Pachler, Pachler, Marie Leopoldine
Familie
Marie Leopoldine
(geb. Koschak):
*
1794 -02-022.2.1794
Graz,
†
1855 -04-1010.4.1855 Graz.
Pianistin, Komponistin.
Stammte aus einem musikalischen Elternhaus, galt ursprünglich als pianistisches Wunderkind, trat jedoch nach 1811 nur mehr im privaten Bereich auf, für den auch ihre Kompositionen (heute weitgehend verloren) bestimmt waren. Nach ihrer Heirat (1816) wurde ihr Wohnhaus in der
Grazer Herrengasse (Ecke Pfarrgasse) bis um 1830 Zentrum des Bildungsbürgertums. M. P. widmete sich besonders den Klavierwerken
L. v. Beethovens und
Fr. Schuberts, sie improvisierte aber auch „musikalische Porträts“, durch die sie anwesende Personen charakterisierte. Im Sommer wurde der Salon im Gut Sparbersbach („Hallerschloss“, heute Hallerschloss-Straße in Graz) fortgesetzt (1825, 1826, 1828–31). Die Historiker Julius Schneller, der wesentlich zur Bildung der jungen Marie beigetragen hatte, und
A. v. Prokesch-Osten, Jugendfreund Maries, waren prägende Gäste des Hauses. Hinzu kamen
A. Hüttenbrenner,
A. Halm, Gottfried v. Leitner u. a. 1827 besuchte Fr. Schubert auf Vermittlung
J. B. Jengers Graz und war vom 3.–20.9. Gast der Familie P. (Ausflüge mit
„Schubertiaden“ zum Hallerschloss und zum Schloss Wildbach bei
Deutschlandsberg). Fr. Schubert, der in Graz die
„vergnügtesten Tage“ erlebte, widmete M. P. die Lieder
Das Weinen D 926,
Vor meiner Wiege D 927,
Gesang („An Sylvia“) D 891.
Heimliches Lieben D 922 und
Eine altschottische Ballade D 923 komponierte Schubert in Graz. Zum Namenstag von K. P. (4.11.1827) entstand auf Wunsch M. P.s der
„Kindermarsch“ in G-Dur für
„Pianoforte zu 4 Händen“ D 928, auch
Zwölf Grazer Walzer D 924 und
Grazer Galopp D 925 sind im Zusammenhang mit Schuberts Aufenthalt in Graz zu sehen.
M. P.s persönliche Beziehung zu Beethoven ist in Briefen und zwei Treffen (1817 und 1823) belegbar. Der oft zitierte Ausspruch Beethovens über M. P.: „Ich habe noch niemand gefunden, der meine Compositionen so gut vorträgt, als Sie, […] Sie sind die wahre Pflegerin meiner Geisteskinder“ gilt neueren Forschungen zufolge als Fälschung (Beethoven Briefwechsel GA 1996).
M. P. kann als die bedeutendste Frau im Grazer Geistesleben der Biedermeierzeit bezeichnet werden. Ihre Begabung als Musikerin, ihre hohe Bildung und ihre familiären bzw. gesellschaftlichen Verbindungen waren die Voraussetzungen für ihre Funktion im sozio-kulturellen Netzwerk ihrer Zeit. Die Bedeutung dieser Funktion ist besonders auch im Zusammenhang mit dem kulturellen Austausch zwischen Graz und Wien zu sehen. Ihr Ehemann
Karl: * 4.11.1789 Graz, † 22.10.1850 Graz. Advokat, Brauereibesitzer. Versuchte erfolglos eine Aufführung von Schuberts Oper Alfonso und Estrella D 732 zu vermitteln. 1835 nahm das Ehepaar P. Friedrich Kaltenegger (1820–92), den späteren Landeshauptmann von Krain, als Adoptivsohn auf.
P.weg (Graz XI).
