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Judenburg
Stadt in der Obersteiermark; die älteste urkundlich belegte Handelsstadt der Steiermark entstand am Knotenpunkt mehrerer vielbegangener Römerstraßen. Früheste Zeugnisse menschlicher Besiedlung reichen bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurück. Einzelfunde stammen aus dem späten Neolithikum, der frühen mittleren Bronzezeit und der Urnenfelderzeit. Der weit über die Landesgrenzen hinaus bedeutende hallstattzeitliche Fund – der Kultwagen von Strettweg bei J. – stammt aus einem um 600 v. Chr. angelegten „Fürstengrab“ mit wertvollen Beigaben (Hallstatt-Kultur).

Der Name Judinburch ist erstmals 1074 in einer Urkunde genannt und bezieht sich auf die Burg der Eppensteiner. Der letzte seines Geschlechtes übertrug 1103 dem von seiner Familie gegr. Stift St. Lambrecht die Maut- und Zollrechte J.s (ab 1279 an die Liechtensteiner bzw. an J.er Rittergeschlechter und seit 1516 von Kaiser Maximilian I. dauernd an die Stadt verpachtet). In diesem Zusammenhang ist der mercatum Judenpurch erstmals urkundlich belegt und damit das älteste bekannte Beispiel eines Stapel- bzw. Niederlassungsrechtes in Österreich. Nach dem Tod Herzog Heinrichs III. (1122) und dem Aussterben der Eggenberger war J. Sitz der Traungauer und Babenberger, ab 1192 Grenzstadt des Besitzkomplexes der Babenberger. 1224 erhielt J. durch Herzog Leopold VI. das Stadtrecht mit eigener Gerichtsbarkeit. 1260 bereits beauftragte Gertrudis v. Babenberg den Vertreter der Landesfürsten und Verwalter der J.er Burgrechte, Ulrich v. Liechtenstein, die beiden Siedlungen (Burg und Markt) mit Wasserleitungen zu versehen. Der bedeutendste Vertreter aus dem Geschlecht der steirischen Liechtensteiner, die seit 1140 in J. beurkundet sind, ist nicht allein durch seine politische Rolle, sondern vielmehr durch seine literarische Tätigkeit als Minnesänger erwähnenswert. Zum Gefolge von Ulrichs Sohn Otto gehörte Ottokar aus der Gaal (ca. 1265–1319/21), Verfasser der Steirischen Reimchronik. Neben diesen weltlichen Vertretern mittelalterlicher Dichtkunst seien noch zwei geistliche erwähnt: Gundaker v. J. mit dem bibelepischen Werk Christi Hort um 1300 und die Nonne Anna v. Goldegg, welche die Ludwigslegende niederschrieb und im ausgehenden 14. Jh. im Klarissinnenkloster lebte. Überregionale Bedeutung erlangten im 15. Jh. die Werkstätte des Hans v. J. (urk. 1411–21) mit seinen sakralen Kunstwerken und im 18. Jh. die von Balthasar Prandtstätter begründete und von Johann Nischlwitzer weitergeführte J.er Schnitzwerkstätte. Die in J. angesiedelten Klöster der Minoriten (gegr. um 1257, 1455 von Johannes Capistran in ein Franziskanerkloster umgewandelt), der Klarissinnen (13. Jh.) und der Augustiner-Eremiten (gegr. 1357, ab 1620 Jesuiten) waren wichtige Auftraggeber lokaler Künstler und Kunstwerkstätten.

Der wirtschaftliche Aufstieg J.s ist vorwiegend dem Handel mit Roheisen bzw. mit Eisenwaren, die nach Italien und den süddeutschen Raum verkauft wurden, zuzuschreiben. Zur wirtschaftlichen Prosperität trug auch die Prägung des J.er Guldens bei, der im 14. Jh. zur wichtigsten Goldmünze der Habsburger Länder wurde. Zum Eisenmonopol kam 1460 das Monopol für Speik. Der Adelsaufstand gegen Kaiser Friedrich III., Türkenheimsuchungen, Feindseligkeiten mit Ungarn oder der Bauernaufstand wirkten sich zwar negativ auf die Wirtschaft aus, jedoch behielt J. seine führende Stellung.

1104–48 Erbauung der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus, um 1335 der Magdalenenkirche (ehemalige Spitalskirche). Letztere besitzt reichen Glasfensterschmuck (1380–1400 entstanden) mit Darstellungen musizierender Engel mit Harfe und Portativ (Orgelbau, Ikonographie der Musik).

