Paganini, Paganini, true
Niccolò (Nicolò)
*
1782-10-2727.10.1782
Genua/I,
†
1840-05-2727.5.1840
Nizza/F.
Violinist und Komponist.
Den ersten Violin- und Mandolinunterricht bekam er von seinem Vater, dem Amateurmusiker Antonio P., danach studierte er bei Giovanni Cervetto (Servetto), Giacomo Costa und
A. Rolla (Violine) sowie Francesco Gnecco, Ferdinando Paer und Gaspare Ghiretti (Komposition). Nach seinen ersten erfolgreichen öffentlichen Auftritten (ab 1793) übersiedelte er im September 1801 mit seinem Vater nach Lucca/I, wo er zwischen 1805/10 als Soloviolinist, Kapellmeister und Musiklehrer der Fürstin Elisa Baciocchi, einer Schwester von Napoleon Bonaparte, und des Fürsten Felice Baciocchi wirkte. 1810 gab er diese Stellung auf und unternahm ausgedehnte Reisen zunächst in
Italien (1810–24:
Mailand, Genua, Parma,
Venedig,
Triest, Piacenza, Bologna,
Florenz, Rom,
Neapel, Palermo; 1825–27: Rom, Neapel, Palermo, Florenz, Livorno, Genua, Turin, Mailand) und danach in ganz Europa (1828–30:
Wien,
Prag,
Deutschland, Polen; 1831–34: Paris, London, Irland, Schottland; 1835–40 wieder
Frankreich und Großbritannien), wo er – bis auf kritisch eingestelltes Publikum in Prag und Deutschland (
L. Spohr bezichtigte P. der „Scharlatanerie“) – enthusiastisch empfangen wurde. Als er auf Einladung von A. Rolla im Orchester des Theaters La Scala spielte, komponierte er 1813 drei Variationen für Violine und Orchester Le Streghe auf ein Thema aus dem Ballett
Il noce di Benevento von
S. Viganò und
F. X. Süßmayr, die er mehrmals mit großem Erfolg in Mailand aufführte. Ende November 1835 war er in Parma, wo ihn Erzhzg.in Marie-Louise von Österreich, Napoleons zweite Frau, zum Berater ihres Orchesters ernannte und wo er auch als Dirigent wirkte und u. a. auch
L. v. Beethovens Ouvertüre zu
Fidelio aufführte. Während der Reisen übte er intensive Kompositionstätigkeit aus, wobei er sich schon in frühen Jahren – an Giuseppe Tartini und Pietro Antonio Locatelli anknüpfend – mit den Möglichkeiten und Grenzen des Violinspiels auseinandersetzte (Doppelgriffe, Oktav- und Dezimenspiel,
Skordatur, Spiel auf der – hinaufgestimmten – G-Saite, Pizzicato mit linker Hand, Flageoletts, kombinierte Stricharten usw.). Neben Violinwerken, die bis heute (2004) Höhepunkte der Violinliteratur darstellen, komponierte er auch durchgehend für Gitarre und, zwischen 1832/34, auch für Soloviola.
Wien war die erste ausländische Stadt, die P.s Weltruhm als besten Geiger aller Zeiten begründete. Zwischen 29.3. und 24.7.1828 gab P. hier mit seiner Lebensgefährtin, der Sängerin Antonia Bianchi, – mit und ohne Orchester – vierzehn Konzerte mit eigenen und fremden Kompositionen (R. Kreutzer, Jacques Pierre Joseph Rode und Giovanni Battista Viotti). Zunächst kaum beachtet, wurde P. hier bald, auch von den führenden Persönlichkeiten des Wiener Musiklebens (J. Lanner, J. Mayseder, I. Schuppanzigh, H. W. Ernst, Léon de Saint Lubin und J. Slawjk [Slavík]) frenetisch gefeiert. Fr. Schubert bezeichnete P. als einen „infernalisch-himmlischen Geiger“;
Joh. Strauss Vater komponierte einen „Walzer à la P.“ op. 11. In Wien entstanden drei Werke für Violine und Orchester: Capriccio über Là ci darem la mano aus W. A. Mozarts
Don Giovanni (verschollen), Maestosa suonata sentimentale und die Variationen La Tempesta. Nach der Aufführung der Maestosa suonata sentimentale mit vier Variationen auf der G-Saite auf die österreichische Nationalhymne (Bundeshymne) aus J. Hayns Streichquartett op. 76, Nr. 3 (Hob. III:77) wurde P. vom Kaiser zum Kammervirtuosen ernannt. Dem Grafen und Kunstförderer M. v. Dietrichstein-Proskau-Leslie widmete P. das Capriccio per Violino Solo di P. Umigliato a S. E. il Sig.r Conte Maurizio Dietrichstein (Autograph A-Wn), ein durchgehend vierstimmig gesetztes Musikstück für Solovioline.
