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Mattighofen
Stadt im oberösterreichischen Innviertel. Die Siedlung geht auf einen Wirtschaftshof der bayerischen Agilolfingerherzöge zurück, der nach 788 von den Karolingern in einen Königshof umgewandelt wurde (860 „villa regia Matahhova“). Nach wechselnden Herrschaftsverhältnissen kam das seit 1602 bayerische M. 1779 zusammen mit dem übrigen Innviertel durch den Frieden von Teschen zu Österreich. Der schon früh mit dem Marktrecht ausgestattete Ort wurde 1986 zur Stadt erhoben.

Musikgeschichtliche Bedeutung hatte – abgesehen von den letzten Jahrzehnten – nur ein 1436 an der schon vorher urkundlich genannten Kirche Mariä Himmelfahrt gegründetes weltliches Kollegiatstift. Zeugnisse aus der Gründungszeit selbst sind kaum vorhanden. Der 1438 von der Witwe des Gründers ausgestellte Stiftbrief schreibt den Kanonikern vor, sie sollten „täglich den ganzen Chor beten, alle Tage eine Frühmesse, ein gesungenes Fronamt und allen Gottesdienst so halten, wie es für Chorherren geziemt“. Fragmente einzelner mittelalterlicher Choralhandschriften sind als Einbandmaterial von M.er Archivalien erhalten.

Angaben über Einkünfte der Schulmeister der Lateinschule des Stiftes aus Messstiftungen lassen erkennen, dass diese zusammen mit ihren Schülern schon im 15. Jh. an der Musikausübung beteiligt waren. Einzelne Namen werden seit der Mitte des 16. Jh.s überliefert. Gleichzeitig erfahren wir, dass damals der Chorgesang unterblieb. Dabei wird man jedoch eher an das Singen des Offiziums als an den Schulgesang denken dürfen, war doch im Gefolge der Reformation der Personalstand der Chorherren stark zurückgegangen.

Jedenfalls hören wir aus dem letzten Drittel des 16. Jh.s verschiedentlich von Ausgaben für durchreisende Musiker, die auf eine Pflege der Mehrstimmigkeit hinzuweisen scheinen. So wurde 1582 einem „Schulmeister so dem Stifft etliche Compositiones dedicieret“, ein Geldbetrag geschenkt. Auch das Orgelspiel wird für diese Zeit bezeugt, und um 1630 begegnen in den Kirchenrechnungen mehrmals Zahlungen an den Rieder Orgelbauer Sebastian Pollhammer für Umbauten an der Orgel in der Stiftskirche und für Reparaturen an einem Positiv und einem Regal.

Für diese Zeit belegen die Kirchenrechnungen außerdem den Ankauf von Notendrucken zeitgenössischer Komponisten. Namentlich genannt werden Rufinus Sigelius, Gregor Aichinger und Anton Holzner, J. Stadlmayr, der Ranshofener Stiftsorganist S. Widerstain, A. Megerle und W. Ebner.

1685 wurde M. zur Propstei erhoben. Als Stiftsgeistliche besorgten fortan ein Vikar und mehrere Kapläne an Stelle der Kanoniker die Seelsorge. Dabei ging der Charakter des Kollegiatstiftes allmählich verloren, auch wenn eine Aufhebung im kirchenrechtlichen Sinn nicht dokumentiert ist.

Wichtigste musikgeschichtliche Quelle für die Zeit nach 1685 ist ein Musikalienverzeichnis von 1726. Soweit die Werke auf Grund der knappen Angaben identifizierbar sind, kann man erkennen, dass der Umkreis ihrer Herkunft weit gesteckt war. Zunächst findet man Kompositionen von Musikern, die meist als Hofkapellmeister an den verschiedenen weltlichen oder geistlichen Fürstenhöfen Süddeutschlands und Österreichs gewirkt haben (J. Stadlmayr, Ambrosius Reiner, J. M. Gletle, Philipp Baudrexel, Johann Georg Reichwein, Josef Antonín Planitzky, B. Aufschnaiter, Johann Christoph Pez, H. I. F. Biber). Der Wiener Domkapellmeister J. M. Zacher ist ebenso vertreten wie der in München als Hoforganist tätige Johann Dominicus Deichel oder der an der bayerischen Hofmusikkapelle wirkende Italiener G. A. Bernabei. Die Wertschätzung italienischer Musik zeigt sich aber auch im Ankauf eines Messendruckes von Giovanni Battista Bassani und einer Motettensammlung von Michel’Angelo Grancini, zu denen noch Abschriften von weiteren Messen und Motetten italienischer Meister kommen. Den weitaus größten Raum im Verzeichnis nehmen jedoch Werke von mehr oder weniger bekannten Klosterkomponisten ein (Valentin Rathgeber, Gunther Jacob, Kajetan Kolberer u. a.). Hierher gehören auch einzelne Kompositionen von Autoren, die auf Grund der räumlichen Nachbarschaft in engerer Verbindung zu M. gestanden sein dürften (W. Ganspeckh aus Ranshofen, Gabriel Adler aus Reichersberg). Mit dem im Verzeichnis zweimal genannten Ramp („6 Messen von Ramppen“, „1 Offerto: mit Clarin von Rampen“) könnte schließlich jener Christian Ramp gemeint sein, der in M. bis 1722 als Chorregent und danach noch einige Jahre als Organist nachweisbar ist. Bedauerlicherweise ist weder von diesen noch von anderen älteren Musikalien mit M.er Provenienz hier oder anderswo irgendetwas erhalten geblieben.

