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Reichsrundfunk
Meint alle Rundfunksender, die ab 1923/24 in neun unabhängigen Aktiengesellschaften Deutschland mit Radioprogrammen versorgten; ab 1925 unter der R.-Gesellschaft als Dachorganisation. Nach der Verstaatlichung unter Reichskanzler Franz v. Papen 1932 (51 % im Besitz der Reichspost, der Rest im Besitz der Länder) übten zwei Reichskommissare die Aufsicht einerseits über Technik, Organisation und Entwicklung (Reichspostministerium) und die Programmgestaltung andererseits (Reichsinnenminsterium) aus. Die Nachrichten wurden einer zentralen, dem R. angehörenden Nachrichtenabteilung übertragen. Diese Maßnahmen antizipierten den staatlichen Einfluss, mit dem die Nationalsozialisten den R. rasch für Propagandazwecke instrumentalisierten. Nach Hitlers Machtergreifung fiel der R. in die Zuständigkeit des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, ab 14.3.1933 unter Joseph Goebbels, der die gesamte Bevölkerung, teils offenkundig, teils manipulativ, auf das NS-Programm einschwören wollte. Zur Realisierung dieses Ziels sistierte er die Selbständigkeit der Rundfunkgesellschaften, übertrug die Kompetenzen der Länder auf das Reich und besetzte Schlüsselpositionen mit regimetreuen Personen. Zudem wurden Hörerverbände sistiert und die Sendestationen ab 1.4.1934 als Reichssender geführt.

Für Österreich galt diese Verordnung ab 11.3.1938: Aus der RAVAG wurde der Reichssender Wien, dem Linz und Graz zugeordnet wurden, während der Reichssender München die Sender Innsbruck und Salzburg integrierte und der Reichssender Stuttgart den Sender Dornbirn übernahm (21.6.1939). Zur Verbreitung von Fremdsprachenprogrammen für das Ausland errichtete der R. in Dobl bei Graz/St einen starken Sender und weitere zehn Kleinsender mit 100 Watt in Steiermark und Kärnten.

Um noch bestehende Eigenheiten auszulöschen, veranlasste Goebbels die Schaffung eines Einheitsprogramms für das gesamte Deutsche Reich. Ab 1.1.1939 wurde der R. als Großdeutscher Rundfunk bezeichnet. Das von diesem ab Juni 1940 gesendete NS-Einheitsprogramm wurde in Österreich nicht kritiklos angenommen. Da nur eingeschaltete Radiogeräte propagandistisch wirksam werden können, kam das „Volksempfänger“ genannte Gerät auf den Markt, das allerdings keine ausländischen Programme empfangen konnte, später der noch billigere „Deutsche-Arbeitsfront-Empfänger“. Die Anordnung von „Gemeinschaftsempfang“ in Betrieben bei stillgelegter Arbeit führte zur permanenten Indoktrinierung der Bevölkerung. Ab 30.8.1939 trat das Abhörverbot ausländischer Sender in Kraft, ab 1941 wurde mit Durchhalteparolen verbundene Musik anstelle offenkundiger Propaganda eingesetzt. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs führte Personalmangel zu Einbrüchen im Programm. Am 30.1.1945 wurde die letzte Rede Hitlers übertragen, am 8.5.1945 stellte der letzte deutsche Sender sein Programm ein. Nach Kriegsende erfolgte die Errichtung neuer Rundfunkstationen durch die Besatzungsmächte in der jeweiligen Besatzungszone.


Literatur
W. Benz et al., Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg 2004 (CD-Rom); W. Benz et al., Enzyklopädie des Nationalsozialismus 1997; K. Hildebrand, Das Dritte Reich. Oldenburg Grundriss der Gesch. 2003; I. Marßolek/A. v. Saldern (Hg.), Radio im Nationalsozialismus zwischen Lenkung und Ablenkung 1998; R. G. Reuth, Goebbels 1995; J. Wulf, Presse und Funk im Dritten Reich 1983; http://gdv.mvm-consulting.de/gruppen/medien/Rundfunk.html (3/2005); www.lsg.musin.de/geschichte/lkg/h%C3%B6rfunk.htm (3/2005); www.jungewelt.de/2003/07-12/038.php (3/2005); J. Schlimper in www.mdr.de/kultur/1226172-hintergrund-1013415.html (3/2005).

Autor*innen
Margareta Saary
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Margareta Saary, Art. „Reichsrundfunk‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001deb3
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