W: (vgl. M. R. Moretti/A. Sorrento 1982) Konzerte, Variationen etc., insbes. f. V.; Werke f. V. m. Orch.:
Napoléon Sonata per violino sulla quarta corda con piccolo orchestra; Le streghe, Variationen auf ein Thema aus Süßmayrs
Il noce di Benevento op. 8, 1813; 5 Violinkonzerte (1. D-Dur, ursprünglich in Es-Dur mit Skordatur, op. 6, 1816; 2. h-Moll, op. 7, 1826; 3. E-Dur, 1826; 4. d-Moll, aufgeführt 1830, 5. a-Moll, 1830);
Moto perpetuo op. 11, 1831/32,
I Palpiti, introduzione e variazioni sull’aria „Di tanti palpiti“ dal „Tancredi“ di Rossini op. 13, 1819,
Sonata militare, Variationen über
„Non più andrai“ aus Mozarts
Le nozze di Figaro, 1825? (Violinstimme verschollen),
Variazioni sull’aria Pria ch’io l’impegno aus L’amor marinaro von
J. Weigl, 1828, Capriccio über
Là ci darem la mano (verschollen), Variationen
Maestosa suonata sentimentale, 1828 [hg. v. A. M. Monterosso 1978], Variationen
La Tempesta, 1828; Kammermusik f. V. u. Git. (3 Quartette f. V., Va., Git. u. Vc. op. 4), V. solo (
24 Caprices op. 1,
Capriccio per Violino Solo, 1828,
Variazioni „Nel cor più me sento” ”), Va. (
Sonata per la grand viola, aufgeführt 1834), Git. solo (
Ghiribizzi, 43 kurze Stücke).
C. Guhr, Ueber P.’s Kunst die Violine zu spielenCarl Guhr, Ueber Paganini’s Kunst die Violine zu spielen. Mainz 1829. 1829; J. M. Schottky, P.s Leben und Treiben als Künstler und als MenschJulius Max Schottky, Paganini's Leben und Treiben als Künstler und als Mensch. Mit unpartheiischer Berücksichtigung der Meinungen seiner Anhänger und Gegner. Prag 1830. 1830, 1909; G. Schilling, Encyclopädie der gesammten musikalischen WissenschaftenGustav Schilling, Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst. Stuttgart 1837. 5 (1838); L. Spohr, SelbstbiographieLouis Spohr, Selbstbiographie, 2 Bände. Kassel 1860/1861., 2 Bde. 1860/61 (ND 1954/55); E. Hanslick, Gesch. des Concertwesens in WienEduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien. Wien 1869. 1869 (NDEduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien. Hildesheim 1979. 1979); St. S. Stratton, N. P.: his Life and WorksStephen S. Stratton, Nicolo Paganini: his Life and Works. London 1907. 1907; A. Moser, Gesch. des ViolinspielsAndreas Moser, Geschichte des Violinspiels. Berlin 1923. 1923 (2. verbesserte Aufl. v. H.-J. NösseltAndreas Moser, Geschichte des Violinspiels, hg. V. Hans-Joachim Nösselt. 2. Aufl. Tutzing 1966. 1966); M. R. Moretti/A. Sorrento, Catalogo tematico delle musiche di N. P.Maria Rosa Moretti/Anna Sorrento, Catalogo tematico delle musiche di Niccolò Paganini. Genua 1982. 1982; A. Kendal, P.: a BiographyAlan Kendal, Paganini: a Biography. London 1983. 1983; W. Kolneder, Das Buch der Violine Walter Kolneder, Das Buch der Violine. Bau, Geschichte, Spiel, Pädagogik, Komposition. 5. Aufl. Zürich 1993.51993; Ph. Borer, The Twenty-Four Caprices of N. P.Philippe Borer, The Twenty-Four Caprices of Niccolò Paganini. Zürich 1997. 1997; D. Glüxam, Die Violinskordatur in der Gesch. des ViolinspielsDagmar Glüxam, Die Violinskordatur in der Geschichte des Violinspiels (Wiener Veröffentlichungen für Musikwissenschaft 37). Tutzing 1999. 1999; St. Drees (Hg.), Lex. der ViolineStefan Drees (Hg.), Lexikon der Violine. Baugeschichte, Spielpraxis, Komponisten und ihre Werke, Interpreten. Laaber 2004. 2004.
15.5.2005
Dagmar Glüxam,
Art. „Paganini, Niccolò (Nicolò)“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
15.5.2005, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001dc2c
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