Bei der Aufführung der genannten Werke muss man sich wohl auf kleinste Besetzungen beschränkt haben. Für die Singstimmen werden schon seit den 1630er Jahren ein Diskantist, ein Altist, ein Tenorist und ein Bassist ausdrücklich genannt. Chorregent war meistens der Lateinschulmeister. Ob das Stift schon damals auch weltliche Musiker als Instrumentalisten beschäftigt hat, ist aus den erhaltenen Unterlagen nicht zu erkennen. Erst etwa 100 Jahre später begegnen in den Kirchenrechnungen regelmäßige Zahlungen an die M.er Thurnermeister. Wenig greifbar ist auch die Rolle der Kanoniker bzw. der später an ihre Stelle tretenden anderen Stiftsgeistlichen bei der figuralen Kirchenmusik.

Während des 18. Jh.s ist eine in M. ansässige Instrumentenbauerfamilie Pinzger nachweisbar. Aus dieser Zeit kennen wir auch zwei Komponisten von Kirchenmusikwerken, die in M. geboren wurden, P. S. Höpflinger und J. Kracher.

Durch das Wirksamwerden der josephinischen Reformen mit der Übernahme des Innviertels durch Österreich änderte sich in M. auch die schulische Organisation. An Stelle der vom Stift unterhaltenen Lateinschule mit ihren für die Musik wesentlichen Aufgaben von Lehrern und Schülern trat – entsprechend der österreichischen Schulgesetzgebung – 1782 eine „Normalschule“, deren Lehrer zwar die überkommenen Traditionen in bescheidenem Rahmen fortführten, eine unmittelbare Verknüpfung ihrer pädagogischen Aufgaben mit der Kirchenmusik bestand aber nicht mehr. Auch die Organisten übten dieses Amt in der Folgezeit meist im Nebenberuf aus.

Die Orgel der ehemaligen Stiftskirche wurde 1879 durch den Braunauer Orgelbauer F. S. Ehrlich umgebaut. Eine weitere Umgestaltung erfolgte 1913 durch L. Breinbauer aus Ottensheim/OÖ, eine umfassende Renovierung 1997 durch die St. Florianer Fa. Kögler.

Unter den Organisten der jüngeren Vergangenheit ist besonders der spätere Passauer Domkapellmeister J. Werndl zu nennen. Er betreute 1951–63 das Organistenamt, daneben leitete er auch den Kirchenchor. Die älteste bürgerliche Chorvereinigung des Ortes ist die vor 1855 gegründete M.er Liedertafel. 1919 entstand ein Arbeiter-Gesangsverein, der später in MGV Einigkeit umbenannt wurde (Männergesang). An die Tradition der M.er Thurner knüpfte die in der 1. Hälfte des 19. Jh.s gegründete Marktmusik M. an.

Die Musik in der heutigen (2004) Stadt M. ist v. a. geprägt durch eine Reihe von Veranstaltungen im Rahmen des Aspacher Musiksommers, u. a. mit Konzerten im KTM-Werk. Hervorzuheben sind ferner kirchenmusikalische Darbietungen in der ehemaligen Stiftskirche. Wesentliche Impulse ergaben sich schließlich noch durch die Lehrer der 1979 gegründeten Landes-MSch.


Literatur
Propsteiarchiv M., Kirchenrechnungen (Pfarramt M.); M. Schlickinger, Beiträge zur Schulgesch. M.s in Braunauer Heimatkunde Heft 5 [1911]; F. Martin, Die Kunstdenkmäler des politischen Bezirkes Braunau 1947; F. Sonntag, Heimatbuch der Marktgemeinde M. 1984.

Autor*innen
Rudolf W. Schmidt
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Rudolf W. Schmidt, Art. „Mattighofen‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d8f8
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001d8f8
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