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Marienberg
Benediktinerabtei im Vinschgau/Südtirol, Gemeinde Mals (Malles Venosta/I)/Fraktion Burgeis (Burgusio/I), mit knapp 1340m über der Meereshöhe die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas. Gegründet spätestens 1096 in Schuls, Engadin/CH durch Eberhard und Ulrich von Tarasp. 1146–50 Umsiedelung der Mönchsgemeinschaft an den heutigen Standort, 1160 Weihe der Krypta, 1201 Weihe der romanischen Stiftskirche. Klosterbrände 1418 und während der Bauernunruhen 1525. Im 16. und frühen 17. Jh. Exemtionsstreit zwischen den Äbten von M. und den Bischöfen von Chur/CH. 1556 Neubegründung einer Klosterschule für Kostknaben (bestand bereits im 14. Jh., war aber wieder aufgehoben worden). 1602 Neubesiedelung des fast verwaisten Klosters durch Entsendung von Mönchen aus Weingarten, Schwaben/D. Wirtschaftlicher und kultureller Aufschwung unter Abt Matthias Lang (1606–40). Barockisierung von Stiftsanlage und -kirche unter Abt Jakob Grafinger 1642–52: 1643 Umbau der Krypta als Gruft (1980 Entfernung der Grufteinbauten und Freilegung der romanischen Fresken), 1647 Weihe der barocken Klosterkirche (einzige dreischiffige Pfeilerbasilika des Vinschgaus). 1656 Klosterbrand. 1724 Gründung eines humanistischen Gymnasiums mit Knabenkonvikt in Meran. 1807–16 Aufhebung des Klosters (Säkularisation durch die bayerische Regierung). 1928 Schließung des Meraner Gymnasiums. 1946–86 Privatgymnasium im Kloster.

Die Chronik des Mönches Goswin aus dem 14. Jh. berichtet, dass um 1350 ein kleines Matutinarium und ein Antiphonar aus Ottobeuren/D nach M. gebracht wurden. Das älteste erhaltene musikalische Zeugnis ist das Fragment einer Handschrift mit adiastematischen Neumen aus dem 14. Jh.; ein Bogen einer Handschrift in gotischer Choralnotation aus dem 15. Jh. dient heute als Einband für einen Musikdruck aus dem frühen 17. Jh. Für den Zeitraum zwischen 1640/53 ist das Musikleben in M. durch das Ausgaben- und Tagebuch des Abtes J. Grafinger erschließbar: Bei der Entscheidung über die Aufnahme in die Klostergemeinschaft waren u. a. die musikalischen Fähigkeiten des Kandidaten ausschlaggebend, v. a. den Gesang betreffend; die Beherrschung von Musikinstrumenten wurde gerne gesehen. Belegt ist die Anschaffung von zwei Klavichorden von Anton Amperg aus Tisens (Tesino/I) (1642 und 1644) sowie von Saiteninstrumenten und Ersatzsaiten, möglicherweise von J. Stainer in Absam/T, der für das Kloster 1648 nachweislich einige Geigen reparierte. Musikalien von A. Rainer, Ch. Sätzl und Giovanni Legrenzi (1626–90) wurden von Offizinen in Italien und Innsbruck erworben; Drucke von J. Stadlmayr gelangten möglicherweise über dessen Sohn P. A. Stadlmayr aus Weingarten nach M., der sich 1647 gemeinsam mit P. Leopold v. Plawenn (um 1630–82) aus Zwiefalten/D dort aufhielt. Ein Teil der Musikdrucke aus dem 17. Jh. ist heute noch erhalten. Für die musikalischen Aktivitäten von Klosterschülern und Konventualen sprechen weitere Hinweise aus Grafingers Aufzeichnungen: 1648 gaben zwei Mönche aus Seeon/D M.er Mitbrüdern Unterricht auf der Geige und dem Fagott. Verschiedentlich wird zu feierlichen Anlässen, z. B. bei Neujahr, Profess, Primiz, Gedenkfeier, Namenstag des Abtes, Bischofsvisite, Prominentenbesuch, die Aufführung eines dialogus oder „Kurz(weil)“ erwähnt. Bei diesen geistlichen Schulspielen (Schuldrama) gegenreformatorischer Prägung wirkten auch die Klosterschüler mit. Immer wieder traten durchreisende Musiker im Kloster auf und mit dem Kloster Füssen/D wurden Ordensbrüder als Organisten ausgetauscht. Die Lebenserinnerungen eines Klosterschülers aus Roveredo (Rovereto/I) werfen ein Licht auf das Musikleben in M. um 1780: Die Liturgie wurde täglich musikalisch ausgestaltet; die Schüler erhielten Unterricht auf mindestens einem Instrument und konnten auf eine umfangreiche Musikaliensammlung zurückgreifen, die teils von P. M. Stecher und P. Bonifaz v. Scarpatetti (1741–85) angefertigt worden war. Das Musikarchiv belegt für das 18. und 19. Jh. neben geistlicher Musikliteratur eine intensive kammermusikalische Tätigkeit der Konventualen, sowohl in der Abtei als auch im angegliederten Gymnasium in Meran, in dem zahlreiche Klosterangehörige als Lehrer wirkten. Hier wurden im 18. Jh. etliche Schulkomödien mit Texten und Musik von M.er Mönchen aufgeführt, insbesondere von P. M. Wachter, P. L. Martin, P. Bonifaz v. Scarpatetti und P. Joseph Benedikt Pratzner (1743–1805). Im frühen 19. Jh. sind zu einigen „Musikalischen Akademien“ in Meran Programmzettel erhalten. Die ältesten datierten Handschriften, die heute noch in der Klosterbibliothek erhalten sind, stammen aus den 1780/90er Jahren. Aus der Zeit um 1800 sind ein Paar Kesselpauken und drei Klavichorde erhalten, von denen eines vom Brixener Orgelmacher Joseph Lusser (1767–1848) signiert ist. Die weltliche Musikliteratur umfasst Musik für Klavier, kammermusikalische Besetzungen mit Klavier, Bearbeitungen von Opernausschnitten, Klavierauszüge von Opern und Oratorien und Chorlieder. Das Repertoire reagiert jeweils auf aktuelle Strömungen und ist auf einem spieltechnisch anspruchsvollen Niveau angesiedelt; zahlreiche Lehrwerke und Etüdensammlungen für verschiedenste Besetzungen bezeugen einen kontinuierlichen Bedarf an didaktischem Material. Die geistliche Musikliteratur umfasst hauptsächlich Gradualien, Messen, Requiemvertonungen, Marienlieder, Te Deum sowie weitere Liturgica und geistliche Liedersammlungen (Kirchenlied); auch hier folgt das Repertoire dem Zeitgeist, der sich im 19. Jh. zum Cäcilianismus hinwendet. Neben dem zeitgenössischen Repertoire wurden stets auch lokale Traditionen gepflegt. P. M. Stecher lebte bis 1807 in M. bzw. als Lehrer in Meran. Seine Klavierkompositionen wurden in der Falterschen Musikalienhandlung in München, bei Breitkopf & Härtel in Leipzig/D und bei Leykam in Graz verlegt. P. Sebastian Steinberger (1782–1836) war ebenfalls als Komponist tätig. Im 19. Jh. sind als Besitzer größerer Notenbestände neben P. Martin Ritsch (1802–59) drei Direktoren des Meraner Gymnasiums hervorzuheben: P. Albert Jäger (1801–91, Historiker, Gründer des Instituts für österreichische Geschichtsforschung in Wien, Mitglied des Tiroler Landtags), P. Pius Zingerle (1801–81, Orientalist) und P. Pirmin Rufinatscha (1814–73). Aus den Besitzvermerken geht hervor, dass viele Musikalien von den Mönchen beim Klostereintritt mitgebracht wurden. P. Vinzenz Ladurner (1842–1914) bemühte sich als Chorregent besonders um die klösterliche Musikkultur; er kaufte Noten und abonnierte Fachzeitschriften. P. M. Ortwein wirkte am Meraner Gymnasium und machte sich als Chorleiter, Musiklehrer und Komponist besonders um die Musikpflege verdient. Von den Werken Ortweins sind einige im Selbstverlag im Druck erschienen; gestochen wurden die Noten bei Breitkopf & Härtel in Leipzig. Für die Jahre 1873–1914 existiert ein Verzeichnis der kirchenmusikalischen Aufführungen in der Klosterkirche zu M., für die Jahre 1932–36 ein Musikalisches Tagebuch. Vergleicht man den aktuellen Bestand des Musikarchivs mit älteren Sichtungen, so sind etliche Musikalien, v. a. die handschriftlichen Schulkomödien aus der 2. Hälfte des 18. Jh.s, nicht mehr auffindbar.

