Logo ACDH-CH
OeML Schriftzug
Logo OeML
Logo Verlag

Reimpsalterium
Rhythmischer Psalter (zu unterscheiden von Reimoffizium, Reimgebet u. ä.); außerliturgische religiöse Dichtung zum Lesen, Beten oder Singen für Andachten bzw. Bußübungen seit dem 12. Jh., eine Spezialform des Leseliedes (pium dictamen). Ein R. ist ursprünglich ein den biblischen Psalter begleitendes Lied mit 150 Strophen, die zuerst noch auf die einzelnen Psalmen wörtlich oder inhaltlich Bezug nehmen „ad imitationem psalmorum Davidis in ordine“ (Glossenlieder), später aber losgelöst von Psalter hauptsächlich Marienlob und -minne darstellen („150 Ave, quae de psalmis defloravi“), daneben gibt es auch R.en über Christus, die Trinität und das Kreuz. Die einzelnen Strophen des R.s ersetzten in der Andacht zunächst die Psalmenantiphonen, später wurde der Psalm durch ein Ave Maria ausgetauscht. Die 150 Strophen sind in drei Quinquagene unterteilt, diese entwickelten sich zu der eigenen Gattung Rosarium (corona, sertum, capelletum, crinale), einem Lied mit 50 Strophen (zu den 50 Ave Maria des Rosenkranzes). Sprachlich und inhaltlich sind die marianischen R.en von der Pariser Salutatio Sanctae Mariae inspiriert, einer Nachdichtung der lateinischen Prosaübersetzung des Hymnus Akathistos, sie sind häufig Grußlieder mit einem Strophenbeginn wie Ave, Salve, Gaude usw. Im Unterschied zu liturgischen Sequenzen, Hymnen u. ä. sind die R.en meist in Ich-Form gehalten, meditativ, preisend, mystisch, schwärmerisch und in einer oft extremen Bildersprache. Melodien sind kaum überliefert, wohl aber Melodietitel wie Ave vivens hostia oder Patris sapientia, nach denen die Strophen singbar sind. Im Falle der ambrosianischen Hymnenstrophe oder des Standardversmaßes der späten Sequenz (z. B. Stabat mater) erübrigt sich ob der großen Auswahl von Singweisen eine Melodieangabe.

Der bekannteste österreichische Dichter von R.en war Abt Engelbert von Admont, von dem das marianische R. „Ave rosa flos aestive“ (das „große Rosenlied“, alle 150 Strophen beginnen mit „Ave rosa“ und das Psalterium de Domino nostro Iesu Christo „Ave Iesu, Iesu ave“ stammen (AH 35). Weit verbreitet war auch das christologische R. „Iesu da, quod canimus“ des Hieronymus (Ioannes) de Werdea (ca. 1420–?) aus dem Kloster Mondsee. Das R. des Erzb.s Edmund von Canterbury „Ave virgo, lignum mite“ findet man in Salzburg St. Peter und Vorau, das fälschlich Bonaventura zugeschriebene R. „Ave virgo vitae lignum“ des John Peckham ist neben Salzburg St. Peter und Vorau auch in Melk, Kremsmünster, Lambach, Admont und Spital am Pyhrn/OÖ vorhanden. Die meisten der bekannten, in AH 35 und 36 publizierten R.en sind auch in Österreich nachweisbar. Der bedeutendste Dichter von Rosarien war Ulrich Stöcklin von Wessobrunn († 1443). V. a. in Benediktinerklöstern Süddeutschlands hielten sich die Rosarien auch in Drucken bis über die Reformationszeit hinaus. Aus Engelberts „Ave Jesu“ wählte A. Heiller mehrere Strophen für den Hymnus seiner Vesper (1978) aus.


Werke
Ausg: Texte in Analecta Hymnica 35 (1900), 36 (1901), 38 (1902); Lipphardt (s. Lit.).
Literatur
G. G. Meersseman, Der Hymnos Akathistos im Abendland 2 (1960); R. Bäumer/L. Scheffszyk (Hg.), Marienlex. 5 (1993), 357–362, 553–555; W. Lipphardt, Hymnologische Quellen der Steiermark u. ihre Erforschung 1974.

Autor*innen
Franz Karl Praßl
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Franz Karl Praßl, Art. „Reimpsalterium‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001dec7
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.