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Martinslied
Lied zum Fest des Hl. Martin (11. Nov.); dieser war nicht nur Schutzheiliger des Frankenreiches, sondern ist auch Schutzpatron des Burgenlandes. Sein Fest wurde, da es in der Nähe alter Ernte-, Hirten- und Vorwinterfeste lag, mit diversen kultischen Bräuchen versehen, z. B. Schlachtung und Verzehr der Martinigans. Die meisten M.er haben den Heiligen als Schutzherrn des Weines im Auge. Ein entsprechender Lichtbrauch (Martinsfeuer) wurde in jüngerer Zeit in neuen Formen (besonders für Kinder; Laternenlied) wiederbelebt. Aufgrund der Legende, wonach der Heilige einem Bettler seinen halben Mantel (lat. capella) geschenkt habe, wurde er auch von Capellisten (Kapelle) bzw. überhaupt von Studenten (Studentenlieder) in besonderer Weise verehrt. Darauf nehmen zahllose Formulierungen in Vagantenliedern (Carmina Burana), in Gesellschafts- (z. B. in Quodlibets bei W. Schmeltzl) und in Volksliedern Bezug.

Große Beachtung haben zwei M.er aus der sog. Lambacher Liederhandschrift gefunden: Wolauf lieben gesellen und Martein lieber herre (sog. Martinskanon, erster Kanon in deutscher Sprache). Dessen Text (lat. Vorlage Martine Christi famule im Göttweiger Cod. 427) ist auch in einer Handschrift aus Tegernsee (München, Bayer. Staatsbibl. Cgm. 715, Mitte 15. Jh., übrigens die vollständigste Hs. mit geistlichen Liedern des sog. Mönchs von Salzburg, jedoch ohne Melodien) erhalten. Eine korrekte Auflösung des Kanons setzt, wie dort angedeutet, die Zuweisung der ersten Zeile an einen Vorsänger voraus, d. h., sie geht von einer üblichen Situation gesellschaftlichen Singens aus: einer der Anwesenden beginnt und die anderen fallen ein (s. Nb.). Ein zweistimmiges Martino divo presuli findet sich im sog. St. Emmeram-Codex (H. Poetzlinger), der Tenor Martinus nam pusillus aus dem Trienter Codex „93“ in mehreren Liedsammlungen des 16. Jh.s wieder.


Literatur
F. V. Spechtler et al. (Hg.), Der Mönch von Salzburg. Lieder des Mittelalters 1980; P. Kersting in K. Ruh/W. Schröder (Hg.), [Kgr.-Ber.] Beiträge zur weltlichen und geistlichen Lyrik des 13.–15. Jh.s, Würzburg 1970, 1972; H. J. Moser, Tönende Volksaltertümer 1935; V. Geramb, Sitte und Brauch in Österreich 1948; K. A. Rosenthal in ZfMw 9 (1926/27); E. Grabner, Martinisegen und Martinigerte in Österreich 1968; MGÖ 1 (1977, 1995); DTÖ 147/148 (1990).

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „Martinslied‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d8dd
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

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© Monika Kornberger
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