Die älteste nachweisbare Orgel in M. wurde von Hans Schwarzenbach aus Füssen erbaut und 1642 im Zuge der Barockisierung des Klosters abgebrochen; eventuell wurde sie anschließend nach Nauders/T verkauft. 1667 erfolgte die Fertigstellung der Nachfolge-Orgel von C. Prati aus Trient. Die heutige Orgel (s. Tbsp.) wurde 1865/66 von J. Aigner aus Schwaz in Tirol erbaut; 1918–21 wurden die Prospektpfeifen durch J. Behmann aus Schwarzach/V erneuert und 1922/23 erfolgte eine Umintonation und Dispositionsänderung durch Johann Platzgummer aus Naturns (Naturno/I). Zuletzt wurde die Orgel 2000/01 von Martin Vier aus Friesenheim-Oberweier, Baden/D restauriert.


Literatur
H. Herrmann-Schneider in J. Lanz (Hg.), [Kgr.-Ber.] Säkularisation 1803 in Tirol. Brixen 2003, 2005; J. Joos in Der Schlern 37 (1963); J. Joos in SK 14 (1967); H. Post, Schuelmayster, Cantores u. Singknaben im Landt im Gepirg. Ein Beitrag zur Gesch. des Schulgesanges in Tirol 1993; A. Reichling, Orgellandschaft Südtirol 1982, 144f; D. Sadgorski in Der Schlern 80 (2006); P. Waldner in [Fs.] 900 Jahre Benediktinerabtei M. 1096–1996, hg. v. Südtiroler Kulturinstitut 1996; http://orgeln.musikland-tirol.at (8/2006).

Autor*innen
Daniela Sadgorski
Letzte inhaltliche Änderung
5.11.2018
Empfohlene Zitierweise
Daniela Sadgorski, Art. „Marienberg‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 5.11.2018, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0010f0c6
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
HÖRBEISPIELE

Marian Stecher, Fuga gespielt auf der Orgel der Stiftskirche Marienberg

Anonym, Concerto aus dem Mandorabuch Marienberg M I.67 (gezeichnet: Johannes Geigner, 1751)
© 2022 Tiroler Landesmuseen

DOI
10.1553/0x0010f0c6
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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft

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