1279 wird erstmals ein Schulmeister genannt, danach um 1300 und 1331. Seit dem 14. Jh. mehren sich urkundliche Belege für die Stadtschule (Pfarrschule) in der Nähe der Stadtpfarrkirche. Um 1530 existieren eine „deutsche“ und „lateinische“ Schule unter der Kontrolle des Pfarrers bzw. Magistrats. 1509–15 wird als erster Organist Partlme genannt, seit 1565 sind Schulmeister (1565–66 Erasmus Miller), die meistens auch Stadtorganisten waren, namentlich bekannt. Hervorzuheben wäre die angesehene Lehrerdynastie Hauser (ab 1730 Caspar H. [1693–1780] Stadtschulmeister und Regens chori, und 1782–92 sein Sohn Georg [1751–1793], der einzige weltliche Lehrer; auch dessen Sohn Franz Xaver [1778–1845] übte diesen Beruf aus). Der später in Graz lebende Komponist M. Heimerich war in der J.er Pfarrschule 1795–97 Mesner und stand dem Schulmeister Jacobus Reischl als „Adituus“ zur Seite. Zu den markantesten Stadtbürgern im 19. Jh. gehörte Franz Sales Müller (1784–1876), ein Bäckerjunge, der es zum Generalpächter sämtlicher Mauten in der Steiermark und zum Chor- und Musikregens der Stadtpfarre brachte. Die Stadtschule wurde 1776 durch die theresianische Reform zur k. k. Normal-Hauptschule und 1827 zur k. k. Kreishauptschule.

Gewöhnlich hielten sich in J. mehrere Musikanten auf, wie 1594 der Geiger Wolff Rösler. Jene, die von der Stadt Produktionsbewilligung erhielten, nannten sich Stadtmusikanten, wie die Geiger Hanns Gozhaber und Hanns Tenikler (1612) oder Philipp Picklmayr (1621). 1650 schlossen sie sich zu einem Verband zusammen. 1749 mussten die Stadtspielleute (Spielmann) Schutzgeld bezahlen und wehrten sich wiederholt gegen fremde Eindringlinge. Zu den Bediensteten der Stadt gehörten auch zwei Turmwächter (Thurner), die sich aber nicht musikalisch betätigten. Lediglich 1549 erhielten sie für das „Treten des Horns“ (das Hornwerk existierte nur wenige Jahre), einen Zuschuss.

Aus J. stammt auch A. Zweiller, dessen Parodie-Magnificat zu den frühesten Belegen dieser Gattung zählen.

Seit vermutlich 1523 wird in dreijährigem Zyklus die Prozession nach Waitschach/K durchgeführt, bei der seit jeher Musikanten beteiligt waren, für die der „vorangehende Ludimagister“ verantwortlich war.

Reformatorisches Zentrum des obersteirischen Adels war die Burgkirche St. Martin. Zu den wichtigsten Einrichtungen der protestantischen Ära gehört die Evangelische Landschaftsschule mit Gymnasialcharakter von 1577–98. Nach ihrer Auflösung sind 1599 die ersten Studenten an der Grazer Univ. (ab 1608 ständig) nachweisbar.

Ende des 16. Jh.s setzten gegenreformatorische Bestrebungen ein, die durch die Jesuiten weitergeführt und gefestigt wurden. Sie waren die wichtigsten Träger der Rekatholisierung und prägten bis zur Aufhebung des Ordens 1773 (die Bibliothek des Jesuitenkollegs kam an die Univ.sbibliothek Graz, geringe Bestände wurden verkauft) das künstlerische und religiöse Leben J.s. 1621–1773 unterhielten sie ein Gymnasium, in welchem u. a. 1757–59 der aus Antwerpen stammende Komponist Wilhelm Wirth, der 1769 im Grazer Ferdinandeum als Regens chori genannt wird, studierte. Von ihm findet sich ein Regina coeli Ex F im Notenbestand der Pfarrkirche (dieser umfasst insgesamt 90 Hss. und 27 Drucke aus der 2. Hälfte des 18. und vom Anfang des 19. Jh.s und wird im Diözesanarchiv Graz aufbewahrt). Im Gymnasium wurde auf Musik und Bühnenspiel großer Wert gelegt. Bei den Dramenaufführungen (Schuldramen) wirkten auch Sänger- und Musikerknaben mit. Bis 1758 sind die Stücke und deren Darsteller durch Periochen dokumentiert. Von einem ist sogar der Komponist (P. Josephus Anplatz) bekannt. 1820–57 führten die Admonter Benediktiner hier ein k. k. Gymnasium.

