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Rilke, Rilke, true Rainer (geb. René) Karl Wilhelm Johann Josef Maria
* 1875-12-04 4.12.1875 Prag, † 1926-12-2929.12.1926 Valmont sur Territet bei Montreux/CH [begr. Raron/CH]. Dichter. Schulausbildung u. a. in Prag, St. Pölten und Linz, ab 1895 Studium der Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie in Prag, ab 1896 Studium der Rechtswissenschaften in München. 1916 militärische Ausbildung in Wien, dann bis Juni 1916 Arbeit im Kriegsarchiv und im k. u. k. Kriegspressequartier; lebte außerdem u. a. in Berlin und Paris (1905/06 Sekretär bei Auguste Rodin), ab 1921 in der Schweiz. Erste Werke ab ca. 1893, Hauptwerke u. a. Duineser Elegien (1912–22), Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (1906), Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910); avancierte zu einem der bedeutendsten Lyriker der literarischen Moderne. R.s Verhältnis zur Musik blieb ambivalent und schwankte zeitlebens zwischen Faszination und Ablehnung. So beschrieb er sich selbst als ‚musikalisch unfähig‘, konnte nicht singen, lernte nie ein Instrument und besaß keine musiktheoretischen Kenntnisse. Häufig wird R. eine Skepsis oder gar Furcht vor den ästhetischen Gefahren und der Wirkung der Musik attestiert, der Einfluss der bildenden Kunst steht bei R. dagegen stärker im Vordergrund. Dennoch spielte die Musik, die er als ‚Ursache aller Kunst‘ beschrieb, eine prägende Rolle, und er beschäftigte sich intensiv mit verschiedensten ästhetischen und auch technischen Aspekten. Einflussreich war insbesondere der Austausch mit der Pianistin Magda v. Hattingberg (1914), deren Briefwechsel Aufschlüsse über R.s Musikverständnis gibt. Hattingberg machte R. außerdem mit ihrem Lehrer F. Busoni bekannt, dessen Entwurf einer Ästhetik der Tonkunst er in der erweiterten Auflage (1916) an den Insel-Verlag vermittelte; das Buch wurde daraufhin R., „dem Musiker in Worten“, gewidmet. R. interessierte sich im Zusammenhang mit der Musik auch für die physikalische Tonerzeugung, also die Transformation von Materialität zu Kunst (Essay Ur-Geräusch, 1919). R.s musikalisches Interesse beschränkte sich hauptsächlich auf Werke von J. S. Bach, G. F. Händel und insbesondere L. v. Beethoven (Bezüge zu Beethoven finden sich beispielsweise in den Duineser Elegien oder schon im Malte; über seinen Eindruck einer Aufführung der Missa Solemnis schrieb er das Gedicht Aus dem hohen Jubelklanggedränge im Schmargendorfer Tagebuch 1900). Er hörte darüber hinaus zahlreiche Werke von zeitgenössischen Komponisten, wie u. a. A. Schönberg, wozu jedoch kaum Äußerungen überliefert sind. R. arbeitete selten direkt mit Musikern zusammen, er lehnte die Vertonung von Lyrik im Allgemeinen und speziell seiner eigenen Werke prinzipiell ab; Zustimmung zu einer solchen gab er meist aus rein persönlicher Sympathie (P. v. Klenau, E. Krenek); ebenso interessierte er sich wenig für die verschiedenen Formen des Musiktheaters und hegte insbesondere eine Abneigung gegen R. Wagner, dessen Gesamtkunstwerk ihm als eine Vermischung der Künste widerstrebte, aber auch gegen J. Brahms. R.s Verständnis ist maßgeblich geprägt von A. Schopenhauer, Antoine Fabre d’Olivets La Musique expliquée comme Science et comme Art (1896), vor allem aber von F. Nietzsches Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik (1872; dazu u.a. R.s Marginalien zu Friedrich Nietzsche, 1900). Zahlreiche seiner Werke zeugen von seiner oft zwiespältigen Auseinandersetzung mit Musik, so z. B. das Gedicht Musik (aus dem Buch der Bilder 1902/1906), Reich mir Musik (1900), Im Musiksaal (1901), Notizen zur Melodie der Dinge (aus dem Stunden-Buch 1905), Sonette an Orpheus (1922), An die Musik (1918), Ode an Bellmann (1915), Gong (1925). Als eines der wenigen Werke explizit für Musik wurden Strophen zu einer Fest-Musik (1915) geschrieben, sie blieben aber unvertont. Für E. Krenek schrieb er die drei Gedichte O Lacrimosa, die einige Tage vor R.s Tod 1926 von Krenek fertiggestellt wurden. Zahlreiche weitere Vertonungen (ohne R.s direkter Mitwirkung) stammen u. a. von A. Berg, L. Bernstein, F. Busoni, Harrison Birtwistle, Henri Dutilleux, H. Eisler, Paul Hindemith, C. Krauss, A. Mahler, Frank Martin, Darius Milhaud, K. Penderecki, M. v. Schillings, A. Schönberg, Dmitri Schostakowitsch, F. Schreker, E. Toch, V. Ullmann, A. Webern, K. Weill oder E. Wellesz. In dem von Richard Schönherz (* 1947 Wien) und Angelica Fleer (* 1958 Gelsenkirchen/D) 2001 ins Leben gerufenen Rilke-Projekt werden die von ihnen vertonten R.-Texte von zahlreichen bekannten Schauspielern und Musikern (u. a. Karl-Heinz Böhm, Christiane Hörbiger, Udo Lindenberg, Chr. Kolonovits, Peter Maffay, Xavier Naidoo) interpretiert.
Gedenkstätten
Zahlreiche Straßenbenennungen im deutschsprachigen Raum und in angrenzenden Nachbarländern sowie Schulen (Stuttgart/D, Icking/D, Anchorage, Alaska/USA); Gedenktafeln und Büsten u. a. in Prag; Bibliothèque R. M. R. in Paris.
Werke
R. M. R. Gesammelte Werke. 5 Bde., hg. v. M. Engel et al. 2003.
Literatur
MGG 14 (2005); NGroveD 21 (2001); A. Egel, „Musik ist Schöpfung“. R.s musikalische Poetik 2014; Th. Martinec (Hg.), R.s Musikalität 2019; J. Riemer, R.s Frühwerk in der Musik 2009; H. Deinert, R. und die Musik 1973; C. Mágr, R. M. R. und die Musik 1960; G. C. Schoolfield, Young R. and His Time 2009; E. Krenek, Im Atem der Zeit In Arbeit 1998; R. Görner in Bll. der Rilke-Ges. In Arbeit Nr. 10 (1983); G. C. Schoolfield in Music and German Literature 1992; J.-I. Eidt in R.s Welt. Fs. f. August Stahl zum 75. Geburtstag 2009; A. Englund in Silence and Absence in Literature and Music 2016; https://www.schoenherz-fleer.de/rilke-projekt (7/2020).

Autor*innen
Meike Wilfing-Albrecht
Letzte inhaltliche Änderung
17.12.2020
Empfohlene Zitierweise
Meike Wilfing-Albrecht, Art. „Rilke, Rainer (geb. René) Karl Wilhelm Johann Josef Maria‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 17.12.2020, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x003c19a3
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN

DOI
10.1553/0x003c19a3
GND
Rilke, Rainer (geb. René) Karl Wilhelm Johann Josef Maria: 118601024
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