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Neuberg an der Mürz
Gemeinde um das ehemalige Zisterzienserkloster in der nordöstlichen Steiermark; dieses war 1327 von Hzg. Otto dem Fröhlichen, einem Sohn Kg. Albrechts I. (Habsburger) gegründet und von Heiligenkreuz aus besiedelt worden. Am 25.3.1379 schlossen hier, an der Grenze ihrer Herrschaftsbereiche, die Hzg.e Albrecht III. und Leopold III. den nach N. benannten Teilungsvertrag. 1396 wurden das Kloster und das umliegende Dorf durch einen Brand vernichtet, was sich auch im Fehlen älterer Handschriften niederschlägt. Als Zeit des Wiederaufbaus und aufgrund der Tatsache, dass zahlreiche im Zuge der Hussitenkriege aus Böhmen und Mähren vertriebene Zisterzienser hier Aufnahme fanden, wurde das 15. Jh. zu einer besonderen Blütezeit des Klosters (Einwölbung der im 14. Jh. begonnenen gotischen Hallenkirche). Der auch als Verfasser deutscher Dichtungen bekannte cantor Andreas Kurzmann (Profess 1389/91, † vor 1431) handelt in seiner Sammelhandschrift (UB Graz 1295, 1407) auch über hymnos cisterciensis ordinis. Möglicherweise stammen auch zwei identische Gradualien (UB Graz 9 [s. Tbsp.] u. 10, 1. Hälfte 15. Jh.), die auch drei tropierte zweistimmige Kyrie enthalten (Mehrstimmigkeit), mit größerer Sicherheit vier Antiphonalien des 14./15. Jh.s (UB Graz 28, 34, 114, 129) aus N. Wenigstens zwei Hss. des 14./15. Jh.s (UB Graz 509, 873; vielleicht auch 1201) enthalten unikale musiktheoretische Texte. Zu den üblichen Auswirkungen der Reformation kam gegen 1529 die Steuerbelastung infolge der Türkennot und 1541/42 abermals die Pest.

1568 ist die Erhaltung von acht Schul-(=Sänger-)knaben in N. belegt. Unter Abt Thomas Schmoll (1591–1600), einem gebürtigen Schwaben (vorher Prior in Heiligenkreuz und Administrator des Neuklosters in Wiener Neustadt), der die Gegenreformation in der Steiermark auch militärisch unterstützte, kam es jedoch nur mehr zu einem vorübergehenden Aufschwung (unter ihm wurde eine neue Orgel erbaut). Aus dem 17. Jh. kennt man lediglich den Namen des „musicus optimus“ P. Johannes Lynthaler (Lyndaler, † 15.1.1603 N.). Das Fehlen der sonst üblichen Barockisierungen der Gebäude infolge des Niedergangs von Klosterzucht und Wirtschaftskraft, schließlich ein neuerlicher Klosterbrand 1699 führten dazu, dass, abgesehen von barocken Einrichtungen (darunter Errichtung der Musikempore unter Abt Johann Ludwig Holtz [1663–71], prächtiger Rundorgel-Prospekt, um 1725; s. Abb.), in N. der mittelalterliche Baubestand weitgehend erhalten geblieben ist.

Aus dem 18. Jh. sind wenigstens einige Musikernamen des „Gregoriani et figuralis chori cantor“ P. Stephan Urany (geb. Ungar, † 5.10.1710), des „concionator eximius“ P. Johann Nep. Wigand (* 21.9.1714 Graz, † 10.4.1751), des „Regens des figurierten Chores“ P. Edmund Graf Steinpeis (Stainbeis, * 21.10.1714 Mariazell/St, † 28.2.1759, Profess 1732) und des „concionator praestantissimorum unus“ P. Alberich Fridrich (* 26.8.1714 Wien, † 9.4.1760, Profess 1734) sowie einzelne Werke des „organoeda artis musicae summae“ und Hauskomponisten P. Malachias Waizmann (* 14.11.1731 N., † 30.5.1759 N., Profess 1749) und P. Petrus Reidl (aus Straß/St, † zw. 1786/91) überliefert. Abt Josef Erco v. Erkenstein (1766–76) sicherte durch Ausbau von Erzgewinnung, Schmelz- und Hammerwesen für einige Zeit die wirtschaftliche Basis der ganzen Gegend. Das Kloster wurde jedoch 1786 (Josephinismus) aufgehoben und profaniert (vor 1870 zeitweise durch K. Franz Joseph als Jagdschloss benutzt). Die mittelalterlichen Handschriftenbestände kamen an die UB Graz und die Münzsammlung an das kaiserliche Münzkabinett, das Kirchenmusikarchiv und v. a. Blasinstrumente sind (2004) noch in situ bzw. im Pfarrmuseum erhalten; die Verwaltung der Berg- und Eisenwerke übernahm die k. k. Hofkammer in Wien.