Ab 1796 ist ein Dilettanten-Theater, später Armen-Instituts-Theater nachweisbar. Aufführungen fanden bis 1807 in der ehemaligen Martinikapelle, danach bis 1852 im Ballsaal der einstigen Burg statt. Die J.er Provinzbühne Theatergesellschaft Neubauer (1879–1923), später als Spielgruppe Schnutt wiedererstanden, war im Zweiten Weltkrieg auch Frontbühne.

In J. war bereits im 14. Jh. der Glockenguss beheimatet: 1344 wird ein Meister erwähnt, der eine 131 Zentner schwere Glocke für das Stift Klosterneuburg gegossen hat; 1346 verkaufte Margreth dy Glockengiesserin aus Nussdorf/J. ihr Eigengut der Äbtissin des J.er Klarissinnenklosters. Im 15. Jh. machte Hans Mitter (Gusszeit 1438–60) J. zu einem der bedeutendsten Gussorte Österreichs. Niklas Grünwald (bis 1533 nachweisbar) dürfte ein Schüler Mitters und/oder Nachkomme in seiner Glockengießerei gewesen sein. Er verwendete neben dem Gusszeichen NG auch Mitters Hund-Hase-Motiv. Später hielten sich in J. Gießer nur vorübergehend auf: 1670 Peter Zwölfer, 1757 Johann Langer.

Orgelbauer waren zeitweise im 17. und 18. Jh. ansässig. 1607/08 fertigte Paul Grueber in der Stadtpfarrkirche eine neue Orgel an und führte dort bis 1629 mehrere Reparaturen durch. 1666 wird J. D. Recher genannt. 1706–10 versah der aus Zug/CH stammende und vorher in Murau tätige Orgelbauer Josef Ignaz Meyenberger den Mesnerdienst in der Stadtpfarrkirche. Die von ihm ebendort errichtete neue Orgel wurde 1829 von Anton Hötzel (A. Hötzl) erneuert und 1901 von M. Mauracher vergrößert. 1710 ist er in Bruck an der Mur nachweisbar. 1733 wird Peter Joas genannt.

Unter den Vereinsgründungen im „bürgerlichen“ Zeitalter (bürgerliche Musikkultur) ist der J.er Männergesangverein 1860 (mit Frauenchor) der älteste bestehende Verein. Gegr. 1860 als Sängerverein (1. Chorleiter Ignaz Gugl, † 1903), vereinigte er sich 1919 mit Liederkranz (gegr. 1898) und Deutsche Sängerrunde Murvorstadt (gegr. 1911). 1968 organisierte der Verein in J. das 16. Steirische Sängerbundfest. 1923 wurde J. Gauby, der Komponist des Judenburga G’läuts, Ehrenmitglied des Vereins und 1931 Ehrenbürger der Stadt. (Weitere Ehrenbürger waren F. Fuchs d. Ä., der als Regens chori, Stadtkapellmeister, Musiklehrer und Dirigent mehrerer Chorvereinigungen das Musikleben mitgestaltete, sowie F. Fuchs d. J., der u. a. das J.er Kammerorchester gründete.) Daneben gibt es den Arbeitergesangverein Harmonie (gegr. 1898) und den Männgergesangverein der Kärntner (gegr. 1922). Seit 1912 existiert der Verein Alpenländischer Volkstänzer zur Pflege der Folklore. Die 1922 gegr. Gruppe d’lust’gen Steirer z’J. ist die Pflegerin des Volkstanzes. Der Kirchenchor St. Nikolaus bestand mit mehreren Unterbrechungen bis 2001. Um 1900 wurde ein eigenes Stadtkapellmeisteramt geschaffen (die meisten Stadtkapellmeister hatten auch das Amt des Regens chori der Stadtpfarre inne) und 1910 eine Stadtkapelle gegründet, deren Leitung F. Fuchs d. Ä. übernahm. In der Zwischenkriegszeit wurde sie aufgelassen, die Blaskapelle der Stadtgemeinde existierte aber als Verein bis 1938. Dafür entstand 1929 der Arbeiter-Musikverein (Leiter Franz Kühndl, 1884–1942); 1934–38 der Vaterländischen Front angegliedert und bis 1945 als Werksmusik geführt.

