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Minnesang
Mittelhochdeutsche höfische Lyrik des 12.–15. Jh.s mit den verschiedensten Gattungen v. a. der Liebeslyrik: Werbelied, Minneklage, Frauenpreis, Minnelehre, Frauenlied, Naturlieder (Mailied, Sommerlied, Winterlied), Wechsel (Mann und Frau sprechen strophenweise), Dialoglied, Botenlied, Tagelied, Pastourelle, Kreuzzugslied, Alterslied, Tanzlied, Mädchenlied, Dörperlied (bäuerliches Milieu), Herbstlied, Erzähllied, Schwanklied, Leich. Eine besondere inhaltliche Variante ist der sog. hohe M., der die nicht auflösbare Spannung zwischen dem Sänger und der unerreichbaren Dame zum Thema hat (Reimar der Alte, früher Walther v. der Vogelweide), von Ulrich v. Liechtenstein um die Mitte des 13. Jh.s in seinem Roman Frauendienst episch dargestellt.

Der gesamte M. hat die Kultur und das gesellschaftliche Leben der großen und kleinen Höfe zur Voraussetzung (Kaiserhof, Fürstenhöfe, Höfe der Bischöfe und Adeligen) und damit ein kunstverständiges Publikum, für das die fahrenden Sänger und vermutlich auch Dichter/Komponisten sangen. Diese Lyrik war gesungene, aufgeführte Musik, meist mit einfacher Instrumentalbegleitung, wie sie die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhandschrift zeigen. Diese Lyrik konnte so wie die Epik (Epos) nur durch bedeutende und auch finanzkräftige Mäzene entstehen, leben und in Handschriftensammlungen überliefert werden.

Die Anfänge der mittelhochdeutschen Lyrik sind im Donauraum mit der sog. donauländischen Lyrik (1150/60–70) zu finden: Der Kürnberger, Dietmar v. Aist, Burggraf v. Rietenburg/Regensburg, Meinloh v. Sevelingen (Söflingen bei Ulm/D). Sie verwenden (ohne romanischen Einfluss) die sog. Nibelungenstrophe (Langzeilenstrophe), wobei die Einzelstrophe vorherrscht. Dazu ist zu erinnern, dass um 1200 das Nibelungenlied in diesem Gebiet, wahrscheinlich am Hof des Bischofs Pilgrim von Passau, aufgezeichnet worden ist. Die folgenden Dichtergenerationen haben die Formkunst der Kanzonenstrophe aus der Romania übernommen, dazu auch die Stilisierung des hohen M.s. Für Österreich sind Reimar der Alte und Walther v. d. Vogelweide zu nennen, der einerseits den hohen M. überwunden, andererseits die politische Lyrik eingeführt hat. Noch zu Lebzeiten Walthers (ab ca. 1220) erregte die neue Lyrik Neidharts Aufsehen, auf die Walther mit dem Lied Owe hoveliches singen (Oh weh, welch ein höfisches Singen) ablehnend reagiert. Die neuen Typen der Sommer und Winterlieder bringen bäuerliche Typen in die Lyrik: die Mädchen, die dem Ritter Neidhart nachstellen, und die Bauerntölpel beim wilden Tanz in der Stube. In den erhaltenen Melodien kündigt sich die Pentatonik an – höfische Lyrik mit völlig neuen Elementen.

Um die Mitte des 13. Jh.s dichtete Ulrich v. Liechtenstein 58 Lieder nach der Art Walthers, die in seinen Roman Frauendienst eingebaut sind. Dazu ist der steirische Dichterkreis um ihn zu erwähnen: Herrand v. Wildon, Rudolf v. Stadeck, Der von Sanegg, Heinrich v. der Muore, Der von Scharfenberg, Der von Obernburg. Zu dieser Zeit sang der Tannhäuser in Österreich seine sechs Leichs und acht Lieder.

Die letzten Lyriker mit Elementen des höfischen Lieds waren im 14./15. Jh. der Mönch von Salzburg, Hugo v. Montfort und Oswald v. Wolkenstein, wobei der Mönch die Mehrstimmigkeit in die deutsche Lyrik einführte und Oswald sie zur ersten kunstvollen Blüte brachte. Einzelne Lieder wurden unter die neue Lyrik der Liederbücher des 15./16. Jh.s aufgenommen.


Literatur
MGÖ 1 (1995); G. Schweikle, M.21995.

Autor*innen
FVS
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Franz Viktor Spechtler, Art. „Minnesang‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d9b9
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