel: J. M.
H.s Zwölftontechnik in ausgewählten BeispielenJohann Sengstschmidt, Zwischen Trope und Zwölftonspiel. J. M. Hauers Zwölftontechnik in ausgewählten Beispielen., in: Forschungsbeiträge zur Musikwissenschaft 28. Regensburg 1980. 1980; J.
Sengtschmidt in G. Metz (Hg.), Visionen und Aufbrüche: zur Krise der
modernen Musik 1908–1933, 1994; H. U. Götte, Die Kompositionstechniken J. M. H.Hans U. Götte, Die Kompositionstechniken Josef Matthias Hauers. Kassel 1989. 1989; J.
Covach, The Music and Theories of J. M.
H.,John Rudolph Covach, The music and theories of Josef Matthias Hauer. Dissertation Michigan 1990. Diss. Univ. of Michigan 1990; B. Simms in Journal of the Arnold Schoenberg
InstituteBryan R. Simms, Who First Composed Twelve-Tone Music, Schoenberg or Hauer?, in Journal of the Arnold Schoenberg Institute 10/2 (1987), 108–135. 10/2 (1987).
Sein Sohn Bruno: * 2.1.1912
Wiener Neustadt, † 5.11.1992 Wien. Komponist, Musikverleger und Schallplattenproduzent.
Neben Lehre für Buchkunst und Musikalienhandlung Musikunterricht am Wiener
Volkskonservatorium bei F.
Großmann (Klavier, Theorie) sowie bei seinem Vater; widmete sich der
U-Musik (s. Abb.), gründete 1945 den
Fortissimo Musikverlag und 1960 die Rex Rovel
Schallplattenproduktion.
Goldenes Verdienstzeichen der Republik Österreich.
Wienerlieder, Tanz- und U-Musik (I hab ka Angst ums Weanalied, Zwa
Bleamerln steh’n am Wiesenrand, Miazzerl, Blumen aus Florenz).
Lang 1986; Who is who in Öst. 1987/88.
10.5.2023
Barbara Boisits,
Art. „Hauer, Familie“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
10.5.2023, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d0b3
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