Hinsichtlich der konkreten lehrmäÃigen Ausdeutung gottesdienstlichen Handelns herrscht unter den christlichen Kirchen kein Konsens, die unterschiedlichen dogmatischen Standpunkte v. a. über die Eucharistie gelten als kirchentrennend, wenngleich L. als Ganzes wesentlicher Ansatzpunkt für ökumenische Praxis ist, weil die Dimensionen des Hörens auf Gottes Wort und der Antwort im Gebet allen Kirchen grundsätzlich gemeinsam sind.
Aus dem einen Stiftungsauftrag Jesu haben sich L.n im 1. Jahrtausend grundsätzlich regional entwickelt, das Gemeinsame findet konkrete Gestalt in den kulturell bedingten unterschiedlichen Ausformungen. Waren es im Osten Zentren wie Jerusalem, Antiochien, Alexandrien und Konstantinopel, sind im Westen regionale L.n aus Rom, Süditalien (Benevent), Norditalien (Mailand, Ravenna, Aquileia), Gallien, Spanien (mozarabisch) und Irland (keltisch) überliefert. Sie wurden unter Karl d. Gr. durch den einheitlichen römisch-fränkischen Ritus (Ausnahme Mailand) verdrängt. Dieser kannte jedoch immer seine regionalen Besonderheiten in den groÃen Diözesen (z. B. Salzburg, Passau), welche meist mit der Ãbernahme des Missale Piusâ V. (âtridentinischesâ Messbuch, hervorgegangen aus dem Missale der römischen Kurie) ab 1570 (Salzburg 1596, Passau 1608) verschwanden, teils aber bis ins 19. Jh. erhalten blieben (Köln/D, Trier/D, Münster/D). Alte Ordensgemeinschaften wie Benediktiner, Zisterzienser, Kartäuser, Franziskaner, Dominikaner, Prämonstratenser, Augustiner-Chorherren, Karmeliten hatten grundsätzlich ihre eigenen L.n, die teils 1570 im römischen Ritus aufgingen, teils erst mit der L.-Reform des 2. Vaticanums aufgegeben wurden, aber auch weiterbestehen können wie bei den Kartäusern. Das Recht, die L. zu ordnen, hatte gewohnheitsmäÃig der Metropolit bzw. der Ortsbischof oder der höhere Ordensobere. War schon 1570 der römische Druck zur Zentralisierung der L. unter päpstlicher Hoheit groÃ, wurde im Codex Iuris Canonici 1917 endgültig das Recht zur Regelung der L., v. a. ihrer Texte, dem Papst vorbehalten. Seither verstand man unter L. alles, was in römischen Büchern steht. Gottesdienstliche Feiern unter bischöflicher Ordnung wie Andachten, Prozessionen und Wallfahrten wurden als âParaliturgieâ oder als âpia exercitiaâ bezeichnet, diese Termini sind durch die Entwicklung nach dem 2. Vaticanum überholt und für mittelalterliche sowie heutige Verhältnisse sachfremd. Die L.-Konstitution und ihre nachkonziliare Umsetzung in der jüngsten L.-Reform ermöglichte wiederum gröÃere liturgische Vielfalt und zunächst auch mehr bischöfliche Gestaltungsrechte, welche aber seit den letzten Jahren zugunsten der römischen Zentralgewalt zunehmend eingeschränkt werden.
Für die Entwicklung der liturgischen Musik im 2. Jahrtausend, v. a. seit dem 16. Jh. bis zum Missale Pauls VI. 1970 sind jene Rahmenbedingungen bedeutsam, die im Missale 1570 formuliert sind. L. vollziehen kann demnach ausschlieÃlich der Klerus, das Volk nimmt daran teil, âhört die Messeâ. Kirchenmusik als Bestandteil der L. ist diesem Prinzip unterworfen, daher ist die Ausübung der Kirchenmusik zunächst ebenfalls Klerikersache, die von (männlichen) Laien substituiert werden kann. Dies erklärt auch das oftmals (zuletzt 1903 im Motu proprio Piusâ X.) ausgesprochene, aber nie durchgehaltene Verbot der Teilnahme von Frauen an der Kirchenmusik bzw. die daraus entfaltete Kultur der Knabenchöre, welche aus dieser mittelalterlichen Tradition auch bei Anglikanern und Lutheranern noch weiterlebt.
