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Jesuiten
Ordensgemeinschaft (Societas Jesu, SJ); gegründet 1534 durch Ignatius v. Loyola, 1540 durch den Papst bestätigt, mit dem Ziel, eine geistige Elite (milites christi) im Sinne der Gegenreformation zu schaffen. 1551 holte Kaiser Ferdinand I. die J. im Zuge der ersten Welle der Gegenreformation in die österreichischen Länder; dem 1. Kollegium (seit 1554 auch mit einer Schule) in Wien folgten bald Niederlassungen in Innsbruck (1562), Hall in Tirol (1569), Graz (1572, mit dem Seminar Ferdinandeum ab 1574), Linz (1600, ab 1602 mit einem Gymnasium), Millstatt (1600), Steyr (1630, Schule ab 1632), Leoben, Krems, Klagenfurt und mehreren kleineren Kollegien. Als Beichtväter der Mitglieder der kaiserlichen Familie und durch die Übernahme der Univ.en gewannen die J. bald auch großen politischen Einfluss (da ihre Kollegien und Schulen zu Hauptausbildungsstätten für Adel, Klerus und Intellektuelle wurden, konkurrenzierten bzw. drängten sie die traditionellen Schulen an den Domkirchen bzw. den alten Klöstern, v. a. der Benediktiner, zurück).

Das Leben der SJ wird durch das Institutum (= Ordensregel) bestimmt, welche die Constitutiones (Ordenssatzungen), die Ratio studiorum (Studienordnung), die Beschlüsse der Generalkongregation und die Verordnungen der Ordensgenerale enthält. Aufgrund ihres Gründerauftrages liegt ein Schwerpunkt jesuitischer Arbeit auf Wissenschaft und Lehre, ein weiterer auf dem Gebiet der Mission.

Die J. verwenden die römische Liturgie und standen anfangs Musik (sowohl im liturgischen Gebrauch wie in der Rekreation) ablehnend gegenüber (Musik gilt für die J. nicht als „opus Dei“ wie bei Benediktinern oder Franziskanern), doch wurden die Bestimmungen in den einzelnen Häusern schon gegen Ende des 16. Jh.s gelockert (das Wiener und das Prager Kollegium nahmen eine Vorreiterrolle in der Durchsetzung von Musik für den Gottesdienst ein). Zudem erwies sich Musik (als Kirchenlied wie im schulischen Gebrauch [Jesuitendrama]) als nützliches Instrument der geistlichen Erziehung, sodass es zu Beginn des 17. Jh.s zu einer Umkehr in der Haltung gegenüber Musik kam und zahlreiche Kirchenlieder (v. a. Marienlieder) bzw. pädagogische Stücke (mit einem wachsenden Anteil an Musik) entstanden. Obwohl noch in der Studienordnung von 1599 Musik fehlt, wurde um 1600 an den meisten Kollegien Musikunterricht eingeführt, zwischen 1630/50 auch die Orgel als Musikinstrument für den Gottesdienst (die Kollegien in Prag, Graz und Wien hatten auch hier ein Umdenken der Ordensoberen in Rom durchgesetzt). Besonders prunkvoll wurden die Prämienverleihungen gefeiert (oft auch in Anwesenheit von Mitgliedern des Herrscherhauses und/oder des Hochadels). Schon Ferdinand II. hatte die Musik am Grazer Kollegium gefördert und den J. Musiker seiner Hofmusikkapelle zur Verfügung gestellt, ebenso als Kaiser die Wiener Niederlassungen (am Hof und in der Bäckerstrasse), die v. a. unter Leopold I., ein prunkvolles Musikleben entwickelten. Die J. traten auch bei allen offiziellen Anlässen und Feierlichkeiten in Erscheinung: bei Prozessionen, Umzügen, im Rahmen kaiserlicher Hochzeiten, Namens- und Geburtstagsfeiern. Ab 1569 gibt es aus Wien Berichte über Armenkathechese („Christenlehre“) der J., im Zuge derer Kinder singend und betend durch die Straßen zogen. Unter den bedeutenden Persönlichkeiten (Musiker, Musiktheoretiker, Librettisten bzw. Dichter), die die SJ hervorgebracht hat, sind hervorzuheben: A. Kircher und sein Schüler Caspar Schott (1608–88), P. Wolfgang Schönsleder († 1651), Melchior Ichofer (1584–1648), Nikolaus Avancinus (1611–86), J. B. Dolar, Georg Behm (1621–66), Johann Baptist Adolph (1657–1708), Joseph Pogatschnig (1675–1712), J. M. Denis, Franciscus Colle (1746–1815), Andreas Draghetti (1736–1825).

1773 wurde die SJ in Österreich aufgehoben und erst 1814 wieder zugelassen, konnte jedoch ihre ehemals dominierende Stellung im geistigen wie politischen Leben der österreichischen Länder nicht wiedererlangen. Aktuelle Niederlassungen der SJ in Österreich sind: das Provinzialat in Wien (mit Kollegium Kalksburg), Innsbruck (mit philosophisch-theologischer Fakultät, Priesterseminar und Noviziat), Linz (Kollegium Aloisianum), Steyr, Feldkirch (mit Stella Matutina), St. Andrä im Lavanttal.


Schriften
(Gesangbücher) A. Knechtl, Cantilenae piae, Wien 1688; Ignaz Querck, Gesänge für die Feste des Jahres, Wien o. J.; J. M. Denis, Geistliche Lieder, Wien 1774; J. M. Denis, Hymni ecclesiastici, Wien 1779; Franz Xaver Riedel, Lieder der Kirche, Wien 1773; Franz Xaver Weninger, Geistliche Lieder, Innsbruck 1844; Franz Hattler, Dem Herzen Jesu singe, Innsbruck 1890; – anonym: Brennende Feuerstrahlen, Wien-Luzern 1638; Missionsbüchlein, Heidelberg 1717, Wien 1737; Hülf in der Not, Wien 1720; Christliche katholische Lehrgesänge, Steyr 1724; Marianische Harfen, Wien 1750; Geistliche Lieder, Wien 1767.
Literatur
MGG 4 (1996); M. Wittwer, Die Musikpflege im Jesuitenorden unter besonderer Berücksichtigung der Länder dt.er Zunge 1934; NGroveD 13 (2001); MGÖ 1 u. 2 (1995); ÖL 1995; Czeike 3 (1994); W. Kramer, Die Musik im Wr. Jesuitendrama von 1677–1711, Diss. Wien 1961; H. Federhofer in Aus Archiv und Chronik 2/5 (1949); H. Glaser, Die Herrschaft der Jesuiten in Millstadt 1600–1733, Diss. Wien 1968.

Autor*innen
Elisabeth Th. Hilscher
Letzte inhaltliche Änderung
25.4.2003
Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Th. Hilscher, Art. „Jesuiten‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 25.4.2003, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d31d
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001d31d
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