Kurz Kurz Johann Joseph Felix von:
(Kurtz, K.-Bernardon), Familie
Johann Joseph Felix von:
*
1717-02-2222.2.1717
Wien,
†
1784-02-022.2.1784 Wien.
Schauspieler, Sänger, Tänzer, Impresario, Theaterschriftsteller.
Sohn des
„Comicus“ Felix K. und dessen Frau Edmunda. Verheiratet (1743) mit Franziska Toscani (1728–55,
Wien) und (1758) mit Teresina Morelli. Bis 1737 Kinderschauspieler in der Wandertruppe des Vaters, dann bis 1740 Mitglied des Stegreifensembles am
Kärntnertortheater in Wien. Spielte vorerst neben dem „Neuen Wienerischen
Hanswurst“
G. Prehauser zweite komische Partien, spätestens seit dem 17.9.1738 als Lustigmacher den
„Bernardon“. Ab April 1741 Auftritte als Schauspieler und Tänzer in Frankfurt am Main (als Mitglied der Truppe von Franz Gerwald von Walleroti), 1741/42 auch in Bayreuth/D und 1743 in Dresden/D (vermutlich in der Truppe seines Vaters). Zweiter Wiener Aufenthalt zw. 1744/53. Seit Mitte der 1740er Jahre eigene extemporierte
„Comoedien“, vornehmlich eingewienerte italienische Possen; um die Jh.mitte singspielhafte Komödien und Zauberburlesken. 1752 Verbot aller
„Compositionen von dem sog. Bernardon“ durch
Maria Theresias
„Norma“-Edikt. Bis Ende der Spielzeit im März 1753 in Wien, dann „Flucht“ nach Kolin (Kolín/CZ),
Prag (1753) und Regensburg/D (1753/54). Bereits 1754 Rückkehr an das Wiener Kärntnertortheater. 1754–60 großer Erfolg der
„Bernardoniaden“ (Maschinenkomödien um die Bernardon-Figur). Ab 1760 wieder an wechselnden Orten in Böhmen, Italien und Deutschland. 1770 Rückholung nach Wien, um das bankrotte Kärntnertortheater durch Wiederbelebung der extemporierten Posse alten Stils zu sanieren. Nach dem v. a. von
J. v. Sonnenfels betriebenen Verbot des Extemporierens und der Verschärfung der Zensur bereits 1771 wieder in
Innsbruck. In Warschau (1772–83?) 1. Tänzer der dortigen Bühne und Gründer eines eigenen Theaters (nach finanziellem Debakel inhaftiert). K. konnte danach im Theaterwesen offenbar nicht mehr Fuß fassen, bemühte sich um eine Lizenz für das Hasardspiel und errichtete eine Papierfabrik. Vermutlich 1783 kehrte er nach Wien zurück.
K.s Bedeutung für die Geschichte des (Musik-)Theaters ergibt sich: 1. personengeschichtlich aus der Zusammenarbeit mit J. Haydn, der bis 1758 mit ihm in Verbindung stand und vermutlich für dessen Maschinenkomödien Der neue krumme Teufel (UA verm. 1751 Kärntnertortheater) sowie Der aufs neue belebte und begeisterte Bernardon (UA verm. 1754, ebenda) musikalische Arrangements aus Tanzweisen und Komödienliedern (Komödienarien) verfertigte (nicht erhalten); 2. formgeschichtlich aus der singspielhaften Anreicherung der extemporierten „Comoedien“ (Maschinenkomödien, Burlesken, Possen, Mythologische Karikaturen) mit Arien (scherzhafte Rollenlieder; Prototyp des Couplets) sowie aus der erfinderischen Variierung der Genres Opéra comique (Oper) und Ambigu comique (Mischung aus Komödie, Pantomime und Operette); 3. rollengeschichtlich aus der von K. erfundenen (?) wie gespielten Figur Bernardon (erstmals 1738 nachgewiesen, fortan stets von K. persönlich gespielt; seit den 1740er bis weit in die 1760er Jahre hinein in Wien ebenso prominent wie Hanswurst); 4. gattungsgeschichtlich aus der Entwicklung der Bernardoniade (letzte Ausformung der extemporierten Zauberburleske aus dem Alt-Wiener Spaßtheater, neben der Figur des Hanswurst eigentlicher Zankapfel des „Hanswurst-Streits“ 1747–69 als totales Aktions- und Maschinentheater, d. i. Kunterbunt aus Extempore, Arien, Musik, Tanz, Geschrei, Tumult; vielräumig, zeitlos, mitunter mehrsprachig und alogisch bis zur Handlungslosigkeit, d. h. in heutigen Begriffen: offenes Drama, Mischung aus Farce, Varieté, Kabarett, Zirkus, Oper und Happening).
rund 100 „Comoedien“ (Komödien, Opéras comiques, Lust- und Singspiele, Pantomimen, Kinderpantomimen, Ballette), davon authentisch belegt 69, glaubhaft zu erschließen zusätzliche 12.
Seine zweite Frau
Teresina Morelli: * ?, † ?. Tänzerin, Schauspielerin, Sängerin. Später weibliche Hauptdarstellerin in K.’ Truppe; hier Darstellerin der Figur „Fiametta“; seit 1765 Leiterin eines eigenen Theaterunternehmens, 1770 gemeinsam mit K. in Wien, nach dessen Fortgang Engagement als Sängerin und ernste Schauspielerin am Kärntnertortheater. Seit 1774 mit K. in Warschau, endgültige Trennung 1778.
Von seinen sieben Kindern mit Franziska Toscani überlebten drei und übernahmen in K.’ „Comoedien“ Kinderrollen: Anna Eleonora Theresia (get. 1745, „Leonorl“), Bartholomäus Chrystophorus Joseph (get. 1746, „Seperl“), Susanna Franziska Antonia (get. 1747, „Tonerl“).