1939 wurde unter K. Stekl eine MSch. errichtet (weiters ein Madrigalchor, ein Streichquartett und ein Klaviertrio gegründet), 1944 erfolgte die Umwandlung zur Bezirks-MSch. und 1953 zur Städtischen Volks-MSch. Seit 1986 Ulrich-von-Liechtenstein Musik- [seit 1999] und Kunstschule. Hinsichtlich ihres Schulprofils ist sie eine Lehranstalt für elementare, mittlere und höhere Musik- und Kunsterziehung mit erweiterter polyästhetischer und kulturwissenschaftlicher Zielsetzung. Auf Stekl folgten F. Fuchs d. J. (1943–52), A. Arbeiter (1953–58), F. Fuchs d. J. (1959–67) und Max Augsten (1967–72); seit 1972 Eberhardt Schweighofer (* 1950), der 1973 das J.er Kammerorchester im Rahmen der Städtischen Volks-MSch. wiedererrichtete.

1890–1930 führte Johann Steinacher eine Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung.

Das J.er Stadtkino (Burglichtspiele), gegr. 1912, war nach dem in Graz das zweite Kino in der Steiermark. 1971 wurde es wieder geschlossen. Seit 1953 gibt es ein Stadtkino in der Festhalle. Ab 1930 gab es Vorführungen von Tonfilmen.

1990 wurde erstmals das Musikfestival J.er Sommer durchgeführt (Festivals). Mitbegründer und derzeit alleiniger Verantwortlicher ist E. Schweighofer. Dieses einstige Musikfestival weitete sich zu einem Kulturfestival aus, das von Klassik über Rock, Pop, Jazz, Kabarett, Musical und Volksmusik bis hin zur Bildenden Kunst reicht. Seit 1998 betreibt Heimo Ranzenbacher (* 1958) das Projekt Liquid Music und Sibylle Rarej (* 1960) organisiert seit 1999 die Konzertreihe Rock ‛n’ Roses, mit monatlich einem Rock-Konzert.

Für weitere Musiker, Chor- und Kapellmeister, die das kulturelle Leben im 20 Jh. mitgestalteten, seien stellvertretend genannt: Alfred Gretler (1901–74; er gründete 1932 das J.er Streichquartett), Augustin Erdle (1905–90), Sepp Sabath (1913–95) und Max Fritz (* 1939). Als Komponist ist Dieter Zenz (* 1959) hervorzuheben, der mit seinen Werken eine Brücke in das 21. Jh. schlägt.


Literatur
F. Popelka, Gesch. der Stadt J. 1–4 (1973) [masch.]; J. Andritsch in F. Goldmann/R. F. Hausmann (Hg.), Österr. Städtebuch 6/3 (1990); J. Andritsch, J. Stadtchronik 1989; J. Andritsch, Unser J. Eine kurzgefaßte Stadtgeschichte 1975; StMl 1962–66; S. Schaffer, Das Gymnasium der Jesuiten in J. (1621-1773), Dipl.arb. Graz 1989; Beiträge von G. Almer u. J. Andritsch in Berichte des Museumsvereines J. 17 (1984); A. Kindig in Berichte des Museumsvereines J. 4 (1971); J. Andritsch in ZHVSt 55 (1964); J. Egger/H. Staubmann, Fallstudie MSch. J. (Soziale und regionale Determinanten der musikalischen Ausbildung), Dipl.arb. Wien 1979; J. Andritsch in J.er Museumsschriften 8 (1980); M. Schiestl/F. Bachmann, J. (Reihe Archivbilder) 2000; E. Schweighofer, Traditionelle Elemente im musikalischen Vereins- und Gemeinschaftsleben der Gegenwart im Gebiet des politischen Bezirkes J., Diss. Graz 1975; K. Stekl in Mitt. d. Steir. Tonkünstlerbundes 43 (1970); S. Sabath/M. Brückl, [Fs.] J.er Männergesangverein (mit Frauenchor) [1960]; A. Weissenbäck/J. Pfundner, Tönendes Erz 1961; http://www.judenburg.at/kultur (10/2002).

Autor*innen
Ingrid Schubert
Letzte inhaltliche Änderung
25.4.2003
Empfohlene Zitierweise
Ingrid Schubert, Art. „Judenburg‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 25.4.2003, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00027bbf
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