Deren Sohn Faustus (Faust; Pseud. C. Paul): * 18.12.1819 Graz, † 5.9.1891 Graz. Jurist, Lyriker, Dramatiker, Erzähler, Übersetzer. Erhielt Klavierunterricht von seiner Mutter, studierte Rechtswissenschaften (Dr. Wien 1844) und wurde 1843–86 Beamter an der Wiener Hofbibliothek; verfasste Romane, Gedichte, Dramen. Herausgeber der Werke F. Halms. Auch mit Marie von Ebner-Eschenbach und F. Grillparzer befreundet. 1851 Heirat mit Jenny zur Helle. Zog sich 1889 auf den Familienbesitz Panoramahof, Graz (Rosenberg), zurück.
Beethoven u. M. P.-Koschak. Beiträge und BerichtigungenFaust Pachler, Beethoven und Marie Pachler-Koschak. Beiträge und Berichtigungen. Berlin 1866. 1866.
G. Locher, Der Salon M. P.s – ein Beitrag zur österr. Elitenforschung,Georg Locher, Der Salon Marie Pachlers – ein Beitrag zur österreichischen Elitenforschung. Diss. Graz 1990. Diss. Graz 1990; ÖBL 7 (1978); W. Aderhold in E. Badura-Skoda et al. (Hg.), Schubert und seine FreundeWerner Aderhold, Johann Baptist Jener–der Mittler, in: Eva Badura-Skoda et al. (Hg.), Schubert und seine Freunde. Wien 1999, 303–310. 1999; S. Brandenburg (Hg.), Ludwig van Beethoven, Briefwechsel GASieghard Brandenburg (Hg.), Ludwig van Beethoven. Briefwechsel. Gesamtausgabe. München 1996–1998. 1996; K. Dieman-Dichtl, Schubert auf der Reise nach GrazKurt Dieman-Dichtl, Schubert auf der Reise nach Graz. Dokumentationen und Assoziationen. Graz 1997. 1997; Deutsch, Schubert DokumenteOtto Erich Deutsch, Schubert. Die Dokumente seines Lebens (Franz Schubert. Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Serie VIII, 5). Kassel–Basel 1964. 1964; Th. Gorischek, Franz Schubert (1797–1828): Sein Freundeskreis. Seine Beziehung zu GrazThussy Gorischek, Franz Schubert (1797–1828). Sein Freundeskreis. Seine Beziehung zu Graz. Wien 2000. 2000; W. Häusler in Jb. d. Vereins f. Gesch. der Stadt WienWolfgang Häusler, Aus den Briefen Faust Pachlers (1819–1891). Ein Beitrag zur Geschichte der Wiener Revolution von 1848, in: Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien. Wien 1978, 239–275. 34 (1978); R. v. Hoorickx in Musical TimesReinhard van Hoorickx, An unknown Schubert letter, in The Musical Times 122/1659 (1981), 291–294. 122/1659 (1981); H. Lohberger in Bll. f. HeimatkundeHans Lohberger, Marie Pachler, in Blätter für Heimatkunde 36/2/3 (1962), 81–84. 36 (1962) u. 39/1Hans Lohberger, Marie Koschak-Pachler und die Untersteiermark, in Blätter für Heimatkunde 39/1 (1965), 176–188. (1965); M. Raffler, Dt.sprachige Lesegesellschaften am Beispiel des von Erzhzg. Johann begründeten Lesevereins am Joanneum (1819–1871), Diss. Graz 1988; M. Raffler in H. Stekl et al. (Hg.), „Durch Arbeit, Besitz, Wissen und Gerechtigkeit“. Bürgertum in der HabsburgermonarchieMarlies Raffler, Grazer Salons im Vormärz. Das Haus Pachler, in: Hannes Stekl et al. (Hg.), "Durch Arbeit, Besitz, Wissen und Gerechtigkeit" (Bürgertum in der Habsburgermonarchie 2). Wien 1992, 353–363. 2 (1992); Wurzbach 21 (1870); StMl 1962–66; SchubertL 1997.
15.5.2005
Ingeborg Harer,
Art. „Pachler, Familie“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
15.5.2005, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001dc24
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