Die Messliturgie kannte 1570â1970 zwei Formen. Bei der missa in cantu (Amt, Hochamt, als Bischofsmesse Pontifikalamt) wurde alles gesungen, es galten strenge kirchenmusikalische Ausführungsregeln (lateinisches Proprium [Introitus, Graduale, Alleluia oder Tractus, eventuell Sequenz, Offertorium, Communio] und Ordinarium [Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus/Benedictus, Agnus Dei] textlich vollständig zu singen, keine volkssprachlichen Gesänge), welche aber in der Praxis oft ignoriert worden sind, wie z. B. im 17./18. Jh., wo in Ãsterreich das Proprium weitgehend durch Instrumentalmusik ersetzt worden ist. Bei der missa lecta (stille Messe) hat der Priester alle Texte still gebetet. Parallel dazu konnte in der Gemeinde vieles getan werden: Singen muttersprachlicher Kirchenlieder (josephinische Messlieder!), Orgelmusik, Rosenkranzgebet, stille Andacht usw. Die Betsingmesse der liturgischen Bewegung knüpfte an diese Form an. Die Volksfrömmigkeit entfaltete sich mit ihren (muttersprachlichen) Gesängen und Gebeten neben und auÃerhalb der âamtlichenâ L. und galt 1570â1970 als âparaliturgischâ, was aber für mittelalterliche L. nicht zutrifft: die Libri Ordinarii der mittelalterlichen Kathedralen und Klöster zeigen in ihrer Darstellung der wenigen Elemente von Gemeindebeteiligung und volkssprachlichem Singen deutlich, dass dies als integrierter Bestandteil der L. gesehen und verstanden worden ist. Begriffe wie Proprium und Ordinarium sind seit dem Missale 1970 und seiner erklärenden Allgemeinen Einführung überholt. Messgesänge werden heute eingeteilt in Gesänge mit selbständiger liturgischer Funktion (z. B. Gloria, Graduale/Responsorialpsalm) und in Begleitgesänge (z. B. Introitus, Agnus Dei, Communio).
Musik ist ein wesensnotwendiger und integraler Bestandteil der L., nicht bloà Umrahmung, Verschönerung oder âEinlageâ. Musik gehört zur âforma nobiliorâ des Gottesdienstes als Ausdruck des verkündeten und im Leben angenommenen Glaubens. Liturgische Musik muss in der Tradition der Begriffe Piusâ X. sanctitas â bonitas formae â communitas dem Anspruch genügen, liturgiefähig, künstlerisch wertvoll und gemeindetauglich zu sein. Dies bedingt heute einen höheren Anspruch an Auswahlkriterien und führt auch zu Konflikten mit überkommenen Praktiken sowie mit volkstümlichen neueren Entwicklungen wie âMundartmessenâ usw. Im Unterschied zu Pius X., der bestimmte Repertoires wie den gregorianischen â Choral und die Musik der Palestrina-Zeit als wahre Kirchenmusik definierte (Cäcilianismus), ist seit der Liturgiekonstitution des 2. Vaticanums (Sacrosanctum Concilium 1963) grundsätzlich jeder Musikstil liturgiefähig, wenn ein Musikstück funktional in die Struktur des Gottesdienstes passt und die Inhalte der L. in adäquater Weise vermitteln kann. Dementsprechend wird dem Choral als einem vollkommenen Ausdruck liturgischer Theologie in musikalischer Gestalt ein hoher Stellenwert und eine wichtige Beispielfunktion eingeräumt. Die Verwendung von Instrumentalmusik ist von der bischöflichen Autorität zu regeln und nicht mehr an generelle Normen gebunden. Der Pfeifenorgel (Orgel) als traditionellem Musikinstrument der Westkirche kommt dabei ein besonderer Rang zu. Die Verwendung von Volkssprachen im Gottesdienst hat das Repertoire der Kirchenmusik im liturgischen Gebrauch wesentlich erweitert, v. a. im Gemeindegesang, der Grundlage des Singens und Musizierens im Gottesdienst ist. Chorgesang erfolgt in Stellvertretung der Gemeinde und darf diese niemals vom Singen ausschlieÃen. Musik in der L. stellt heute mehr denn je das regionale Gesicht der Kirche dar, sie ist die konkreteste Form liturgischer Inkulturation und ihres Anspruchs, die L. mit dem Leben der Menschen heute zu verbinden.
Die L.-Wissenschaft beschäftigt sich mit allen Fragen des Gottesdienstes in historischer, systematischer und pastoraler Perspektive. Sie ist seit dem 2. Vaticanum ein Zentralfach in der theologischen Ausbildung und eng u. a. mit den Fragen der Kirchenmusikwissenschaft und ihrer Teilbereiche (z. B. Gregorianik, Hymnologie, Kirchenmusikgeschichte, Organologie usw.) verbunden.
Archiv für Liturgiewissenschaft 1950ff (umfangreiche Literaturberichte); Heiliger Dienst 1947ff; H. Rennings/M. Klöckener (Hg.), Dokumente zur Erneuerung der L. , 3 Bde. 1973â93; H. B. Meyer et al. (Hg.), Gottesdienst der Kirche. Hb. der L.-Wissenschaft 1984ff; R. Messner, Einführung in die L.-Wissenschaft 2001; M. Klöckener/B. Kranemann (Hg.), [Fs.] A. HäuÃling 2002; M. Kunzler, Die L. der Kirche 22003.