Vorerst soll die Aufhebung an der Kirchenmusik nicht viel geändert haben, der Beitrag aus dem Ort also bereits stark genug gewesen sein. Dies hat, besonders unter der Leitung des rührigen Schuldirektors Josef Merz (1876–1907 in N.), bis wenigstens zum Ersten Weltkrieg angehalten. Daran knüpfte man in den letzten Jahrzehnten des 20. Jh.s wieder verstärkt an. Die Geschichte der musikalischen Vereine in N. entspricht der Entwicklung in vergleichbaren Orten während des 19. Jh.s: 1877 wurde der Musikverein N. als Gesang- und Musikverein ins Leben gerufen; er führte 1891–1900 eine „Blechharmonie“, ab 1892 einen Orchesterverein Harmonie in N., ab 1900 ein Streich- bzw. Salonorchester, das 1946–58 wiederbelebt werden konnte; 1919 wurde eine Trachtenkapelle neu organisiert. Dem Männergesangverein (1881, seit 1958 mit Frauenchor) war bereits eine vom Oberlehrer F. Blümel (1863–66, 1872–76) ins Leben gerufene Sängerrunde vorausgegangen, die dem 1859 von J. E. Schmölzer gegründeten Mürztaler Sängerbund angehörte, es folgten der Arbeitersängerbund (Arbeitermusikbewegung) Maienzeit (1908), die Krampner Musikkapelle (1909) und schließlich der N.er Singkreis (1991). 1896 und 1905 war N. Schauplatz der Mürztaler Sängerbundfeste (Sängerfeste). Außer der Blasmusikkapelle haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg mehrfach Tanz- und Musikgruppen in N. zusammengefunden (u. a. N.er Tanzrunde, Schneealm Echo, N.er Musikanten, N.er Spatzen, Duo Cäcilia Steinberg und Peter Hawlicek). Seit 1987 ist in N. eine Zweigstelle der „Johannes-Brahms-MSch. der Stadt Mürzzuschlag“ tätig. Die historischen Orgeln in der ehemaligen Stiftskirche sind restauriert, 1997/98 wurde in der Grünangerkirche (wo das Kloster begonnen hatte, später Friedhofskirche) eine nach historischen Mustern gebaute Renaissance-Orgel aufgestellt (Felsberg, Graubünden/CH).

Gebürtiger N.er war der Lautenist F. Hinterleitner, mit N. eng verbunden sind der Organist Gottfried Franz Holzer-Graf (* 1950 Mürzzuschlag/St, seit 1974 Lehrer an der MHsch. Mozarteum in Salzburg) und G. Track. Seit 1977 finden hier die Internationalen N.er Kulturtage statt (seit 1988 unter Leitung von St. Vladar, 1988–91 unter Patronanz von G. Janowitz). 1996 war N. Schauplatz der Steirischen Landesausstellung.


Tondokumente
TD: Ein Fest im Zisterzienserstift N. Austro mechana ww.10.02-1.
Literatur
O. Pickl/W. Kanzler, Gesch. des Klosters und der Marktgemeinde N. an der Mürz 21996; [Kat.] Musik i. d. St. 1980; P. Lindner in Cisterzienser Chronik 16 (1904); H. Federhofer in Acta mus. 20 (1948); F. S. Pichler, Die Habsburger Stiftung Cistercienser Abtei N. in Steiermark 1884.

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
7.7.2021
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „Neuberg an der Mürz“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 7.7.2021, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001db0e
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
© Christian Fastl
© Christian Fastl
HÖRBEISPIELE

Kyrie fons bonitatis cum tropis in organis (A-Gu 9, Neuberg)

DOI
10.1553/0x0001db0e
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