(Alphabetisch:) U. Birbaumer, Das Werk des J. F. v. K.-B. und seine szenische Realisierung. Versuch einer Genealogie und Dramaturgie der Bernardoniade,Ulf Birbaumer, Das Werk des Joseph Felix von Kurz-Bernardon und seine szenische Realisierung. Versuch einer Genealogie und Dramaturgie der Bernardoniade, 2 Bände (Dissertationen der Universität Wien 47). Wien 1971. 2 Bde. 1971; M. L. Ferrari in Jb. des Wr. Goethe-VereinsMaria Laura Ferrari, Zwischen Jahrmarkt und Akademie. Kurz-Bernardon und die Reform des deutschen Theaters im 18. Jahrhundert, in: Jahrbuch des Wiener Goethe-Vereins 92/93. Wien 1988/1989, 193–208. 92/93 (1988/89); B. Król in Maske und KothurnBarbara Król, Joseph Kurz-Bernardon in Warschau, in Maske und Kothurn 4 (1958), 142–154. 4 (1958); A. H. Matzner, Überprüfung der Materialien zur Biographie des J. F. v. K.,Anna Hilda Matzner, Überprüfung der Materialien zur Biographie des Josef Felix von Kurz. Diss. Wien 1937. Diss. Wien 1937; B. Müller-Kampel, Hanswurst, Bernardon, Kasperl. Spaßtheater im 18. Jh.Beatrix Müller-Kampel, Hanswurst, Bernardon, Kasperl. Spaßtheater im 18. Jahrhundert. Paderborn–Wien et al. 2003. 2003; B. Müller-Kampel in E. Białek et al. (Hg.), [Fs.] H. OrłowskiBeatrix Müller-Kampel, Verboten, vertrieben, vergessen. Das totale Theater des Joseph Felix von Kurz am Beispiel der Bernardoniade „Die fünf kleinen Luft-Geister“, in: Edward Bialek (Hg.)/Manfred Durzak (Hg.)/Marek Zybura (Hg.), Literatur im Zeugenstand. Beiträge zur deutschsprachigen Literatur- und Kulturgeschichte. Festschrift zum 65. Geburtstag von Hubert Orlowski (Oppelner Beiträge zur Germanistik 5). Frankfurt am Main et al. 2002, 453–494. 2002; M. Pirker (Hg.), Teutsche Arien, Welche auf dem Kayserlich-privilegirten Wienerischen Theatro in unterschiedlich producirten Comoedien, deren Titul hier jedesmahl beygerucket, gesungen worden. Cod. ms. 12706–12709 der Wr. NationalbibliothekMax Pirker (Hg.), Teutsche Arien, Welche auf dem Kayserlich-privilegirten Wienerischen Theatro [...] gesungen worden: Cod.ms- 12706-12709 der Wiener Nationalbibliothek. Wien 1927–1929. 1 (1927); L. Pokorny, Die Sprache des J. J. F. v. K. in seinen „Teutschen Arien“ (Wiener Mundart und Umgangssprache im 18. Jh.),Leopold Pokorny, Die Sprache des Johann Joseph Felix von Kurz in seinen „Teutschen Arien“ (Wiener Mundart und Umgangssprache im 18. Jhd.). Diss. Wien 1963. Diss. Wien 1963; F. Raab (Hg.), J. J. F. v. K. genannt Bernardon. Ein Beitrag zur Gesch. des dt. Theaters im XVIII. Jh.Ferdinand Raab, Johann Joseph Felix von Kurz genannt Bernardon. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Theaters im XVIII. Jahrhundert, hg. v. Fritz Raab. Frankfurt am Main 1899. 1899; J. W. Rademaker, J. J. F. v. K., gen. Bernardon – Reisender der Hölle,Josef Wolfgang Rademaker, Johann Joseph Felix von Kurz, genannt Bernardon – Reisender der Hölle. Diss. Mainz 1999. Diss. Mainz 1999; O. Rommel, Die Alt-Wr. Volkskomödie. Ihre Gesch. vom barocken Welt-Theater bis zum Tode NestroysOtto Rommel, Die Alt-Wiener Volkskomödie. Ihre Geschichte vom barocken Welt-Theater bis zum Tode Nestroys. Wien 1952. 1952; G. Scheit, Hanswurst und der Staat. Eine kleine Gesch. der Komik: Von Mozart bis Thomas BernhardGerhard Scheit, Hanswurst und der Staat. Eine kleine Geschichte der Komik: Von Mozart bis Thomas Bernhard. Wien 1995. 1995; C. Schoenbaum/H. Zeman, Dt. Komödienarien 1754–1758Camillo Schoenbaum/Herbert Zeman, Deutsche Komödienarien 1754–1758. Zweiter Teil (Denkmäler der Tonkunst in Österreich 121). Wien–Graz 1971. (DTÖ 121 [1971]); J. Sonnleitner (Hg.), Hanswurstiaden. Ein Jh. Wr. KomödieJohann Sonnleitner, Hanswurst, Bernardon, Kasperl und Staberl, in: Johann Sonnleitner (Hg.), Hanswurstiaden. Ein Jahrhundert Wiener Komödie (Eine österreichische Bibliothek). Salzburg–Wien 1996, 331–382. 1996.
Andrea Brandner-Kapfer
Beatrix Müller-Kampel
14.3.2004
Andrea Brandner-Kapfer/
Beatrix Müller-Kampel,
Art. „Kurz (Kurtz, K.-Bernardon), Familie“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
14.3.2004, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x000269e5
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