Nach dem Ersten Weltkrieg kamen zur Pflege des Volksliedes auch der Volkstanz und die Volksmusik dazu, und auch hier gab es wesentliche Impulse aus der Volksliedbewegung. R. Zoder konnte Jugendliche aus unterschiedlichen Vereinigungen für den Volkstanz begeistern. Er gab die für die Jugendbewegung wichtigsten Sammlungen für Volksmusik und Volkstanz heraus: 1919 und 1925 gemeinsam mit Rudolf Preiß 2 Bände Bauernmusi, 1922 Altösterreichische Volkstänze, und 1926–29 Otto Eberhard (Bd. 1) und K. M. Klier (Bde. 2, 3) Spielmusik fürs Landvolk.
An die Lebensweise und das Liedrepertoire des Wandervogels knüpften in Österreich der 1913 gegründete jüdische Wandervogelbund Blauweiß und der 1921 von Michael Pfliegler gegründete katholische Bund Neuland an. Aber auch die Partei- und Kirchenjugendgruppen, deren Wurzeln in Österreich in das 19. Jh. zurückreichten und zunächst das typische Vereinsleben der damaligen Zeit aufwiesen, nahmen in der Zwischenkriegszeit vieles von der ungebundenen Jugendbewegung auf, wie Wanderungen, Lager und die Pflege von Volksliedern, -tänzen und -musik.
In der J. erhielt der musikalische Anteil am Gruppenleben eine zentrale Stellung. Zwei Richtungen waren für Österreich bedeutend: Die Musikantengilden um Fritz Jöde und die Finkensteiner Singbewegung um Walther Hensel. Gemeinsam war ihnen der Glaube an eine erzieherische Funktion der Musik. Bei der Auswahl des Repertoires berücksichtigte man daher in erster Linie den gemeinschaftsbildenden Charakter. Über die Auseinandersetzung mit dem Volkslied war man zur Musik des 16.–18. Jh.s gekommen. Für die Proponenten der J. war in jener Zeit die „Volksgemeinschaft“ noch intakt, was auch die damalige Musik widerspiegle. V. a. die polyphone Satzweise entsprach ihren Vorstellungen von Gemeinschaft und galt als Ideal für chorisches Singen und Musizieren, da gleichberechtigte Stimmen in ein chorisches Ganzes aufgehen. Daher orientierte man sich auch bei neuen Tonsätzen an Form, Satzweise und Tonarten älterer Liedsätze. Außerdem forcierte man Musikinstrumente jener Zeit, wie Blockflöte, Laute (s. Abb.) und Gambe.
Trotz der vielen Gemeinsamkeiten der Musikantengilden und der Finkensteiner Singbewegung lassen sich doch einige Unterschiede feststellen. Jöde suchte die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten wie Paul Hindemith, während Hensel v. a. am Volkslied festhielt. Bei Hensel stand im Gegensatz zu Jöde eindeutig das Singen im Vordergrund. Beide versuchten, Menschen über die J. hinaus zu erreichen. Während Jöde stärker musikpädagogisch orientiert war, wollte Hensel volksbildend wirken.
Der Einfluss Jödes in der J. Österreichs ist v. a. in der Steiermark, und hier besonders in Graz bemerkbar. Der Kontakt kam über den Grazer L. Kelbetz zustande. Die nationale Ausrichtung förderte den frühen Einfluss des Nationalsozialismus in der Grazer J. L. Kelbetz, der nach seiner Rückkehr aus Deutschland 1936 Musikreferent der illegalen Hitlerjugendführer in Graz war, sein Bruder Fritz Kelbetz, W. Kolneder und der künstlerische Leiter des Musikvereins, H. Schmeidel, hielten in diesem Sinne offene Singstunden ab. Durch diese Vorarbeit in der J. in enger Zusammenarbeit mit dem Musikverein für Steiermark und dem ihm angeschlossenen Konservatorium wurde in Graz 1940 als dritter Stadt nach Weimar und Berlin eine Reichsmusikhochschule für Musikerziehung gegründet.
Neben dem Musikrepertoire des Götsch-Jöde-Kreises behielt auch hier das österreichische Volkslied einen wichtigen Stellenwert, beeinflusst durch die Vertreter der steirischen Volkslied- und Volkstumspflege, wie Viktor v. Geramb und V. Zack.
Die Finkensteiner Singbewegung, die ihre Wurzeln im deutsch-böhmischen Wandervogel der ausgehenden Monarchie hatte, fand in Österreich größere Verbreitung als die Musikantengilden. Bei den regelmäßig von Hensel veranstalteten Singwochen lernten Österreicher wie Oskar Fitz, Rudolf Treml, Kurt Pitsch, Josef Bacher, E. Schaller, H. Derschmidt, Fritz Engel, R. Wolfram, Karl Haiding und K. Horak dessen Vorstellungen kennen und arbeiteten in diesem Sinne weiter. Neben der zentralen Figur Walther Hensel blieben auch weiterhin die Vertreter der Volksliedbewegung bedeutend. Gemeinsam versuchte man, in einer „Volkstumsbewegung“ eine breite Bevölkerungsschicht zu erreichen. Besonders stark ist dies in Vorarlberg durch die Arbeit Helmuth Pommers und in Kärnten durch A. Anderluh bemerkbar.
Auch die Regierung förderte diese Art der Kultur. Unter Ignaz Seipel sah man die Volkstumspflege als Ausdruck der deutschen und katholischen Gesinnung. Im Ständestaat wurde sie Teil der vaterländischen Erziehung, sowohl in der Jugend- als auch in der Erwachsenenbildung. Nach dem Anschluss 1938 übernahm man das Musiziergut, die Veranstaltungsformen und die Personen für die Kulturarbeit des Dritten Reiches.
Die dt. J. in Dokumenten ihrer Zeit von den Anfängen bis 1933, hg. v. Archiv der J. e. V. Hamburg 1980; F. Jöde (Hg.), Musikalische Jugendkultur 1918; W. Kindt (Hg.), Grundschriften der dt. Jugendbewegung, 3 Bde. 1963–1974; D. Kolland, Die J. „Gemeinschaftsmusik“ – Theorie und Praxis 1979; W. Z. Laqueur, Gesch. der dt. Jugendbewegung 1962; H. Magschok, Rote Spieler. Blaue Blusen 1983; A. Mayer-Hirzberger, Die Musik der Jugendbewegung in Österreich bis zum Zweiten Weltkrieg, Diss. Graz 1993; W. Neugebauer, Bauvolk der kommenden Welt. Geschichte der sozialistischen Jugendbewegung in Österreich 1975; G. Schultes, Der Reichsbund der katholischen Jugend Österreichs. Entstehung und Gesch. 1967; G. Seewann, Österr. Jugendbewegung 1900 bis 1938. Die Entstehung der Dt. Jugendbewegung in Österreich-Ungarn 1900 bis 1914 und die Fortsetzung in ihrem katholischen Zweig „Bund Neuland“ von 1919 bis 1938, 1971; G. Ziemer/H. Wolf (Hg.), Wandervogel und Freidt. Jugend 1961.