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Laienmusik
Laie (griech. λαόѕ = Volk) bezeichnet in der katholischen Kirche alle Nichtgeistlichen, die Un(ein)geweihten, die Unwissenden. In die Musik wurde das Wort von den Jugendbewegungen (Jugendmusikbewegung) des beginnenden 20. Jh.s übernommen, v. a. im Umkreis von Fritz Jöde und Paul Hindemith (Forderungen an den musikalischen Laien 1931), um damit Dilettanten-, Liebhaber-, Amateur-, also Nichtberufsmusiker zu bezeichnen. Unter L. werden einerseits Musikproduktionen von Nichtberufsmusikern verstanden, andererseits die für Nichtberufsmusiker dem barocken und frühklassischen Repertoire entnommenen oder neukomponierten (pädagogischen) „Spielmusiken“ und das „Spiel in kleinen Gruppen“ (Bläserkammermusik).

In neuerer Literatur wird beim Stichwort „L./L.pflege/L.verbände“ auf Amateurmusik und Erwachsenenbildung verwiesen. Es handelt sich demnach um einen Bereich, in dem Musizieren in der Gruppe nicht als Selbstzweck, sondern im Dienste der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung sowie der Beeinflussung der Dynamik gesellschaftlichen Zusammenlebens passiert. Der historische Beginn musikpädagogischer Bemühungen für Musikamateure liegt bei dem deutschen Musikforscher Hermann Kretzschmar (1848–1924), der seit 1910 mit den Schriften über „Volkskonzerte“ sowie „Volksmusik und höhere Tonkunst“ zentrale musikpädagogische Probleme der musikalischen Erwachsenenbildung ins Gespräch gebracht hat. Parallel dazu entwarf Hans Mersmann (1891–1971) 1925 ein Programm für Musikerziehung in der Volkshochschule, in dem er an die 1921er Denkschrift Leo Kestenbergs anknüpfte: „Die von der höheren Schulbildung ausgeschlossene große Zahl der Lerneifrigen unseres Volkes“ sollte die Möglichkeit erhalten, „sich neben der Berufsarbeit weiterzubilden und einzuholen, was ihnen in der Schule nicht gegeben werden“ konnte. Konkret sprach 1931 P. Hindemith von dem gewaltigen Potential an Freizeit-Musikern und Sängern, die mit in die Verantwortung genommen werden sollten, wenn es um die Zukunft der Musik ging. Er fordert aber auch die Komponisten auf, für diese „Laien“ entsprechende Werke bereit zu stellen, und bot im Rahmen der Donaueschinger Musiktage 1925 (Chorwerke) und 1926 (Blasorchesterwerke) dafür ein entsprechendes Forum.

1933 (in Österreich: 1938) bis 1945 wurden die „L.verbände“ der Abteilung 2: Volksmusik der Reichsmusikkammer angeschlossen und von Berlin aus zentral gelenkt. Die beiden HSch.n für Musikerziehung in Frankfurt an der Oder und in Graz erhielten spezifische Aufgaben im Zusammenhang mit der „politischen Musikverwendung“ zugewiesen.

Seit den 1960er Jahren ist der Begriff L.er umstritten, zumal nebenberuflich aktive Musiker/innen ein Niveau erreichen, das denen von professionell tätigen entsprechen kann und sie daher nicht im abwertenden Sinn als „Unwissende“ erscheinen lässt (Musiker/Musikant). Eine Renaissance des Begriffes L. ist allerdings seit den 1990er Jahren in Deutschland zu beobachten, wo die Bundesregierung sowie die Kultusministerien der Landesregierungen die Arbeit der „L.verbände“ finanziell fördern, in denen Liebhaber-Streich- und Blasorchester, Chöre, Jazz-, Zupf- und Akkordeonklubs zusammengefasst sind. Über die Musikpädagogik (Musikunterricht) greift dieser Begriff dann und wann nach Österreich über.


Literatur
S. Abel-Struth, Grundriß der Musikpädagogik 1985; H. G. Bastian, Jugend am Instrument. Eine Repräsentativstudie 1991; H. Brenner, Musik als Waffe? Theorie und Praxis der politischen Musikverwendung, dargestellt am Beispiel der Steiermark 1938–1945, 1992; P. Hindemith in Der Weihergarten 1 (1931); F. Jöde, Vom Wesen und Werden der Jugendmusik 1954; L. Kestenberg, Musikerziehung und Musikpflege 1921; E. Klusen, Elektronische Medien und musikalische Laienaktivität 1980; G. Lechleitner/A. Schmidhofer in Anzeiger der phil.-hist. Klasse der ÖAW 126 (1989) bzw. Mitt. des Phonogrammarchivs 91 (1990); A. Marold, Spiel in kleinen Gruppen 1999; H. Mersmann in Dt. Musikpflege 1925; H. Rauhe in I. Bontinck/O. Brusatti (Hg.), [Fs.] K. Blaukopf 1975; W. Suppan in S. Abel-Struth (Hg.), In Sachen Musik 1977; W. Suppan, Komponieren für Amateure 1987; W. Suppan in W. Lipp (Hg.), [Fs.] R. H. Reichardt 1992; W. Suppan in H.-W. Heister/W. Hochstein (Hg.), [Fs.] H. Rauhe 2000; B. Wagner (Hg.), Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerliches Engagement in der Kultur. Dokumentation eines Forschungsprojektes 2000; W. Wiora, Komponist und Mitwelt 1964.

Autor*innen
Wolfgang Suppan
Letzte inhaltliche Änderung
16.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Wolfgang Suppan, Art. „Laienmusik‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 16.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d6be
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